| # taz.de -- Lösungssuche im Abgeordnetenhaus: Wer kann das jetzt gerade rücke… | |
| > Im Hauptausschuss hat Finanzsenator Stefan Evers (CDU) noch keine Idee, | |
| > wie das geplante Klima-Sondervermögen noch vor dem Absturz zu retten ist. | |
| Bild: Milliardenschwere Investitionen in den Klimaschutz stehen auf der Kippe | |
| Berlin taz | Nichts Genaues weiß man nicht. Im großen Saal des | |
| Abgeordnetenhauses sind am Mittwochmittag zwar weit eloquentere Sätze zum | |
| weiteren Umgang mit den versprochenen Milliardeninvestitionen zu hören, | |
| sowohl vom Finanzsenator als auch von Parlamentariern. Aber im Kern stehen | |
| auch sie nur für die ungelöste Frage: Womit soll das Land Berlin mehr | |
| Klimaschutz bezahlen, wenn das geplante Sondervermögen dafür genauso wenig | |
| zulässig ist wie das Sondervermögen auf Bundesebene? Zu diesem Ergebnis war | |
| ein in seit Ende vergangener Woche kursierendes Gutachten einer | |
| renommierten Anwaltskanzlei gekommen. | |
| Die Idee war [1][während der Koalitionsverhandlungen zwischen CDU und SPD] | |
| im Frühjahr 2023 entstanden: mit einem Geldtopf von fünf, möglicherweise | |
| zehn Milliarden Euro auf Berliner Ebene gegen den Klimawandel angehen. | |
| Finanziert werden sollte das durch ein Sondervermögen – ähnlich wie jener | |
| Topf auf Bundesebene, aus dem die Ampelkoalition ursprünglich als | |
| Coronakredite bewilligte Gelder nachträglich für den Klimaschutz und die | |
| Modernisierung der Wirtschaft bezahlen wollte. Das Bundesverfassungsgericht | |
| urteilte jedoch Mitte November: Das verstößt gegen die Verfassung. | |
| Im Haus von Finanzsenator Stefan Evers (CDU) hatte man darauf [2][zunächst | |
| ganz entspannt reagiert]: „Das Urteil kann nicht auf die Regelungen im Land | |
| Berlin übertragen werden“, hieß es von einer Sprecherin. Es gebe | |
| grundlegende Unterschiede. Unter anderem hatte Evers Anfang November in | |
| einer Ausschussanhörung das geplante Berliner Sondervermögen nicht allein | |
| mit der Klimakrise begründet, [3][sondern dazu auch auf den Ukrainekrieg | |
| und den Konflikt im Nahen Osten verwiesen]. | |
| Vernahm man Evers zwei Wochen später im Abgeordnetenhaus, so klang es eher | |
| nach einer Formalie, als er dort ankündigte, das Ganze noch einmal extern | |
| begutachten lassen zu wollen. Das übernahm die Kanzlei Redeker. Das | |
| Gutachten, [4][das dem Hauptausschuss des Parlaments nun vorlag], hat unter | |
| anderem Rechtsanwalt Ulrich Karpenstein unterzeichnet, der auch für die | |
| Bundesregierung am Bundesverfassungsgericht und am Europäischen Gerichtshof | |
| tätig ist. Er [5][vertrat auch das Land Berlin im Herbst 2022], als das | |
| Landesverfassungsgericht über die Wahlpannen urteilte und schließlich eine | |
| Wiederholungswahl anordnete. | |
| ## Suchen nach einem Ausweg | |
| Das Ergebnis der Begutachtung ist sinngemäß: Das vom Senat geplante | |
| Sondervermögen ist nicht grundsätzlich unzulässig, aber nicht mit dem | |
| Haushaltsprinzip der Jährlichkeit zu vereinbaren, die das | |
| Bundesverfassungsgericht betont hat. Was bedeutet: Legt man ein | |
| Sondervermögen nun für ein Jahr an, wäre das okay. Doch der Grundgedanke | |
| eines solchen Topfes war ja gerade, daran nicht gebunden zu sein und | |
| längerfristig planen zu können. | |
| Dafür, dass er das Urteil des Bundesverfassungsgerichts anfangs ganz anders | |
