# taz.de -- Bauerndemo in Bremen: Bauer sucht Reichsbürgerin | |
> Auf einer Bremer Demo haben die Vereinigung „Land schafft Verbindung“, | |
> das Landvolk Niedersachsen und der Bauernverband wenig Berührungsängste | |
> mit Rechts. | |
Bild: Da hatten sich die Organisator:innen mehr erhofft: überschaubar viele Pr… | |
BREMEN taz | Sie stehen Seite an Seite – Landwirte, Reichsbürger und | |
Verschwörungsideologen. Am 9. Februar versammeln sie sich vor der Glasfront | |
der Bremer Bürgerschaft zu einer Mahnwache. Anlass für diesen weiteren | |
Aufmarsch der Landwirtschaft war der Besuch von Bundespräsident | |
Frank-Walter Steinmeier bei der [1][480. Schaffermahlzeit im prunkvollen | |
Bremer Rathaus]. Während drinnen das traditionelle „Schaffermahl“ | |
zelebriert wird, sollte draußen ein Trecker-Konvoi mit bis zu hundert | |
Traktoren über die Erdbeerbrücke zum Weser-Stadion ziehen und eine | |
Mahnwache vor der Bürgerschaft halten. Der Zeitpunkt ist ideal: die | |
Kamerateams fürs Schaffmahl stehen ohnehin bereit. | |
Doch die Protestaktionen verlaufen weniger spektakulär als erwartet. Nur | |
etwa drei Dutzend Traktoren und Firmenfahrzeuge reihen sich am | |
Weser-Stadion auf, ihre Botschaften auf den Schildern der Landwirte klingen | |
eindeutig zweideutig. Auf einem grünen Unimog prangt in großen Buchstaben | |
die Parole: „Man sollte sich vor nichts so fürchten, wie wenn Bauern an | |
einem Strang ziehen.“ Eine nachgebaute Ampel hängt von der Ladefläche | |
herunter, während am nächsten Trecker eine Ampel am Galgen baumelt. „Komm | |
mit uns am 9. Februar nach Bremen“, lautete der Aufruf des regionalen | |
Landvolks Mittelweser. Dem 1947 gegründeten Dachverband Landvolk | |
Niedersachsen-–Landesbauernverband gehören 74.000 Mitglieder an. | |
Ein Schild an einem Traktor aus Osterholz-Scharmbeck verkündet: „Ich fahre | |
auch für bezahlbare Lebensmittel.“ Selbst gemalte Schilder vor | |
Kindertreckern klagen: „Meine Zukunft habt ihr zerstört. Danke, Ampel.“ | |
Etwa 20 Personen haben sich versammelt, darunter ein halbes Dutzend Männer | |
in grünen Landvolk-Westen. Sie unterhalten sich ruhig mit Bremens | |
Bürgermeister Andreas Bovenschulte, der im Frack gekleidet, gemeinsam mit | |
der saarländischen SPD-Ministerpräsidentin Anke Rehlinger den Demonstranten | |
zuhört. | |
Putenmäster Christoph Klomburg aus Bassum und Christian Kluge vom Bremer | |
Bauernverband übergeben den Politikern ein Positionspapier. Darin geht es | |
um [2][den sogenannten niedersächsischen Weg, eine Vereinbarung zwischen | |
Landwirtschaft, Naturschutz und Politik]. Diese Linie könnte Vorbild für | |
die Bundespolitik sein, heißt es. Die versammelten Landwirte lächeln | |
zufrieden, während die Fernsehteams die friedliche Aktion aufzeichnen. | |
## Verschwörungsideologen unter den Protestierenden | |
Doch unter den Protestierenden von Landvolk und Bauernverband mischen sich | |
auch bekannte verschwörungsideologische Aufrührer von rechts. Auch sie | |
haben in Chatgruppen mobilisiert. Darunter ist Wolfgang Wiencierz, Autor | |
eines mehrteiligen Pamphlets namens „Der Aufstand für Frieden, Freiheit, | |
Selbstbestimmung durch Radikaldemokratie und Besitzrecht“. In Bremen | |
interviewt er Landvolk-Sprecher Klomberg und einen weiteren Landwirt aus | |
Nordwohlde. Gegen die Bauernproteste gäbe es „Verleumdungen der deutschen | |
Presse“, beklagt Wiencierz in „Der Aufstand“. | |
Mit dabei in Bremen ist auch „Reichsbürger-Jan“, ein aggressiver Aktivist, | |
der auf kaum einem Querdenken-Marsch der Region fehlt und dabei oft durchs | |
Megaphon brüllt. Laut dem Rechercheportal AfD Watch Bremen ruft er Sätze | |
