| # taz.de -- Was Bauern wirklich bewegt: Die Zukunft nicht nur im Büro bestellen | |
| > Bio oder Agrarkonzern, Rechtsparolen oder bräsige Lobbypolitik – mit | |
| > ihrer Wirklichkeit hat das wenig zu tun, sagen zwei Landwirte. Ihre | |
| > Probleme? Andere. | |
| Die Trecker mit den Protestschildern stehen noch auf dem Hof von Hendrik | |
| Schünemann in Meinkot, im Landkreis Helmstedt in Ostniedersachsen. | |
| „Landwirtschaft macht jeden satt, auch die Feinde, die sie hat“, steht auf | |
| der vordersten Maschine. Zusammen mit seinem Kompagnon Nils Müller hat er | |
| sich an Bauerndemos in Wolfsburg, Hannover und [1][Berlin] beteiligt. | |
| An den weiteren Aktionen dann nur noch hier und da. Man hat ja noch was | |
| anderes zu tun, sagt er. Aber abgenommen haben sie die Schilder auch noch | |
| nicht – wer weiß, sie könnten sie noch mal brauchen. Der Bauernaufstand von | |
| Anfang Januar, der sich an Subventionskürzungen für Agrardiesel entzündete, | |
| ist nur vorläufig befriedet. | |
| Es ist der 24. Januar und eigentlich müssten sie jetzt direkt gegenüber in | |
| ihrem gemeinsamen Büro sitzen und endlich die Düngemittelmeldungen vom | |
| vergangenen Jahr eingeben und die Bedarfsermittlung fürs nächste. Was man | |
| so macht, wenn im Winter auf den Feldern nichts zu tun ist. Nicht gerade | |
| ihre Lieblingstätigkeit. Man wird ja nicht Bauer, weil man so gerne am | |
| Schreibtisch sitzt. | |
| Da nehmen sich Müller und Schünemann doch lieber die Zeit, einmal ein paar | |
| Dinge geradezurücken und der Journalistin zu erklären, was aus ihrer Sicht | |
| schiefläuft in der deutschen Agrarpolitik. | |
| Beide Landwirte sind Anfang 40, Familienväter, nüchterne, zupackende Typen, | |
| niedersächsische Bauern halt. Nicht unbedingt Menschen, die dauernd mit | |
| Schaum vor dem Mund herumlaufen. Der Frust, sagen sie, habe sich lange | |
| aufgebaut. Zum ersten Mal sind sie 2019 zu den großen Bauern-Demos | |
| ausgerückt. Damals ging es um die Düngemittelverordnung und die Ausweisung | |
| der sogenannten roten Gebiete, die hier immer noch ein großes Thema sind. | |
| Die aktuellen Proteste betrachten sie als logische Fortsetzung: „Wir sind | |
| ja damals durch Corona ausgebremst worden“, sagt Müller. Die jüngste | |
| Debatte um die Subventionskürzungen beim Agrardiesel und die wegfallende | |
| Befreiung von der Kfz-Steuer, die hätten das Fass nur zum Überlaufen | |
| gebracht. | |
| Worum es Schünemann und Müller wirklich geht, ist nicht ganz leicht zu | |
| fassen, wenn man mit ihnen spricht. Das fängt schon damit an, wie man ihre | |
| Betriebe beschreibt: Müller und Schünemann sind Ackerbauern, die | |
| Tierhaltung haben schon ihre Väter eingestellt. „Das kann man auch | |
| heutzutage echt nicht mehr so machen, Anbindehaltung und Legebatterien, ich | |
| bin froh, dass ich damit nichts zu tun habe“, sagt Schünemann. | |
| Andererseits hadern sie ein bisschen mit dem Image ihres Berufsstandes. | |
| „Wenn ich hier Besuch von Kita- oder Grundschulkindern kriege, sind die | |
| immer enttäuscht, dass das nicht so aussieht wie im Bilderbuch. Wo die | |
| Bäuerin in Kopftuch und Gummistiefeln die Hühner füttert, während irgendwo | |
