# taz.de -- Sondervermögen für Klimaschutz: Über 5 Milliarden fürs Klima | |
> Alle Fraktionen wollen das Paket für mehr Klimaschutz und Transformation | |
> – außer der AfD. Klima-Initiativen fürchten derweil „Etikettenschwindel… | |
Bild: Ohne ein Sondervermögen für Klimaschutz versinkt Berlin vielleicht bald… | |
BERLIN taz | Eine 5 mit 9 Nullen: Um fünf Milliarden Euro für mehr | |
Klimaschutz geht es am Mittwoch im Hauptausschuss des Abgeordnetenhauses. | |
Der befasst sich in einer ersten Anhörung mit dem sogenannten | |
Errichtungsgesetz für das „Sondervermögens Klimaschutz, Resilienz und | |
Transformation“ des schwarz-roten Senats. Außer der AfD stehen alle | |
Fraktionen diesem Vorhaben positiv gegenüber – die CDU und SPD sowieso, | |
aber auch die Grünen und Linken, die seit einem halben Jahr auf den | |
Oppositionsbänken sitzen. | |
Auch [1][viele Klima-Initiativen] finden es grundsätzlich gut, dass das | |
Land viel Geld für den Ausstieg aus dem fossilen Zeitalter in die Hand | |
nehmen will – aber sie melden schwere Bedenken beim Einsatz der Mittel an. | |
Das drückten sie mit einer Protestaktion am Dienstagmorgen vor dem Roten | |
Rathaus aus. Gleichzeitig veröffentlichten sie einen offenen Brief an den | |
Regierenden [2][Bürgermeister Kai Wegner], Finanzsenator Stefan Evers sowie | |
Klimaschutz-Senatorin Manja Schreiner (alle CDU). | |
„Wir begrüßen diese Maßnahme sehr“, heißt es darin zum Sondervermögen, | |
„jedoch fehlen bei der Ausarbeitung des zugrundeliegenden Gesetzes bisher | |
Transparenz, wissenschaftliche Expertise sowie eine angemessene Beteiligung | |
der Berliner*innen“. Bei der Zusammensetzung des Lenkungsausschusses, der | |
die Mittel vergibt – und bei den Kriterien, nach denen er das tut –, „seh… | |
wir dringenden Handlungsbedarf“. | |
## Initiativen fürchten „Etikettenschwindel“ | |
Unterzeichnet ist das Schreiben von der Initiative Klimaneustart Berlin, | |
dem Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND), [3][Fridays For Future], Berlin | |
autofrei, GermanZero, Fossil Free Berlin, 100 % Tempelhofer Feld und vielen | |
anderen Gruppen, aber auch von bekannten Einzelpersonen wie der | |
Mobilitätsaktivistin Katja Diehl. Sie fordern den Senat auf, | |
sicherzustellen, dass das Sondervermögen kein „Etikettenschwindel“ werde: | |
„Wo Klima drauf steht, muss auch Klima drin sein.“ | |
Laut Errichtungsgesetz sei das Sondervermögen für Investitionen in | |
fossilfreie Wärmeerzeugung und Mobilität, Maßnahmen zur Erhöhung der | |
Energieeffizienz von Gebäuden, aber auch zur Anpassung an den Klimawandel | |
gedacht. „So weit, so sinnvoll“, meinen die Unterzeichnenden. Weder aber | |
dürften bereits erörterte Ideen wie die [4][Sanierung von Polizeiwachen] | |
aus dem Klimatopf weiterverfolgt werden, noch sei es in Ordnung, Posten aus | |
dem regulären Haushalt auszulagern, als „Sammelbecken unliebsamer | |
Regierungs-Hausaufgaben“. | |
Berlin Klimaneutral und Co. kritisieren, dass der im Gesetzentwurf | |
verankerte Lenkungsausschuss aus den Reihen der Senatsverwaltungen besetzt | |
werden soll. Somit sei unklar, „woher die nötige Expertise kommen soll, um | |
ein belastbares und nachhaltiges Bewertungsverfahren zu definieren“. | |
Das beginne schon bei der Frage, nach welcher Methode der CO2-Einspareffekt | |
einer Maßnahme berechnet werde. „Völlig unklar“ sei, warum der | |
Lenkungsausschuss nicht vom Berliner Klimaschutzrat beraten werden solle. | |
Dieses 18-köpfige ExpertInnengremium wurde schließlich vom Senat selbst | |
einberufen – freilich zu Beginn der Legislatur, als die Farben noch | |
Rot-Grün-Rot lauteten. | |
## Zweifel an Rechtmäßigkeit | |
„Wir stehen jetzt vor diesem großen Koffer mit Geld der eine große Wirkung | |
erzeugen könnte, gleichzeitig sehen wir Zeichen eines politischen | |