wie: „Die BRD ist tot. Es lebe Schwarz-Weiß-Rot“. An der bäuerlichen | |
Protestaktion beteiligt sich auch Dennis L. aus der Bremer Vahr. L. war | |
Anmelder von Verschwörungs-Demos der Telegram-Gruppe „Gemeinsam stark | |
Bremen“, und auch politisch verkehrt er mit AfD-Politikern wie Heiner | |
Löhmann und Andreas Iloff. | |
In Telegramgruppen wie „Cuxhaven geht spazieren“ oder „Bremen steht auf“ | |
wurde auch der Besuch von „BRD-,Präsident’-Steinmeier“ in | |
Reichsbürger-Sprech verbreitet. Diese Szene lehnt die „BRD“ als angeblich | |
nicht souveränen Staat und damit auch die demokratisch gewählten | |
Repräsentanten ab. Zwei aus der Chatgruppe „Bremerhaven demonstriert“ | |
beteiligten sich ebenfalls an der Mahnwache am Freitag. Sebastian L. hatte | |
gepostet: „So, heute geht’s früh ins Bettchen, muss ausgeschlafen sein, | |
wenn wir morgen Bremen lahmlegen wollen.“ Daraus wurde nichts, doch wenige | |
Tage zuvor war der umtriebige Sebastian L. vor Ort, als aufgebrachte | |
Landwirte und Demonstranten stundenlang das Druckzentrum der | |
Nordsee-Zeitung in Bremerhaven blockierten und einen großen Haufen Mist | |
abluden, weil ihnen die Berichterstattung missfiel. | |
Auf die Frage der Reporterin, ob es die Landwirte nicht störe, mit | |
Verschwörungsideolog*innen und Reichsbürgern gemeinsam eine Mahnwache | |
abzuhalten, antwortete der Bauer aus Nordwohlde ausweichend: „Was heißt | |
denn überhaupt rechts?“ Auch Dirk Kleemeyer, Ansprechpartner der | |
„Landvolk“-Aktion am Weser-Stadion, tat sich schwer: „Da fragen Sie am | |
besten bei meinen Kollegen nach.“ Sowohl der „Bauernverband“ als auch das | |
„Landvolk“ distanzieren sich nicht von [3][der aggressiver auftretenden | |
Interessengemeinschaft „Land schafft Verbindung“ (LSV)]. Die LSV war unter | |
anderem an der Blockade von Habeck beteiligt und pflegt Kontakte zur | |
Querdenkerpartei. Angesprochen auf das Verhältnis zur LSV erklärte | |
Kleemeyer: „Wir versuchen zusammenzuarbeiten, manchmal klappt es sehr gut, | |
manchmal weniger.“ | |
## „Ich will das nicht gespalten sehen“ | |
Im Studio bei Radio Bremen sagte der Bremer Bauernpräsident Hilmer Garbade | |
am Abend nach der Mahnwache: „Die ganz große Mehrheit der Proteste ist | |
rechtskonform, da stehen wir als Bauernverband dafür.“ Auf die Frage, ob | |
sie noch einen Überblick hätten, wer bei den Bauernprotesten so mitmache, | |
sagte Garbade: „98 Prozent wissen wir, wer da mit ist.“ An der Belagerung | |
des Druckhauses seien aber nur „einzelne“ beteiligt gewesen. Der Landwirt | |
aus dem Blockland wies auf die verschiedenen Verbände hin. Seiner, der | |
„Bauernverband“, sei „in erster Linie für die Kommunikation mit der Poli… | |
da“. Der LSV dagegen wolle „mehr die Aufmerksamkeit erregen. Das ist ein | |
Miteinander. Ich will das nicht gespalten sehen“. | |
Die Wissenschaftlerin Janna Luisa Pieper von der Fakultät für | |
Agrarwissenschaft der Universität Göttingen warnt im NDR davor, nur von | |
einer politischen Vereinnahmung der Bauernproteste zu reden: „Man muss | |
darüber sprechen, dass es rechtsextreme Tendenzen auch in der | |
Landwirtschaft gibt.“ Zwar hätten sich der Bauernverband und das Landvolk | |
von rechtspopulistischen Aussagen und von Verschwörungsideolog*innen | |
abgegrenzt, so Pieper, es fehle aber eine klare Abgrenzung hin zu | |
rechtspopulistischen Vereinigungen innerhalb der Landwirtschaft: Dazu zählt | |
sie LSV und „Freie Bauern“. | |
12 Feb 2024 | |
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## AUTOREN | |
Andrea Röpke | |
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