| im Hintergrund die Kühe grasen und sich vorne die Schweine suhlen. Während | |
| der Bauer immer mit einer Mistforke rumläuft. Aber ein moderner | |
| landwirtschaftlicher Betrieb, der sieht halt anders aus“, sagt Müller. | |
| ## Falsches Bauernhofidyll | |
| Dieses falsche Bauernhofidyll finde sich auch in der politischen Debatte | |
| wieder, findet er. „Da gibt es immer nur die netten, kleinen | |
| Familienbetriebe auf der einen Seite und die große, böse Agrarindustrie auf | |
| der anderen Seite.“ Sie beide, sagt Müller und meint sich und seinen | |
| Kollegen Schünemann, seien eigentlich keins von beidem. | |
| Klar, Familienbetriebe sind sie schon irgendwie: Nils Müller betreibt den | |
| Hof in Danndorf in der sechsten Generation. Hendrik Schünemann seinen im | |
| sechs Kilometer entfernten Meinkot in der fünften Generation. Beides sind | |
| schmucke Höfe aus rotem Backstein, mitten im Ort. Aber als | |
| Einzelgesellschaften, als Einzelkämpfer, davon sind sie überzeugt, würde es | |
| sie schon lange nicht mehr geben: „Das rechnet sich einfach nicht“, sagen | |
| beide. | |
| Und so haben sie sich in den letzten Jahren weitere Einkommensquellen | |
| erschlossen: die Bewirtschaftung von Nachbarhöfen, die keine Nachfolger | |
| fanden, eine Kooperation hier, eine GmbH da. 2021 gründeten sie schließlich | |
| eine „Arbeitserledigungsgesellschaft“, in der sie Maschinen und Mitarbeiter | |
| für die Bewirtschaftung der mittlerweile fünf Höfe konzentrierten – ein | |
| klassisches Lohnunternehmen. Nur so lässt sich in einen modernen | |
| Maschinenpark investieren und die gegenseitige Hilfe legal abwickeln. | |
| Der Steuerberater, erläutert Müller, habe nämlich gesagt, sie würden gegen | |
| die Gesetze zur Leiharbeit verstoßen, wenn sie ihre Mitarbeiter auf die | |
| Felder des jeweils anderen schickten. Die Größe des Unternehmens bringt | |
| inzwischen viel ungeliebte Büroarbeit und Managementarbeit mit sich: „Das | |
| ist eine Menge Aufwand, früher war die Arbeit ruhiger, im eigenen Betrieb | |
| hat das mehr Spaß gemacht“, sagt Schünemann. Mit über 1.000 Hektar an | |
| verschiedenen Standorten, vier festen Mitarbeitern, vier Auszubildenden | |
| plus Erntehelfer gehören sie mittlerweile zu den Großbetrieben. | |
| Müllers Ehefrau hat deshalb auch keine Zeit, wie im Bilderbuch die Hühner | |
| zu füttern, sie sitzt in Vollzeit im Büro. „Es gibt nun mal einen gewissen | |
| Strukturwandel, es hat ja keinen Sinn, sich dem zu verweigern“, sagt ihr | |
| Mann. | |
| Und läuft los, um das etwas anschaulich zu machen. Mit Schünemanns VW-Bus | |
| geht es zum Kuhstall und zur Biogasanlage. Den Kuhstall betreibt ein | |
| weiterer Partner, Lars Ohse, Landwirt in Rickensdorf. „Er kümmert sich um | |
| die Kühe, wir machen seine Felder mit“, erklärt Müller. Die Biogasanlage | |
| betreiben sie gemeinsam. Der Stall, eigentlich mehr eine Leichtbauhalle, an | |
| deren Blechwänden jetzt der kalte Januarwind zerrt, wurde 2014 gebaut, für | |
| rund eine Million Euro. Damals lag er weit über den geltenden | |
| Tierschutzstandards, ein Vorzeigeprojekt. | |