Rollbacks“, begründete BUND-Klimaschutzreferent Matthias Krümmel in einem | |
Hintergrundgespräch, warum es dringend notwendig sei, die Zivilgesellschaft | |
einzubeziehen. | |
Reiner Wild, früherer [5][Vorsitzender des Berliner Mietervereins] und | |
Mitglied des Klimaschutzrats, nannte als Beispiel einer Regulierungslücke | |
im Gesetzentwurf die Sozialverträglichkeit der finanzierten Maßnahmen: Im | |
Gebäudebereich entstünden heute die meisten CO2-Emissionen – wenn künftig | |
also Geld in die Hand genommen werde, um privaten Investoren die | |
Finanzierung einer energetischen Sanierung zu erleichtern, sei es enorm | |
wichtig, dass Letztere nicht zu Lasten der MieterInnen ginge. | |
Kräftigen Gegenwind bekommt der Senat am Mittwoch wohl auch von anderer | |
Seite: Eingeladen zur Anhörung ist Karin Klingen, die Präsidentin des | |
Berliner Rechnungshofs. Sie hat schon per schriftlicher Stellungnahme | |
klargemacht, dass ihre Behörde starke Zweifel an der Rechtmäßigkeit des | |
Sondervermögens hat. | |
Zwar teile der Rechnungshof „grundsätzlich“ die Einschätzung des Senats, | |
dass es Handlungsbedarf gebe, um die Klimakrise abzuwenden und die seit dem | |
Ukrainekrieg verschärfte Situation beim Zugang zu fossilen Energien | |
auszugleichen, so Klingen. Mit diesen beiden Faktoren begründet die | |
Landesregierung die Notlage, die ein Sondervermögen und damit die Umgehung | |
der geltenden Schuldenbremse rechtfertigt. Allerdings sehe man die | |
milliardenschwere Kreditermächtigung „mit Sorge“, so die | |
Rechnungshof-Chefin. | |
## Rechnungshof zweifelt an Begründung | |
„Dadurch würde sich die im Vergleich der Bundesländer bereits | |
überdurchschnittlich hohe Verschuldung des Landes um mehr als 7 Prozent | |
erhöhen“ und der Berliner Haushalt werde „noch anfälliger für | |
Zinserhöhungen“, heißt es in der Stellungnahme. Selbst wenn das Zinsniveau | |
völlig stabil bliebe, müsste das Land – im Falle der möglichen Ausweitung | |
der Kredite auf 10 Milliarden Euro – bis zum Ende der Tilgungszeit rund 18 | |
Milliarden Euro berappen. Das aber belaste die zukünftigen Generationen. | |
Der Rechnungshof habe zudem Zweifel an der Begründung des Sondervermögens: | |
„Weder der Klimawandel noch die Reduzierung der energiepolitischen | |
Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen stellen eine außergewöhnliche | |
Notsituation im Sinne der Schuldenbremse dar.“ Dafür sei beides schon zu | |
lange absehbar gewesen. Auch eine Schwächung des parlamentarischen | |
Budgetrechts erkennt und moniert der Rechnungshof – denn über die | |
Verteilung der Mittel entscheidet nicht das Plenum des Abgeordnetenhauses, | |
sondern nur der Hauptausschuss. | |
Etwas mehr Klarheit über die rechtliche Lage bringt am Mittwoch in acht | |
Tagen wohl eine andere Entscheidung: Dann beurteilt das | |
Bundesverfassungsgericht die Zulässigkeit des Sondervermögens „Klima und | |
Transformationsfonds“ der Bundesregierung. Das, so Karin Klingen, könne in | |
Sachen Berliner Sondervermögen „weitere Hinweise geben“. | |
Als Vorgeschmack auf die Verhandlungen am Mittwoch begrüßten die Berliner | |
Grünen zwar die Pläne des Senats. Die Fraktionsvorsitzenden Bettina Jarasch | |
und Werner Graf forderten jedoch einen Verwendungsschwerpunkt des | |
Sondervermögens auf die Sektoren „die derzeit die meisten CO2 Emissionen | |
verursachen und wo der Investitionsbedarf am größten“ sei. Dies seien die | |
Bereiche Wärme- und Mobilitätswende. Des weiteren forderten die Grünen, den | |
Lenkungsausschuss durch ein unabhängiges Expert*innengremium aus | |
Wissenschaft, Verbänden und zivilgesellschaftlichen Initiativen zu | |
ersetzen. | |
7 Nov 2023 | |
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## AUTOREN | |
Claudius Prößer | |
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