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# taz.de -- Protest in Brüssel, Paris und Italien: Bauern legen Europaviertel …
> In Brüssel haben Landwirte Straßen blockiert, um gegen die Agrarpolitik
> zu demonstrieren. In Europa gehen die Proteste weiter.
Bild: Rauchwolken verdüsterten den Himmel über Europas Hauptstadt: Bauernprot…
Paris/Brüssel/Rom taz | Im Brüsseler Europaviertel ist man laute
Demonstrationen gewöhnt. Doch so wild wie bei den Bauernprotesten am
Donnerstag, an denen sich mehrere tausend Landwirte, vor allem aus Belgien,
aber auch etwa aus Frankreich und [1][Deutschland] beteiligten, ging es
selten zu. Nur wenige hundert Meter vom Ratsgebäude, in dem parallel der
EU-Gipfel tagte, fuhren Hunderte Traktoren auf und blockierten die Straßen.
Wütende Jungbauern errichteten Barrikaden vor dem Europaparlament. Andere
demolierten ein Denkmal auf der Place du Luxembourg und steckten es in
Brand. Rauchwolken verdüsterten den Himmel über Brüssel. Von rund 1.300
Traktoren in der Stadt sprach die Polizei.
„Wir müssen auf dem Gipfel auch darüber sprechen“, sagte der belgische
Premierminister Alexander De Croo mit Blick auf die Unruhen. „Die
Forderungen sind zum Teil berechtigt.“ Ähnlich äußerte sich der
französische Präsident Emmanuel Macron. Dabei war der Bauernaufstand kein
Thema beim EU-Gipfel, zumindest nicht offiziell. Er werde am Rande mit
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sprechen, sagte Macron.
Die Agrarpolitik wird vor allem in Brüssel gemacht, die EU-Kommission
verteilt auch die meisten Subventionen. Deshalb richtet sich der Zorn nun
auf die EU. Doch von der Leyen hat sich bisher kaum bewegt. Wohl als
Reaktion auf die deutschen Bauernproteste legte sie in der letzten Woche
einen „strategischen Dialog“ auf – ohne greifbare Ergebnisse. Am Mittwoch
kündigte sie dann erste Zugeständnisse an, etwa bei Agrarimporten aus der
Ukraine und bei der Nutzung von Brachflächen für den Ackerbau.
Doch viele Landwirte sehen darin nur eine Beruhigungspille. Sie fordern
Soforthilfen und weniger Bürokratie. Die EU verhänge zu viele Umwelt- und
Klimaauflagen und subventioniere vor allem große Agrarbetriebe, hieß es
beim Bauernaufstand in Brüssel. Die kleinen Bauern blieben auf der Strecke.
Dass Brüssel nun auch noch Billigexporte aus der Ukraine zulässt und ein
Freihandelsabkommen mit den Mercosur-Staaten plant, sorgt für zusätzlichen
Ärger. „Stopp Mercosur“, stand in Brüssel denn auch auf einem Plakat der
Protestbauern, eine Anspielung auf das geplante Abkommen mit Südamerika.
## Frankreich: Umzingeltes Paris und Zugeständnisse
Dass Macron ein Gespräch mit von der Leyen ankündigte, hatte auch mit der
Lage in seinem eigenen Land zu tun, wo weiter zahlreiche Landwirte ihrem
Unmut freien Lauf ließen. Am dritten Tag in Folge war die französische
Hauptstadt am Donnerstag nicht über die Autobahn zu erreichen. Mit ihren
Sperren aus Traktoren und Pkws ist es den Landwirten gelungen, [2][Paris zu
umzingeln und zu belagern] – wie sie das am Wochenende angedroht hatten. An
mehreren Stellen hatte die Polizei versucht, sie mit Panzerfahrzeugen zu
stoppen, doch die geländegängigen Traktoren umfuhren einfach das
Hindernis.
