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# taz.de -- Bauernproteste in Frankreich: Mit gelben Mützen in Le Pens Arme
> In Frankreich übernimmt die Führung der Bauernproteste ein Verband, der
> anschlussfähig an die Rechte ist. Die wittert vor den EU Wahlen ihre
> Chance.
Bild: Protestierende Bauern an einer Straßenblockade südlich von Paris am 1. …
Paris taz | Immer näher rücken die französischen Bauern [1][mit ihren
Traktorkonvois] an Paris und andere Städte heran – unbeeindruckt von den
bisherigen Zugeständnisse der Regierung.
Regierungschef Gabriel Attal hatte am Dienstag im Parlament versichert, die
Regierung stehe auf Seiten der Bauern – die Landwirtschaft sei „Stärke und
Stolz“ des Landes. Doch punkten kann im Zug der Proteste vor allem die
extreme Rechte.
Unter den Landwirten, die in der Provinz [2][aus Protest gegen ihre
prekären Lebensbedingungen Straßen blockieren] oder mit ihren Traktoren in
Richtung Paris fahren, fallen die senfgelben Mützen auf, die sie tragen.
Die Kopfbedeckung ist in zweifacher Hinsicht symbolisch: Die Farbe erinnert
an die Protestbewegung von meist ländlichen „Wutbürgern“, die ab November
2018 und während der folgenden Monate mit ihren [3][gelben Westen] mit
Demonstrationen und Straßensperren für eine höhere Kaufkraft und gegen den
Mangel an Infrastrukturen und Dienstleistungen gekämpft hatten.
## Zwischen Rotmützen und Gelbwesten
Die zweite historische Referenz sind die „Rotmützen“ (Bonnets rouges), die
in der Bretagne 2013 – ganz in der Tradition der ländlichen Revolten
früherer Jahrhunderte – erfolgreich gegen eine Öko-Schwerverkehrsabgabe
revoltiert haben.
Die Abkürzung CR auf den gelben Mützen steht für „Coordination rurale“. …
„Ländliche Koordination“ ist heute der zweitgrößte Verband der Landwirte.
Die hat es weit besser als die seit Jahrzehnten dominierende FNSEA
(Fédération Nationale des Exploitants Agricoles) verstanden, die Wut der
kleineren Viehzüchter, Geflügelhalter, Milchbauern und Gemüseproduzenten
aufzugreifen und sie konfrontativ zu kanalisieren.
Die FNSEA dagegen blieb zunächst bei ihrer Rolle als privilegierte
Partnerin der Regierung, der Industrie und der Supermärkte und zögerte,
ihre Basis zu mobilisieren. Doch die wartete aber nicht auf eine Einladung
und beteiligte sich spontan an den Aktionen, die vor zwei Wochen im
Südwesten begonnen und sich seither auf das ganze Land ausgeweitet haben.
Die CR übernahm in zahlreichen Regionen die Führung einer Bewegung, die der
Kontrolle durch die FNSEA und deren Jugendorganisationen Jeunes
Agriculteurs (JA) entglitten war. Die gelben Mützen sind populär geworden.
## Die Rechte unterstützt die Proteste
Die Ausrichtung dieses bäuerlichen Interessenverbands ähnelt in manchen
Punkten der nationalistischen, protektionistischen und antieuropäischen
Propaganda der extremen Rechten – und die unterstützt die Proteste seit
Beginn.
Der Parteivorsitzende des Rassemblement National (RN), Jordan Bardella, der
wie seine Chefin Marine Le Pen aus Solidarität die Landwirte der CR auf
ihren Barrikaden besucht, bezeichnete sich sogar selber als „Wortführer
unserer ländlichen Gebiete und Bevölkerung“. Einige lokale CR-Chefs, wie
Serge Bousquet-Cassagne, verheimlichen nicht, dass sie mit der politischen
Rechten sympathisieren. Marine Le Pen wiederum schürt nicht nur die
Radikalität der Protestbewegung. Sie begrüßt gar den „Bruch zwischen der
FNSEA und der Basis“ ausdrücklich.
Die Sympathien der in Bedrängnis geratenen Kleinbauern für die Rechte ist
nicht neu. Bei den letzten Präsidentschaftswahlen von 2022 erklärte rund
ein Drittel der ländlichen Bürger*innen, im ersten Durchgang Marine Le Pen
gewählt zu haben. Vielen von ihnen erscheint die Rechte als einzige
Alternative zur liberalen Politik von Emmanuel Macron, zur derzeitigen
EU-Politik und „Technokratie“.
Die Ex-Präsidentschaftskandidatin des RN hatte darum keine Mühe, einen
politisch ähnlich gesinnten Landwirt zu finden, bei dem sie vor den
Fernsehkameras auf einem von seinem Sohn gelenkten Traktor eine Runde
drehen durfte.
## Bauern werfen verzweifelt das Handtuch
Angesichts der wirtschaftlichen Probleme und wenig rosigen Aussichten in
mehreren Sparten des Berufs, werfen viele französische Bauern verzweifelt
das Handtuch. Andere geben an, sie seien nicht mehr motiviert
weiterzumachen, wenn die Zuwendungen der EU-Agrarpolitik und nicht der
Verkauf der Produkte zur wichtigsten Einnahmequelle würden.
Zwar sind die Landwirte also zahlenmäßig ein relativ kleines Wählersegment,
doch sie haben Gewicht in der Gesellschaft: Landwirtschaft gilt als Teil
der Tradition, mehr als 80 Prozent finden ihre derzeitigen Forderungen und
Aktionen legitim. Die extreme Rechte kann mit ihrer Solidarisierung mit den
Bauernprotesten so in den ländlichen Gebieten, die sich seit Langem von der
Elite in Paris vernachlässigt fühlt, neue Stimmen gewinnen.
Fünf Monate vor den EU-Wahlen muss die Le Pen-Partei keine eigene Kampagne
mehr führen, um bereits als Gewinnerin dazustehen.
1 Feb 2024
## LINKS
[1] /Agrar-Proteste-breiten-sich-aus/!5985780
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[3] /Prozess-gegen-Gelbwesten-in-Frankreich/!5756894
## AUTOREN
Rudolf Balmer
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