# taz.de -- Rückzug von Energiekonzern Vattenfall: Berlins private Wärmewende | |
> Der Senat will bei der Gasag einsteigen und das Fernwärmenetz in | |
> Landeshand holen – allerdings mit privaten Partnern. Die Konkurrenz ist | |
> dabei groß. | |
Bild: Das Fernwärmenetz versorgt rund zwei Drittel aller zwei Millionen Hausha… | |
BERLIN taz | Nach dem [1][Rückkauf der Wasserbetriebe 2013] und der | |
Übernahme des Stromnetzes 2021 steuert Berlin auf einen weiteren Kauf von | |
in private Hände geratener Infrastruktur zu. „Wir wollen die Fernwärme | |
wieder zurück nach Hause holen“, kündigte Regierungschefin Franziska Giffey | |
(SPD) nach der Senatssitzung am Dienstag an. Anders als beim Wasser und | |
beim Stromnetz würde Berlin nicht alleiniger Eigentümer, sondern | |
Mitgesellschafter von zwei privaten Unternehmen. Ziel soll aber sein, dass | |
Berlin das Sagen hat. Der bisherige Eigentümer, der schwedische Konzern | |
Vattenfall, hatte 2022 angekündigt, sich von dem Fernwärmenetz trennen zu | |
wollen. | |
Mit Fernwärme heizen nach Senatsangaben aktuell 1,3 Millionen Haushalte und | |
damit rund zwei Drittel aller Berliner Haushalte. Dort einzusteigen ist für | |
Giffey „ein riesiger Hebel“, um für Versorgungssicherheit zu sorgen und die | |
Klimaziele zu erreichen. Bis 2045 [2][will das Land klimaneutral sein]. | |
Der Weg zur Fernwärme ist komplizierter als bei den Wasserbetrieben, wo das | |
Land als Mehrheitsgesellschafter die anderen Anteile kaufte. Er soll über | |
den Einstieg bei der mal landeseigenen, seit 1998 aber komplett privaten | |
Gasag führen. Das geht, weil Vattenfall daran zu knapp einem Drittel | |
beteiligt und verkaufswillig ist. Nach Senatsangaben ist die Bewerbung um | |
die Fernwärme mit den beiden weiteren Gasag-Eignern verabredet, den | |
Konzernen Eon und Engie. Am Freitag habe es eine „unverbindliche | |
Interessenbekundung“ bei Vattenfall gegeben. | |
Wie viel das Land Berlin dafür genau ausgeben müsste, blieb am Dienstag | |
offen. Wirtschaftssenator Stephan Schwarz (parteilos) erwartet einen harten | |
Wettbewerb – „wir gehen von einer mittleren zweistelligen Zahl von | |
Unternehmen aus, die sich um das Netz bemühen“. Finanzsenator Daniel | |
Wesener (Grüne) zeigte dabei die Grenzen auf: Das Haushaltsrecht gibt | |
demnach vor, dass das Land „nur bei nachgewiesener Wirtschaftlichkeit“ | |
kaufen dürfe. | |
Regierungschefin Giffey sieht in der rot-grün-roten Koalition durchweg | |
Bereitschaft für den Kauf und auch für den Einstieg in eine gemischte, | |
privat-öffentliche Besitzstruktur: „Wir sind uns einig, dass wir nicht | |
anderen privaten Bietern aus Australien das Feld überlassen wollen.“ Denn | |
die angestrebte Wende bei der Energieversorgung funktioniere nicht ohne das | |
Fernwärmenetz, das sich zu zwei Drittel aus fossilen Quellen speist. | |
Die Linksfraktion bestätigte, offen für private Partner zu sein. Allerdings | |
dürfe es für die keine Nebenabsprachen und Gewinnzusicherungen geben. | |
[3][Solch eine Konstruktion] führte bei den Wasserbetrieben vor dem | |
Rückkauf 2013 zu höheren Preisen. | |
Intern hofft der Senat offenbar darauf, dass es sich Vattenfall nicht | |
leisten kann, sein angestrebtes Klima-Image durch einen Verkauf an einen | |
mehr zahlenden, aber an Klimaschutz weniger interessierten Bieter zu | |
ramponieren. | |
17 Jan 2023 | |
## LINKS | |
[1] https://www.berlin.de/sen/finanzen/vermoegen/nachrichten/artikel.30112.php | |
[2] https://www.berlin.de/sen/uvk/klimaschutz/klimaschutzpolitik-in-berlin/ziel… | |
[3] /Berlin-kauft-Wasserbetriebe-zurueck/!5088764 | |
## AUTOREN | |
Stefan Alberti | |
## TAGS | |
Fernwärme | |
Vattenfall | |
Franziska Giffey | |
Fernwärme | |
Fernwärme | |
Schwerpunkt Klimawandel | |
Energiewende | |
Wochenkommentar | |
Schweden | |
Erdgas | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Kommunalisierung der Energieversorgung: Nachschlag beim Etat | |
Der Kauf des Fernwärmenetzes kostet 1,6 Milliarden Euro. Dafür soll das | |
Abgeordnetenhaus jetzt mit einem Nachtragshaushalt Kredite ermöglichen. | |
Berlin kauft Fernwärmenetz: Wo kommt die Kohle her? | |
Schwarz-Rot will ein rot-grün-rotes Projekt fortsetzen und dafür Milliarden | |
ausgeben. Dabei klafft im neuen Haushaushalt schon ein 4-Milliarden-Loch. | |
Konzerne und ihre Klimaversprechen: Intransparent und wenig plausibel | |
Die Klimaziele der Unternehmen reichen bei weitem nicht, um die | |
Erderhitzung zu begrenzen, so eine Studie. Zudem rechnen einige ihre | |
Reduktionen schön. | |
Förderung von grüner Fernwärme: Der „Booster“ blockiert | |
Eine neue Förderung des Bundes soll „grüne“ Wärmenetze voranbringen. Doch | |
die verantwortliche Behörde kommt bei den Anträgen nicht hinterher. | |
Energiepolitik in Berlin: Private sind nicht immer böse | |
Der Senat will das Fernwärmenetz kaufen. Die geplante Zusammenarbeit mit | |
privaten Energieversorgern ist nicht mit früheren Desastern vergleichbar. | |
Schwedens Kehrtwende bei Atomenergie: Nichts als Augenwischerei | |
Die Ankündigung von Schwedens Regierung, neue AKWs zu bauen, muss man nicht | |
ernst nehmen. Aktuell findet sich niemand, der ein Interesse daran hätte. | |
Wirtschaftssenator über Energiewende: „Die Krise dauert ein, zwei Jahre“ | |
Wenn die Firmen ihre Abhängigkeit von fossilen Energien beendet haben, geht | |
es wieder aufwärts, sagt Berlins Wirtschaftssenator Schwarz (parteilos). | |
Gasag streicht Angebote: Gas strömt noch, wird aber teurer | |
Wegen dramatisch steigender Einkaufspreise streicht die Gasag günstige | |
Angebote für NeukundInnen. Für die Grundversorgung gelten andere | |
Bedingungen. |