So gelang es einem vom Osten her kommenden Konvoi am Mittwoch, bis auf das
Gelände des Großmarkts Rungis im Pariser Süden vorzustoßen. Die Polizei
schritt erst ein, als einige Dutzend Demonstranten in die Markthallen
eindrangen. Rund 80 Personen wurden vorübergehend festgenommen. Ein zweiter
aus der Stadt Agen im Süden nach Rungis anrollender Konvoi der Gewerkschaft
Coordination rurale konnte dagegen von den Ordnungskräften aufgehalten und
zur Umkehr gezwungen werden.
Während die Zufahrten nach Paris und in andere Städte Frankreichs weiter
von rund 10.000 Landwirten mit 8.500 Traktoren blockiert wurden, kündigte
die Regierung am Donnerstag eine dritte Welle von finanziellen und
politischen Zugeständnissen an. Bei einer Pressekonferenz kündigte
Premierminister Gabriel Attal zusammen mit dreien seiner Minister
weitergehende Konzessionen an, die wie eine Kapitulation vor dem Druck der
populären Bauernaktionen wirken.
Attal versprach eine finanzielle Soforthilfe im Umfang von 150 Millionen
Euro in Form erlassener Steuern und Abgaben und weitere 2 Milliarden für
erleichterte Anleihen. Generell möchte er die nationale „Souveränität der
Landwirtschaft“ als Zielsetzung im Gesetz verankern. Auch auf die Sorge der
Landwirte vor Billigimporten ging Macrons Premier ein: So versprach Attal,
dass Frankreich das Mercosur-Abkommen mit vier lateinamerikanischen Staaten
nicht unterzeichnen werde. Er erklärte sich auch bereit, namentlich
Verhandlungen über die (bisherige) Einfuhr von Getreide aus der Ukraine
aufzunehmen.
Ob dies den zornigen Bauern genügen wird, um wieder nach Hause zu fahren,
blieb am Donnerstag zunächst unklar. In einer ersten Stellungnahme äußerte
sich der wichtigste Bauernverbands FNSEA immerhin positiv. Ein weiteres
Entgegenkommen erhoffen sie sich aus Brüssel.
## Italien: Hafenblockade und gegen synthetisches Fleisch
Traktorkolonnen vor dem Kollosseum? Fehlanzeige. Anders als in Frankreich
und Deutschland haben die Bauernproteste in Italien noch nicht die
Hauptstadt des Landes erreicht. Doch auch südlich des Brenners sind die
Landwirte in diversen Regionen mit ihren Traktoren unterwegs. Auf
Sardinien blockierten sie am Dienstag den Hafen von Cagliari und stoppten
Lkws auf ihrem Weg zu den Fähren. In der Toskana kamen hunderte Bauern an
der Autobahn zwischen Mailand und Rom zusammen. Ähnliche Aktionen gab es in
der Lombardei, wo lange Treckerkonvois den Verkehr behinderten und
Autobahnzufahrten blockierten. Bilder dieser Art waren auch in Süditalien
zu sehen.
Die Klagen der italienischen Landwirte sind überall gleich – und richten
sich vor allem an die EU. Klar, auch in Italien geht es darum, dass der
Agrardiesel auch in Zukunft steuerfrei bleiben soll. Vor allem aber richten
sich die Beschwerden gegen die „grüne“ Agrarpolitik Brüssels, zum Beispiel
gegen die Auflage, jährlich vier Prozent der Agrarflächen zwecks
Regenerierung nicht zu kultivieren.
Hauptärgernis aber sind die zu niedrigen Erlöse der Erzeuger*innen für
Agrarprodukte, die schon seit Jahrzehnten nicht kostendeckend seien, wie
die Protestierenden kritisieren. Zudem verlangen sie von Brüssel ein klares
Nein zu synthetischem, aus Zellkulturen gezüchtetem Fleisch. In diesem
Punkt [3][stimmen sie mit der rechten Regierung in Rom überein], die hier
bereits ein nationales Gesetz auf den Weg gebracht hat.
1 Feb 2024
## LINKS
[1] /Bauernproteste-in-Deutschland/!5982726
[2] /Bauern-Proteste-in-Frankreich/!5985672
[3] /Bauernproteste-in-Italien/!5989690
## AUTOREN
Rudolf Balmer
Michael Braun
Eric Bonse
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