| # taz.de -- Bauernproteste in Italien: Mit den Rechten gegen Brüssel | |
| > Auch in Italien demonstrieren die Landwirt*innen, unterstützt von der | |
| > Regierung: Es geht ihnen um zu wenig Einkünfte, schuld ist natürlich die | |
| > EU. | |
| Bild: Auch in Italien: Bauernproteste auf der Autobahn in der Nähe von Mailand | |
| Rom taz | Nein, weder vor dem Kolosseum noch vor Sankt Peter wurden bisher | |
| Traktorkolonnen gesichtet. Anders als Brüssel, wo am Donnerstagfrüh | |
| Kolonnen Hunderter aufgebrachter Bauern Richtung EU-Zentrale fuhren, um | |
| gegen Vorschriften, hohe Kosten und Bürokratie zu protestieren. Oder in | |
| [1][Frankreich] oder in [2][Deutschland], wo die Hauptstädte von | |
| aufgebrachten Landwirt*innen belagert wurden oder immer noch werden. In | |
| Italien haben die Bauernproteste noch nicht die Kapitale des Landes, Rom, | |
| erreicht. | |
| Doch auch südlich des Brenners sind die Landwirt*innen in diversen | |
| Regionen mit ihren Traktoren unterwegs. Auf Sardinien blockierten sie am | |
| Dienstag den Hafen von Cagliari und stoppten LKWs auf ihrem Weg zu den | |
| Fähren. Und in der Toskana kamen hunderte Bauern an der Autobahn | |
| Mailand-Rom zusammen. Ähnliche Aktionen gab es an mehreren Orten der | |
| norditalienischen Lombardei, wo lange Traktorkolonnen den Verkehr | |
| behinderten und Autobahnzufahrten blockierten. Bilder dieser Sorte waren | |
| auch in Süditalien zu sehen, in Kampanien genauso wie in Kalabrien, ganz | |
| unten an der Stiefelspitze. | |
| Die Klagen der italienischen Landwirt*innen sind überall gleich – und | |
| sie richten sich weniger an die nationale Regierung als an die EU. Auch in | |
| Italien geht es darum, dass der Agrardiesel in Zukunft steuerfrei bleiben | |
| soll. Vor allem aber richten sich die Beschwerden gegen die „grüne“ | |
| Agrarpolitik Brüssels, zum Beispiel gegen die Auflage, jährlich 4 Prozent | |
| der Agrarflächen zwecks Regenerierung nicht zu kultivieren. | |
| Zwar hat die EU-Kommission diese Brachflächenregelung als Zugeständnis am | |
| Mittwoch vorerst ausgesetzt. Ein kleiner Erfolg, der die Proteste aber | |
| wahrscheinlich kaum tangieren wird. Hauptärgernis der Landwirt*innen | |
| sind ohnehin die „zu niedrigen“ Erlöse der Erzeuger*innen für | |
| Agrarprodukte, die schon „seit Jahrzehnten nicht kostendeckend“ seien, wie | |
| die Protestierenden immer wieder vor den Mikrofonen erklären. Zudem | |
| verlangen sie von der EU ein klares Nein zu synthetischem, aus Zellkulturen | |
| gezüchtetem Fleisch. | |
| ## Rechtsregierung auf der Seite der Protestierenden | |
| In diesem Punkt treffen sie sich mit der Rechtsregierung in Rom. Deren | |
| Landwirtschaftsminister Francesco Lollobrigida hat ein Gesetz auf den Weg | |
| gebracht, das die [3][Produktion wie den Vertrieb synthetischen Fleischs | |
| komplett untersagt]. Der zur postfaschistischen Partei Fratelli d’Italia | |
| gehörende Lollobrigida inszeniert sich auch sonst gern als oberster | |
| Vertreter der Agrarlobby im Land und pflegt enge Beziehungen zur | |
| Coldiretti, dem wichtigsten Bauernverband Italiens. | |
| Mit der demonstrativ zur Schau gestellten Nähe zu den Landwirt*innen | |
| steht Lollobrigida in der Rechtskoalition nicht allein. Auch Matteo | |
| Salvini, Chef der Lega und Verkehrsminister, verkündete jetzt, die | |
| Agrarpolitik der EU-Kommission unter von der Leyen sei einfach „desaströs“. | |
| Er nimmt damit eine alte Tradition der Lega auf: Schon 1997 stellte sie | |
| sich an die Spitze der Proteste der Landwirt*innen gegen die | |
| EU-Milchquoten und stellte einige der Anführer der Bewegung als Kandidaten | |
| für die folgenden Parlamentswahlen auf. Auch jetzt könnte das Thema der | |
| Lega im kommenden Europawahlkampf wie gerufen kommen. | |
| 1 Feb 2024 | |
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| ## AUTOREN | |
| Michael Braun | |
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