# taz.de -- Schwarz-rotes Schuldenprogramm: Klima-Sondervermögen vor dem Aus | |
> Für Klimaschutzinvestitionen wollten CDU und SPD Kredite in | |
> Milliardenhöhe aufnehmen. Ein vom Senat beauftragtes Gutachten beerdigt | |
> vorerst die Pläne. | |
Bild: Katastrophe mit Ansage: Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey (SPD) und S… | |
BERLIN taz | Die im vergangenen Jahr während der Koalitionsgespräche von | |
CDU und SPD aus dem Hut gezauberte Idee eines „Sondervermögens Klimaschutz“ | |
ist so gut wie tot. Das ist nach taz-Informationen die ernüchternde | |
Erkenntnis, die sich aus einem [1][vom Senat im Dezember in Auftrag | |
gegebenen] und intern seit Donnerstag vorliegenden Rechtsgutachten ziehen | |
lässt. | |
Kredite in Höhe von fünf, in einem weiteren Schritt bis zehn Milliarden | |
Euro wollte Schwarz-Rot aufnehmen, um „einen neuen Schub“ in den Bereich | |
Klimaschutz zu bringen, wie im März 2023 der bald darauf zum Regierenden | |
Bürgermeister gewählte CDU-Landeschef Kai Wegner vollmundig versprach. Elf | |
Monate später ist klar: Mit dem neuen Schub mittels Schulden dürfte es erst | |
mal nichts werden. Jedenfalls nicht über die angedachte Form. | |
Einem Bericht der Berliner Morgenpost zufolge kommen die | |
Gutachter:innen der beauftragten Anwaltskanzlei zu dem Schluss, dass | |
„die bisher bevorzugte Konstruktion“ im Entwurf zum sogenannten | |
Errichtungsgesetz für das Sondervermögen „nicht zulässig“ sei. [2][Genau | |
das also, was Expert:innen vorab befürchtet hatten.] | |
Der CDU-Abgeordnete Danny Freymark, der vor einem Jahr noch vor Kai Wegner | |
[3][offensiv für ein milliardenschweres Klima-Schuldenprogramm geworben | |
hatte], macht keinen Hehl daraus, dass er überrascht, vor allem aber auch | |
enttäuscht ist. „Das ist eine sehr schlechte Nachricht für alle, die sich | |
für Klimaschutz in dieser Stadt stark machen“, sagt der umweltpolitische | |
Sprecher der CDU-Fraktion zur taz. | |
## Klimakrise als Daueraufgabe | |
Nicht ganz so groß ist die Überraschung bei Linda Vierecke, der Umwelt- und | |
Klimaschutzexpertin der SPD-Fraktion. Das negative Urteil des Gutachtens | |
sei natürlich „eine Katastrophe“, sagt Vierecke zur taz. Aber eben auch | |
eine Katastrophe mit Ansage: „Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts | |
vom November 2023 haben wir das bereits fast erwartet.“ | |
Die Richter:innen in Karlsruhe hatten mit Blick auf ein Sondervermögen | |
des Bundes das generelle Prinzip vorgegeben, dass staatlicherseits | |
geliehenes Geld nicht über Jahre auf Reserve zurückgehalten werden darf. | |
Vielmehr müssten die benötigten Summen Jahr für Jahr neu begründet und | |
verplant werden. Die festgelegten Mittel sind folglich nur für das | |
ausgeschriebene Haushaltsjahr gültig. Ein Prinzip, das laut Senatsgutachten | |
das Berliner Sondervermögen verletzt. Klagen sind damit Tür und Tor | |
geöffnet. | |
Fachleute verweisen dabei seit längerem darauf, dass die | |
verfassungsrechtliche Fessel der sogenannten Jährigkeit beim auf viele | |
Jahre angelegten Kampf gegen die Klimakrise praktisch kaum zu lösen ist. Ob | |
umfassende energetische Gebäudesanierung, Wärme- oder Verkehrswende: Das | |
alles sind Daueraufgaben. Für einzelne Klimaschutzprojekte gibt es zudem | |