| Die 120 Kühe können sich auf den breiten Gängen im Stall frei bewegen, | |
| einige stehen an der Futterstraße, andere dösen in den Liegebuchten, | |
| zockeln zu den großen Massagebürsten an einem Ende des Stalls oder – wenn | |
| das Euter drückt und das Kraftfutter lockt – zum Melk-Roboterstand am | |
| anderen Ende. Im Sommer stehen die Tiere auf der Weide. Sie tragen Sensoren | |
| am Hals, die genau registrieren, wenn eine eingeschränkte | |
| Wiederkäutätigkeit auf Unwohlsein hindeutet, oder eine wachsende Unruhe | |
| darauf, dass es Zeit ist, den Besamungstechniker anzurufen. Die Gülle | |
| wandert in die Biogasanlage direkt nebenan. | |
| Bei den Standards, die derzeit in Zusammenhang mit der Tierwohlabgabe | |
| diskutiert werden, müsste der Stall aber wohl trotzdem noch einmal umgebaut | |
| werden, befürchtet Müller – weil nicht jedes Tier einen eigenen Platz an | |
| der Futterstraße hat. „Dabei fressen die nie alle gleichzeitig. Die | |
| ranghöheren Tiere würden die rangniedrigeren ja wegbuffen. Das ist einfach | |
| praxisfern“, ärgert er sich. | |
| ## Krux der roten Nitrat-Gebiete | |
| Im Vergleich zu den sogenannten roten Gebieten ist das Kuhstall-Problem aus | |
| Sicht des Landwirts allerdings eine Kleinigkeit. Etliche ihrer Felder | |
| liegen in roten Gebieten, wo der Nitratgehalt so hoch ist, dass sie sich | |
| beim Düngen stark einschränken müssen. Der Streit um die Messstellen, an | |
| denen die Nitratbelastung des Grundwassers gemessen wird, betrifft Müller | |
| und Schünemann ganz direkt. | |
| Nicht immer erschließt sich allerdings, wie das zustande kommt. Ein Acker | |
| liegt etwa an der Landesgrenze – zum größeren Teil in Niedersachsen, mit | |
| einem kleineren Teil in Sachsen-Anhalt. In Niedersachsen ist das rotes | |
| Gebiet, in Sachsen-Anhalt nicht. „Ist das nicht der gleiche | |
| Grundwasserkörper, den man da zu schützen versucht? Das müsste mir schon | |
| einmal jemand erklären, wie man es schafft, da in der Tiefe einen Grenzzaun | |
| durchs Wasser zu ziehen“, schnaubt Müller. | |
| Tatsächlich, erklärt das niedersächsische Landwirtschaftsministerium auf | |
| Anfrage, ist es so, dass die Bundesländer zurzeit noch unterschiedliche | |
| Verfahren zur Abgrenzung der nitratbelasteten Gebiete verwenden. Und zwar | |
| jedes nur bis zur Landesgrenze. Bis 2028 ist das noch zulässig, ab dann | |
| sollen die Erhebungsmethoden harmonisiert werden. Eine generelle | |
| grenzüberschreitende Betrachtung ist aber nicht vorgesehen. | |
| Und das ist aus Sicht der Bauern, die ihre Äcker an einer Landesgrenze | |
| bewirtschaften, nicht das einzige Problem. Was sich noch im Grundwasser und | |
| im Boden findet, sind Belastungen aus den vergangenen 30 Jahren. „Natürlich | |
| hat sich die Art, wie wir düngen, total verändert. In den 90er Jahren war | |
| der Dünger billig, da hat man damit herumgeaast. Als ich vor 15 Jahren | |
| studiert habe, hat man den Stickstoffbedarf der Pflanzen auch noch ganz | |
| anders berechnet“, sagt Schünemann. | |
| ## Sensoren messen Chlorophyllgehalt | |
| Mittlerweile ist der Dünger teuer und sie setzen moderne Technik ein, um | |
| ihn passgenau auszubringen. Sensoren, die den Chlorophyllgehalt der Pflanze | |
