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# taz.de -- Proteste der Landwirte: Wie schlimm trifft es die Bauern?
> Die Dieselkürzungen werden das Höfesterben kaum beschleunigen. Der
> durchschnittliche Betrieb verliert nur rund 1.700 Euro pro Jahr.
Bild: Weizenernte mit großen Landmaschinen, Uckermark, Juli 2022
Wenn der [1][Rabatt bei der Energiesteuer auf Agrardiesel] wegfällt, würde
der durchschnittliche Hof nicht pleitegehen. „Die Kürzungen sind finanziell
schon merkbar, aber für einen durchschnittlichen Betrieb nicht
existenzgefährdend“, sagt Sebastian Lakner, Professor für Agrarökonomie an
der Universität Rostock. „Die Kürzungen entsprechen nur etwa 5 Prozent der
Beihilfen und Zuschüsse, die die Betriebe ohnehin erhalten, und nur etwa 2
bis 3 Prozent der zuletzt erzielten Gewinne“, ergänzt Alfons Balmann,
Leiter des Leibniz-Instituts für Agrarentwicklung in
Transformationsökonomien.
Andere Wissenschaftler, wie Claus Deblitz vom bundeseigenen
[2][Thünen-Agrarforschungsinstitut], halten die Frage nach der
Existenzgefährdung zwar nicht für „pauschal“ beantwortbar, weil die Werte
je nach Hof „deutlich“ abweichen könnten. Aber auch er räumt ein, dass die
256.000 Agrarbetriebe in Deutschland bei insgesamt 440 Millionen Euro
Dieselrückvergütung im Durchschnitt nur rund 1.700 Euro verlieren würden –
pro Jahr und bei einem Umsatz in Höhe von ungefähr 300.000 Euro.
Haupterwerbsbetriebe nahmen laut Bauernverband 2022/23 sogar 480.000 Euro
ein und verbuchten 115.000 Euro Gewinn.
Kleinere Betriebe erhielten nicht nur absolut, sondern auch je Hektar
deutlich geringere Dieselbeihilfen, erläutert Balmann. Bei Klein- und
Nebenerwerbsbetrieben waren es laut Agrarministerium 2021/22 rund 900 Euro,
bei Haupterwerbsbetrieben 2.900 und bei den als juristischen Personen wie
GmbHs organisierten, in der Regel sehr großen Unternehmen in Ostdeutschland
26.600 Euro.
Am meisten bekommen also die Großen. „Ich sehe das nicht so, dass kleinere
Betriebe besonders unter der Agrardieselkürzung leiden“, sagte der Kieler
Agrarwissenschaftler Friedhelm Taube der taz. Auch weil die kleineren
Betriebe oft nur einen Teil des Familieneinkommens beisteuern. Viele
würden auch von zum Beispiel Ferienwohnungen oder dem Einkommen der
PartnerInnen in anderen Berufen leben.
## Biobetriebe nicht stärker betroffen
„Sollten jetzt infolge der Subventionskürzungen dennoch etwas vermehrt
kleinere Betriebe aufgeben, sind das wohl zumeist vorgezogene
Betriebsaufgaben, die ohnehin in den nächsten Jahren stattfinden würden“,
sagt Balmann. Das sieht auch Lakner so: „Sollte diese Kürzung für einzelne
Betriebe existenzgefährdend sein, dann lag diese Existenzgefährdung bereits
vor der Kürzung latent vor und deutet auf bereits vorliegende ökonomische
Schwierigkeiten hin.“
Dass Biobetriebe besonders stark betroffen sind, lässt sich aus dem
Agrarpolitischen Bericht der Bundesregierung, aus dem die meisten Zahlen
stammen, nicht ablesen. Im Gegenteil: Der durchschnittliche
Öko-Haupterwerbsbetrieb bekam 2021/22 demnach 24 Euro pro Hektar
landwirtschaftlicher Fläche Agrardieselvergütung, der konventionelle aber
32 Euro. Das liegt Taube zufolge zum Beispiel daran, dass Biobetriebe im
Schnitt weniger je Fläche ernten. „Ein Mähdrescher ist bei drei Tonnen
Weizen pro Hektar schneller durch als bei zehn Tonnen“.
Der Zoll erstattet Agrarbetrieben auf Antrag ungefähr die Hälfte der
Energiesteuer auf Diesel. Nach den Plänen der Ampelkoalition soll der
Rabatt 2024 um 40 Prozent und bis 2026 auf null reduziert werden. Das soll
wie andere Sparmaßnahmen dazu beitragen, das Haushaltsloch zu schließen,
das infolge des jüngsten Verfassungsgerichtsurteils zur Schuldenbremse
entstanden ist. Die Bundesagentur für Arbeit etwa muss 1,5 Milliarden Euro
an den Bund zurückzahlen, was Beitragssenkungen unwahrscheinlicher macht.
9 Jan 2024
## LINKS
[1] /Agrardiesel-wird-teurer/!5977654
[2] https://www.thuenen.de/de/
## AUTOREN
Jost Maurin
## TAGS
Landwirtschaft
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