faktisch keine Investitionssicherheit mehr. | |
## Massive Kritik an der Schuldenbremse | |
Für Steffen Zillich, den Haushaltsexperten der Linksfraktion, zeigt das | |
voraussichtliche Scheitern des Berliner Sondervermögens dann auch vor allem | |
eines: „Dieses ganze Desaster jetzt hätte es nicht gebraucht, wenn wir die | |
Abschaffung der für Bund und Länder geltenden Schuldenbremse bereits | |
durchgesetzt hätten.“ Hier sollte der Senat endlich „initiativ tätig | |
werden“. Die Unterstützung der Linken hätte er, so Zillich zur taz. | |
Auch Grünen-Fraktionschef Werner Graf verweist darauf, „dass die | |
Schuldenbremse eine echte Zukunftsbremse ist, die die nötigen Investitionen | |
in die sozial-ökologischen Transformation der Gesellschaft verhindert“. | |
Berlin müsse sich im Bundesrat und darüber hinaus endlich für eine | |
einsetzen. Nicht zuletzt Senatschef Kai Wegner sei dabei in der Pflicht, | |
über eine Änderung der Schuldenregeln „in die Diskussion mit der Bundes-CDU | |
zu gehen, statt weiter nur in Interviews darüber zu sprechen“. | |
Zur Erinnerung: Es war die Bundes-CDU mit Friedrich Merz an der Spitze, | |
[4][die das Urteil des Bundesverfassungsgerichts herbeigeführt hat]. Und es | |
ist die Bundes-CDU, die sich Debatten über eine Lockerung, gar Abschaffung | |
der Schuldenbremse konsequent verweigert. | |
Ausbaden müssen das Berliner Parteikollegen wie Danny Freymark – und die | |
Frage nach der Senatssondergeldpleite ist: Was nun? Freymark sagt, die | |
geplanten Klimaschutzprojekte seien unverzichtbar und müssten daher | |
zwingend über andere Wege finanziert werden. Dass das eine alles andere als | |
leichte Aufgabe ist, sei ihm bewusst. „Der reguläre Haushalt ist | |
schließlich bereits verabschiedet, und wenn die Konjunktur nicht | |
überraschenderweise abhebt, werden wir ohnehin Milliarden einsparen | |
müssen.“ | |
## Landesunternehmen als Rettungsanker | |
Eine alternative Finanzierungsmöglichkeit könnte tatsächlich darin | |
bestehen, dass Berlin die einzelnen Klimaschutzprojekte über | |
Landesunternehmen realisieren lässt, die dafür – unter Umgehung der | |
Schuldenbremse – entsprechende Kredite aufnehmen. Die SPD-Abgeordnete Linda | |
Vierecke hält das angesichts der Hiobsbotschaft des Gutachtens für | |
sinnvoll. Grüne und Linke gehen da mit. | |
Am kommenden Mittwoch soll sich der für Haushaltsfragen zuständige | |
Hauptausschuss des Abgeordnetenhauses mit dem Gutachten und den Folgen | |
daraus beschäftigen. | |
Die Zeit drängt, jetzt umso mehr, sagt Linda Vierecke. Es müssten | |
„schnellstmöglich“ Wege gefunden werden, wie die milliardenschweren | |
Klimaschutzprojekte doch noch finanziert werden können: „Diese | |
Landesregierung hat sich vorgenommen, den Weg zur Klimaneutralität zu | |
beschreiten. Dahinter können und dürfen wir nicht zurückfallen.“ Die Grün… | |
befürchten freilich, dass exakt das passieren könnte und „auch der | |
Klimaschutz bei Schwarz-Rot auf der Strecke bleibt“. | |
23 Feb 2024 | |
## LINKS | |
[1] /Haushaltsbeschluss-im-Abgeordnetenhaus/!5976307 | |
[2] /Sondervermoegen-Klimaschutz/!5988709 | |
[3] /Koalitionsverhandlungen-in-Berlin/!5918940 | |
[4] /Karlsruher-Urteil-zu-Klimafonds/!5969800 | |
## AUTOREN | |
Rainer Rutz | |
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