| erfassen, den Düngebedarf entsprechend anpassen. Das nutzt ihnen nur nicht | |
| viel. Rotes Gebiet ist rotes Gebiet und verpflichtet dazu, 20 Prozent unter | |
| dem berechneten Bedarf zu düngen. | |
| Deshalb reicht der Eiweißgehalt des Weizens, den Schünemann in diesem Jahr | |
| geerntet hat, aber nicht mehr fürs Brotbacken. Er kann ihn nur als | |
| Futterweizen verkaufen. Das bringt rund 30 Euro weniger pro Tonne, schätzt | |
| er. Und, sagt Schünemann, es habe ihm noch niemand erklären können, wie aus | |
| einem roten Gebiet denn wieder ein grünes werde. Wie lange muss er jetzt | |
| weniger düngen? | |
| Das, sagt das niedersächsische Umweltministerium auf Anfrage, ist | |
| tatsächlich schwer zu beantworten und müsste für jedes Gebiet einzeln | |
| bestimmt werden. „Je nach Standortbedingungen im Zustromgebiet der | |
| betreffenden Messstelle kann die Reaktionszeit zwischen fünf bis mehr als | |
| 50 Jahre betragen.“ Alle vier Jahre werden die Werte überprüft und die | |
| Ausweisung der roten Gebiete angepasst. | |
| Man hätte hier von Anfang an stärker aufs Verursacherprinzip setzen müssen, | |
| glaubt Schünemann. Natürlich muss das Grundwasser geschützt werden. Aber | |
| dann sollte man doch die angehen, die tatsächlich zu viel aufs Feld kippen | |
| und nicht die, deren Felder zufällig im falschen Gebiet liegen – obwohl sie | |
| sich bemühten, den Eintrag so gering wie möglich zu halten. Für Müller und | |
| Schünemann reiht sich das ein in die endlosen Debatten darüber, ob die | |
| Messstellen, an denen die Grundwasserbelastungen festgestellt werden, an | |
| den richtigen Stellen liegen und die richtigen Dinge messen. | |
| An der Landesgrenze zwischen Niedersachsen und Sachsen-Anhalt tun sich | |
| allerdings noch andere agrarpolitische Sollbruchstellen auf. Theoretisch | |
| könnten Müller und Schünemann ja viele Daten automatisch auslesen. All ihre | |
| Schlepper arbeiten mit Tablets und hochmoderner Software. Jeder | |
| Arbeitsgang, von jedem Mitarbeiter auf jedem Feld, wird ganz genau erfasst, | |
| genauso wie der Düngemittel- und Wasserverbrauch. | |
| ## Eine Hand weiß nicht, was die andere tut | |
| Aber natürlich funktionieren die Schnittstellen zu den Behörden selten so | |
| wie versprochen. Solche Softwareanpassungen sind teuer und dauern. Der | |
| Markt für derart hochspezialisierte Software ist klein. Er wird noch | |
| kleiner dadurch, dass jedes Bundesland sein eigenes Süppchen kocht. | |
| Unterschiedliche Berechnungsgrundlagen, Eingabemasken, Datenbanksysteme. | |
| Auch das trägt bei Landwirten wie Müller und Schünemann zu dem Eindruck | |
| bei, dass hier die eine Hand nicht weiß, was die andere tut. | |
| Das gilt auch für die EU-Subventionen. Natürlich sind sie keine großen Fans | |
| eines Auszahlungssystems, das sich bloß nach der genutzten | |
| landwirtschaftlichen Fläche richtet. „Sehen Sie sich die Liste der großen | |
| Direktzahlungsempfänger doch an: Landwirte sind das nicht. Stattdessen | |
| finden sie da den Nabu, Aldi Süd und irgendwelche Flughäfen“, mosert | |
| Schünemann. | |
