# taz.de -- Bauernprotest vor Aldi-Lager: Scharf auf Billig-Solidarität | |
> Bauern in Niedersachsen blockierten Lager von Amazon und Aldi. Konkrete | |
> Forderungen gebe es dabei keine, sagt der Protestforscher Felix Anderl. | |
Bild: Bauern fordern Solidarität: Blockade vor dem Zentrallager von Aldi im La… | |
HAMBURG taz | Die Proteste von Landwirt*innen in Norddeutschland haben | |
sich am Montag von den Straßen auf die Lager von Supermärkten und | |
Unternehmen ausgeweitet – ausgerechnet an dem Tag, [1][an dem das Ende der | |
Proteste mit einer großen Abschlussdemo in Berlin angesagt war.] In der | |
Nacht auf Montag blockierten Bäuer*innen ein Lager von Aldi Nord in | |
Stelle sowie ein Amazon-Lager in Winsen, die beide im Kreis Harburg liegen. | |
Damit wollen die Protestierenden mit Druck ihre Front gegen die | |
Bundesregierung verstärken. Dem Hamburger Abendblatt erklärten | |
Teilnehmende, dass ihr Hauptziel sei, dass Amazon und Aldi sich mit dem | |
Protest solidarisieren und ihn öffentlich unterstützen. Die Preispolitik | |
der Handelsunternehmen spielen dabei kaum eine Rolle. | |
Nach Polizeiangaben begann [2][der unangekündigte Protest] vor der Zufahrt | |
zum Aldi-Lager in Stelle noch am Sonntagabend mit etwa 60 Fahrzeugen, über | |
die Nacht wurden es etwa 100. Am Montagmorgen löste sich die Blockade | |
wieder auf. Die Protestierenden erreichten das Ziel, mit dem Konzern ins | |
Gespräch zu kommen. | |
„Mit den Vertretern der Landwirtschaft suchen wir vor Ort den konstruktiven | |
Dialog“, erklärt Axel von Schemm, ein Sprecher von Aldi Nord auf Anfrage. | |
Bereits am Freitag zuvor hatte der Konzern ein Statement veröffentlicht, in | |
dem es sich zur „deutschen Landwirtschaft bekennt“. Amazon äußerte sich a… | |
Anfrage der taz nicht zu den Blockaden ebenso wie der Deutsche | |
Bauernverband. | |
## Konzerne sind nicht der Gegner | |
Es ist nicht das erste Mal, dass Bäuer*innen vor Lebensmittelkonzernen | |
demonstrieren. Allerdings waren die Proteste zuvor meist mit konkreten | |
Forderungen an die Konzerne verbunden. Für den Protestforscher Felix Anderl | |
von der Universität Marburg geht es dieses Mal vor allem um eine | |
Machtdemonstration. „Die meisten Protestbewegungen scheuen sich davor, | |
Lebensmittellieferungen zu blockieren“, sagt Anderl. „Das ist eine heikle | |
Angelegenheit.“ Bei den Bauern trage die Symbolik jedoch, weil sie selbst | |
Teil der Lieferkette sind. | |
Und der Druck funktioniert: Nachdem Bauern vergangene Woche ein Rewe-Lager | |
in Sottrum in Niedersachsen teilblockiert hatten, ging der Konzern auf die | |
Bauern zu. Es kam auch dort zu Lieferproblemen von Märkten, Rewe | |
verhandelte. „Durch den offenen Dialog mit den Protestierenden sind wir | |
schlussendlich zu einer Einigung gekommen“, erklärt Isabel van der Walle, | |
Sprecherin von Rewe Nord, auf Anfrage. | |
Auf der Homepage des sogenannten Kompetenzzentrums Landwirtschaft der Rewe | |
Group findet sich seitdem ein Statement, in dem sich Rewe ähnlich wie Aldi | |
recht vage zum „ländlichen Raum“ und zur „heimischen Landwirtschaft“ | |
bekennt. „Es kann helfen, wenn große Player Statements äußern, sofern sie | |
darin konkret genug werden, dass man sie später darauf festnageln kann“, | |
sagt Protestforscher Anderl. In den Statements findet sich allerdings | |
nichts in dieser Form. | |
## „Melange aus Anti-Establishment-Politik“ | |
Dennoch passt die Forderung nach Solidarität statt konkreter Systemkritik | |
in die Protestform, die die Bauernproteste allgemein angenommen haben. „Das | |
ist im Moment eher eine [3][Melange aus Anti-Establishment-Politik], aber | |
keine Frage nach einer wirtschaftlich nachhaltigen Agrarpolitik“, so | |
Anderl. Gesetzt wird vor allem auf breite Mobilisation – auch mithilfe von | |
Konzernen. | |
„Sobald man das Fass der Preispolitik aufmacht, ist man im Bereich der | |
politischen Regulation“, sagt Anderl. „Der Bauernverband scheut sich davor | |
allerdings.“ Der Verband sei in den vergangenen Jahrzehnten vor allem ein | |
Lobbyverband für mehr Subventionen im bestehenden System gewesen, so | |
Anderl. Die Systemfragen um nachhaltigen Vertrieb oder Arbeitsbedingungen | |
tastete er wenig an. | |
„Aus der Protestforschung wissen wir, dass das am Anfang eine kluge Linie | |
ist, um breit zu mobilisieren“, sagt Anderl. „Aber wenn es später keine | |
Richtung bekommt und man nur sagt:,Alles ist scheiße’, kann jeder seine | |
Themen hineinprojizieren.“ Langfristig, so der Protestforscher, könnte sich | |
das rächen. | |
16 Jan 2024 | |
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## AUTOREN | |
Theresa Moosmann | |
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