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# taz.de -- Pilotprojekt an der Admiralbrücke: Von Moosen und Menschen
> Ein „City-Tree“ mit integriertem „Lärmomat“ sollte in Kreuzberg für
> weniger Lärm und gute Luft sorgen. Die Ergebnisse sind auch noch etwas
> luftig.
Bild: Viel Moos dahinter: Der „City-Tree“ an der Admiralbrücke
Berlin taz | Denksportaufgabe: Wenn 80 Bäume auf 7 Quadratmeter passen, wie
viele EinwohnerInnen braucht dann ein Berliner Innenstadtbezirk, um die von
ihnen gereinigte Luft wegzuatmen? Nein, Sie müssen nicht rechnen, das war
nur zur Verwirrung gedacht. Ein bisschen verwirrt war der Autor ja auch
beim Pressetermin mit der Bürgermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg,
Clara Herrmann, am Montag an der Admiralbrücke.
Dort stand 90 Tage lang eine Box mit gerippter, hölzerner Oberfläche, zwei
Bildschirmen und einer Sitzbank drumherum. [1][„City-Tree“ heißt das Ding],
genauer: City-Tree-Lärmomat. Denn das Stadtmöbel – [2][das nach seinem
Piloteinsatz am Dienstag abgebaut wird] – sollte zweierlei: die stickige
Sommerluft reinigen und für einen nachbarschaftsverträglichen Geräuschpegel
an dem gerade bei TouristInnen beliebten Ort sorgen.
Letzteres durch einen Sensor, der, wenn ein Grenzwert länger als zehn
Minuten überschritten wurde, ein rotes LED-Band aufleuchten ließ. Ob die
freundlich warnende Botschaft angekommen ist? „Da haben wir noch
Fragezeichen“, erklärte Clara Herrmann und schraubte die Erwartungen der
Anwesenden herunter: Zwar habe man mit dem Gerät Lärmdaten gesammelt, die
müssten aber noch ausgewertet werden. Vor allem aber müsse sich zeigen, ob
diesen Sommer tatsächlich weniger Beschwerden beim Ordnungsamt eingingen.
Spannender schien da die zweite (und eigentliche) Funktion des
Baum-Substituts zu sein, die City-Tree-Geschäftsführer Peter Sänger
erläuterte. Hier kommt die Ratio von 1:80 ins Spiel: Indem das Gerät
muffig-warme Großstadtluft ansaugt und sie durch im Innern verborgene, mit
feuchtem Moos bewachsene Paneele wieder ausstößt, soll es in Sachen Kühlung
einen kleinen Baumhain ersetzen können.
## 10.000 Euro Miete
Außerdem habe die Box in drei Monaten ganze 76 Gramm Feinstaub
eingesammelt, teilte Sänger mit. Klingt wenig, ist aber angesichts der
Nanogröße der fiesen Partikel doch eine ganze Menge. Gekostet hat die Miete
des City-Trees den Bezirk für die dreimonatige Pilotphase übrigens rund
10.000 Euro.
Unklar bleibt, was es bedeutet, dass laut Bezirksamt „in der Projektzeit
die Luft für 584.537 Menschen“ gereinigt worden sei – was „der doppelten
Einwohner*innenzahl von Friedrichshain-Kreuzberg“ entspreche. Hätten
die sich alle auf das Bänkchen um den City-Tree quetschen müssen, um etwas
davon abzubekommen?
Wie sich herausstellte, ist nämlich die Kühlungswirkung (bis zu 4 Grad
Celsius) auch nur auf 100 Quadratmetern im direkten Umkreis der Box
spürbar. Und bei den rechnerisch 80 Bäumen handelt es sich laut Sänger um
Jungbäumchen, nicht etwa ausgewachsene Linden oder Eichen.
Wie [3][bei vielen Pilotprojekten mit innovativem Urban Tech] wird es jetzt
erst mal wieder recht still darum werden. Aber vielleicht, ganz vielleicht,
atmen Sie ja eines Sommers am Landwehrkanal besonders kühle, frische Luft –
dann drehen Sie sich mal um: Vielleicht sitzen Sie auf einem Techno-Baum.
6 Nov 2023
## LINKS
[1] https://greencitysolutions.de/produkte/city-tree/
[2] /Berliner-Pilotprojekt-gegen-Radau/!5954545
[3] /Laermblitzer-am-Kurfuerstendamm/!5934707
## AUTOREN
Claudius Prößer
## TAGS
Luftqualität
Innovation
Friedrichshain-Kreuzberg
Klimaschutzziele
Lärmschutz
Friedrichshain-Kreuzberg
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