| Die bewirtschaften die Fläche nicht selbst, die verpachten sie allenfalls | |
| und sind auch sonst nicht da, wenn es nötig ist. Anders als er, sagt der | |
| Ackerbauer: Erst heute Morgen ist sein Feuerwehrpieper wieder losgegangen: | |
| ein umgestürzter Baum. Dann fährt er halt mal schnell los mit seinem | |
| Schlepper und zieht den Baum beiseite. Und auch beim Weihnachtshochwasser | |
| haben sie tagelang Sandsäcke durch die Gegend gekarrt, sagt er. „Glauben | |
| Sie, Aldi Süd rückt zu so was aus?“ | |
| ## Es dauert, bis man Förderung beantragen kann | |
| Andersherum sind sie mit dem politischen Trend, die pauschale | |
| Subventionierung zurückzufahren und stattdessen zunehmend Umwelt- und | |
| Klimaschutzmaßnahmen auszuschreiben, oft auch nicht sonderlich glücklich. | |
| Egal, ob auf EU-, auf Bundes- oder auf Landesebene, das Muster, beklagen | |
| sie, ist oft das Gleiche: Mit den Auflagen und Abgaben ist die Politik | |
| schnell bei der Hand, auf die Förderrichtlinien, mit denen man sich auf | |
| Gelder bewerben könnte, warte man deutlich länger. Und am Ende bedeuten die | |
| halt auch bloß noch mehr von dem verhassten Papierkram. | |
| Müllers 17-jährige Tochter überlegt, in die Landwirtschaft zu gehen. Aber | |
| so wie es im Moment läuft, sagt Müller, würden er und seine Frau ihr eher | |
| abraten. Nicht weil der Betrieb so schlecht dastünde. Eher, weil die | |
| Perspektiven so unsicher seien. Als würde man ein Spiel spielen, bei dem | |
| sich dauernd die Regeln ändern. Und keiner wisse, wohin es eigentlich am | |
| Ende gehen soll, was das gemeinsame Ziel ist. | |
| Mit rechten Parolen, Umsturzfantasien oder „Früher war alles | |
| besser“-Parolen haben die beiden Ackerbauern trotzdem nichts am Hut. „Ich | |
| fand das sehr unangenehm, wie sich die AfD-Landtagsfraktion da bei unserer | |
| Kundgebung in Hannover vor der Bühne breitgemacht hat“, sagt Schünemann. | |
| Einer habe ihn sogar blöd angemacht, weil er sich den „Landwirtschaft ist | |
| bunt nicht braun“-Aufkleber, den die Landjugend verteilt hatte, auf die | |
| Arbeitsjacke gepappt hatte. | |
| Was man jetzt sehe, sei eben auch das Resultat jahrzehntelanger | |
| Versäumnisse in der Agrarpolitik. Daran sei die Ampel bestimmt nicht | |
| alleine schuld. Fragt man Müller, warum es dann am Ende doch immer die | |
| Grünen sind, die den ganzen Hass abkriegen, kratzt er sich am Kopf. „Na ja, | |
| weil man halt immer den Eindruck hat, denen sind die Probleme im gesamten | |
| Rest der Welt wichtiger als die vor der eigenen Haustür, ne? Das ist jetzt | |
| vielleicht ein bisschen Stammtisch, aber …“ | |
| Da sind sie dann wieder, [2][die berüchtigten Radwege in Peru,] deren | |
| Förderung im Rahmen von deutschen Entwicklungshilfeprojekten in den | |
| sozialen Netzwerken vor kurzem viral gingen – weil rechte Abgeordnete | |
| polemisch mit falschen Zahlen hantierten. | |
| Dabei zieht sich der angebliche Stadt-Land-Konflikt, der an solchen Stellen | |
| auch immer gern herbeizitiert wird, längst auch durch die Dörfer im Kreis | |
| Helmstedt. Die liegen nämlich im Fall von Schünemann und Müller im | |
| Dunstkreis der Stadt Wolfsburg und sind dabei, sich zu klassischen | |