| auslegte, wirkt Finanzsenator Evers am Mittwoch nicht übermäßig | |
| zerknirscht. Die Abgeordneten wollen wissen, wie es nun weitergeht. Das | |
| kann ihnen Evers jedoch nicht sagen: „Das ist eine Diskussion, bei der wir | |
| erst am Anfang stehen“, sagt er. Das Gutachten müsse nun in Ruhe | |
| ausgewertet werden, erst dann könne man andere Wege ausloten. Ein Treffen | |
| mit den Gutachtern in zwei Wochen soll dabei weiterhelfen. | |
| Was nicht ganz zu diesem Erst-in-Ruhe-auswerten passt: Fünfeinhalb Stunden | |
| vorher war am frühen Morgen Evers' Senatskollegin Franziska Giffey (SPD) im | |
| Inforadio des RBB mit eigenen Ideen dazu vorgeprescht: Die | |
| Wirtschaftssenatorin sprach dort von einem „Transformationspaket“, das die | |
| notwendigen Investitionen auf verschiedenen Wegen ermögliche. | |
| „Wahrscheinlich wird es nicht die eine Lösung geben“, so Giffey weiter. | |
| Eine Möglichkeit wären Darlehen und Kredite, die Landesunternehmen – nicht | |
| von der Schuldenbremse erfasst – auf zulässige Weise aufnehmen können. Und | |
| schlägt einen weiteren Nachtragshaushalt vor. | |
| Während es im Hauptausschuss bei Abgeordneten von Grünen und Linkspartei | |
| durchaus auf Zustimmung stößt, dass der Senat sich Gedanken dazu macht, | |
| tritt für die SPD-Fraktion ihr Chefhaushälter Torsten Schneider auf die | |
| Bremse: Er finde es „ein wenig ambitioniert“, das jetzt schon anzukündigen | |
| – und offenbar auch übergriffig von Seiten der Landesregierung: „Beste | |
| Grüße an die Fantasien im Senat – dieses Geschäft wird das Parlament | |
| vornehmen.“ | |
| ## Noch ein Nachtragshaushalt? | |
| Der Nachtragshaushalt, den Giffey ins Gespräch bringt, wäre schon der | |
| zweite, nachdem das Abgeordnetenhaus den Haushalt für 2024 und 2025 erst | |
| kurz vor Weihnachten beschlossen hat. Denn erst vergangene Woche | |
| debattierte das Parlament erstmals den Entwurf eines Nachtrags, der Kredite | |
| für den Kauf des Fernwärmenetzes ermöglichen soll. | |
| Was die Gesamtlage verschärft: All diese Überlegungen bewegen sich parallel | |
| zum milliardenschweren Einspardruck im aktuellen Haushalt und weiteren | |
| drängenden Kürzungen. Das hatte Evers [6][schon als Gast der Klausurtagung | |
| der SPD-Fraktion] vor einem Monat in Leipzig vorgerechnet. | |
| Von Grünen-Haushaltspolitiker André Schulze oder seinem Oppositionskollegen | |
| Steffen Zillich von der Linksfraktion ist am Mittwoch weder Häme noch Spott | |
| zu hören, sondern allein die Hoffnung auf Lösungen. Im Ausschuss wirkt es | |
| so, als suche eine Vierparteienkoalition jenseits der AfD nach einem | |
| Ausweg. Schulze, der Diplom-Mathematiker ist, bezweifelt allerdings, dass | |
| sich Gelder in einst geplanter Höhe lockermachen lassen. Seine Formulierung | |
| über das, was möglich sein könnte: ein „Sondervermögen light“. | |
| 28 Feb 2024 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.berlin.de/rbmskzl/politik/senat/koalitionsvertrag/ | |
| [2] /Bundesverfassungsgerichtsurteil/!5969741 | |
| [3] /Berliner-Abgeordnetenhaus/!5968532 | |
| [4] https://www.parlament-berlin.de/adosservice/19/Haupt/vorgang/h19-1313.A-v.p… | |
| [5] /Wahl-auf-Landes--und-Bezirksebene/!5880320 | |
| [6] /SPD-Fraktionsklausur-in-Leipzig/!5988227 | |
| ## AUTOREN | |
| Stefan Alberti | |
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