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# taz.de -- Haushaltmisere in der Hauptstadt: Berlins Hiob und seine Botschaften
> Für die Landesfinanzen mit ihrem Milliardenloch wird es durch den Zensus
> noch schlimmer. Damit klarkommen muss erst mal Finanzsenator Evers (CDU).
Bild: Finanzsenator Evers (CDU) muss mit einer schlechten Nachricht nach der an…
Berlin taz | Er erinnert glattrasiert nicht unbedingt an diesen
verzweifelten ausgemergelten Mann mit langem Bart, wie ihn seit
Jahrhunderten zahllose Gemälde zeigen Aber Stefan Evers, der Finanzsenator
von der CDU, dürfte vielleicht trotzdem eine gewisse Verbundenheit zur
[1][biblischen Figur des Hiob] spüren. Denn die nach dem benannten äußerst
schlechten Botschaften prasseln gerade eine nach der anderen auch auf Evers
ein. Erst scheiterte das geplante milliardenschwere Sondervermögen, dann
ließ die Steuerschätzung die künftigen Einnahmen einbrechen – und nun wird
es drittens auch noch Hunderte Millionen Euro weniger Geld von anderen
Bundesländern geben: Deren Zahlungen richten sich nach der Einwohnerzahl,
und der neue Zensus hat ergeben, dass Berlin fast 130.000 Menschen kleiner
ist als gedacht.
Evers wird die Geschichte von Hiob nicht bloß kennen, weil er seinen
Amtseid mit dem Zusatz „so wahr mir Gott helfe“ geleistet hat. Der hatte
sich nichts Erkennbares zuschulden kommen lassen und lebte ein schönes
Leben als wohlhabender Mann mit zehn Kindern. Bis ihn eben vier Botschaften
erreichen – aller Besitz weg und vor allem: Kinder tot, weggerafft durch
Krieg und Naturkatastrophen. Hiob selbst wird elend krank.
So weit ist es in der Berliner Haushaltsmisere noch nicht gekommen. Aber
welche Folgen es hat, wenn zu dem [2][von Evers schon vor Monaten
aufgezeigten Milliarden-Loch] immer wieder neue mehrere hundert Millionen
Euro große Lücken wie nun beim Zensus kommen, ist am Mittwoch gut im
Hauptausschuss des Abgeordnetenhauses zu beobachten. Evers und
Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey (SPD) sollen dort erklären, wie es
mit der Absicht steht, dem schwedischen Energiekonzern Vattenfall nach dem
Fernwärmenetz auch dessen Anteile am Gasversorger Gasag abzukaufen. Das
hatte Anfang 2023, damals unter Giffeys Führung, [3][bereits der
rot-grün-rote Vorgängersenat angestrebt].
Dazu muss sich schwarz-rote Senat in den nächsten Wochen durchaus Gedanken
machen. Denn Ende September läuft eine erste Frist ab, bis zu der Berlin
erklären muss, ob es die Absicht hat, eine Kaufoption zu nutzen. Eine
endgültige Festlegung ist das laut Giffey nicht sein – die Option soll bis
Juni 2025 gelten. „Wir haben Grenzen“, sagt die Senatorin zu Berlins
Verhandlungsspielraum, „und die liegen natürlich in der aktuellen
Haushaltslage.“
## In der Bibel wird es am Ende wieder gut
Steffen Zillich von der Linksfraktion befürchtet eine Art Koppelgeschäft:
Einstieg bei der Gasag und dafür im Gegenzug Privatunternehmen am
[4][gerade erst zu 100 Prozent von Vattenfall erworbenen Fernwärmenetz]
beteiligen. Er drängt auf Klärung – aber weder Evers noch Giffey wollen
sich festlegen oder etwas ausschließen. Beide verweisen auf vertrauliche
Gespräche. Giffey verspricht immerhin: „Wir werden nichts
Unverantwortliches tun, was nicht im Sinne des Landes ist.“
Zum Vergleich mit den tatsächlichen Hiobsbotschaften ist unterdessen noch
eines nachzutragen: In der Bibel trafen vier schlechte Nachrichten ein – in
Berlin bei Evers sind es mit Sondervermögen, Steuerschätzung und Zensus
erst drei. Wobei für den Finanzsenator das Ende der Geschichte
hoffnungsvoll sein könnte: Weil Hiob trotz allem nicht verzweifelt und
durchhält, steht er um einiges später wieder mit zehn Kindern und doppelt
so großem Besitz da. Was die Bibel allerdings noch nicht kannte: dass dem
Senat so viel Zeit nicht bleibt, weil in gut zwei Jahren in Berlin schon
wieder Wahlen und die Hiobsbotschaften bis dahin irgendwie zu verarbeiten
sind.
26 Jun 2024
## LINKS
[1] https://www.die-bibel.de/bibel/LU17/JOB.1
[2] /SPD-Fraktionsklausur-in-Leipzig/!5988227
[3] /Rueckzug-von-Energiekonzern-Vattenfall/!5906413
[4] /Einkauf-von-Fernwaerme/!5977939
## AUTOREN
Stefan Alberti
## TAGS
Bibel
Stefan Evers
Haushalt
Schwarz-rote Koalition in Berlin
Abgeordnetenhaus
Zensus
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Steuerschätzung
Stefan Evers
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