| Schlafdörfern zu entwickeln. Immer mehr Neubaugebiete, aus denen die Leute | |
| zur Arbeit ins nahe VW-Werk pendeln. | |
| Letzten Sommer wunderte sich Schünemann über eine dunkle Gestalt mit | |
| Taschenlampe, die über den Acker auf ihn zugestapft kam. Spät begriff er, | |
| dass es sich um eine Polizistin handelte. Die neuen Nachbarn hatten sich | |
| beschwert, weil er um 22 Uhr noch auf dem Feld arbeitete. | |
| ## Kein Durchkommen für große Erntemaschinen | |
| Oder diese Geschichte aus dem Nachbarort: Da sollte die Fahrbahn am | |
| Ortseingang verengt werden, um Raser auszubremsen. Nur, dass man dann mit | |
| den großen Erntemaschinen auch nicht mehr durchkommt. Wegen solcher Sachen, | |
| sagt Schünemann, sitzt er seit zehn Jahren im Gemeinderat. | |
| Wie es nun weitergeht mit den Protesten, wissen beide noch nicht. „Wir | |
| haben überlegt, jetzt vielleicht erst einmal eine kleine Danke-schön-Tour | |
| für die Pflegekräfte im Klinikum Wolfsburg zu fahren“, sagt Müller. Man | |
| habe sich zwar bemüht, die bei den Blockaden immer durchzulassen, aber ein | |
| bisschen gebeutelt seien die ja trotzdem gewesen. Im Übrigen hätten ihnen | |
| viele positive Reaktionen und das gewachsene Interesse ein wenig Hoffnung | |
| gegeben. „Wir haben jetzt endlich mal einen Gesprächstermin mit dem | |
| örtlichen Bundestagsabgeordneten Frank Bsirske. Um den bemühen wir uns seit | |
| zwei Jahren.“ | |
| Dass Agrarpolitik bisher nicht unbedingt zu den Steckenpferden des | |
| [3][Ex-Verdi-Vorsitzenden und nun grünen Bundestagsabgeordneten] zählt, | |
| glaubt man sofort. Aber irgendwie muss ja nun mal was passieren, sagt | |
| Müller, und zwar nicht nur beim Agrardiesel. Für den, meint er, gäbe es ja | |
| eine viel einfachere Lösung: „Sollen die uns doch mit Heizöl oder Rapsöl | |
| fahren lassen. Geht in anderen Ländern doch auch.“ | |
| Während sich mit Heizöl alleine schon klimapolitisch gesehen kaum die | |
| Zukunft auf dem Feld bestellen lässt, könnte sich in Sachen Biodiesel | |
| politisch tatsächlich bald etwas tun. Zumindest hat | |
| [4][Bundesumweltministerin Steffi Lemke vor Kurzem einmal angedeutet], man | |
| könnte über Ausnahmen für die Landwirtschaft nachdenken. Bisher war sie | |
| gegen aus Pflanzenöl gewonnene Kraftstoffe, vor allem für Privat-Pkws, weil | |
| der Flächenverbrauch für den Anbau des Rohstoffs so unverhältnismäßig hoch | |
| erscheint. | |
| Auch wenn Schünemann und Müller jetzt erst mal keine weiteren Demo-Termine | |
| im Kalender haben – die Plakate sind ja noch dran an den schweren | |
| Landmaschinen. Und die beiden und ihre Kolleg*innen werden sich | |
| vermutlich gemerkt haben, dass sich die Politik im fernen Berlin davon | |
| schon einmal in diesem Jahr schnell beeindrucken ließ. | |
| 5 Feb 2024 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.tagesschau.de/inland/innenpolitik/bauernprotest-demo-berlin-100… | |
| [2] /Bauern-versus-Fahrradwege/!5984246 | |
| [3] /Frank-Bsirske-ueber-seine-Bundestagskandidatur/!5787682 | |
| [4] /Kraftstoffe-in-der-Landwirtschaft/!5986377 | |
| ## AUTOREN | |
| Nadine Conti | |
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