| # taz.de -- Energiepolitik in Berlin: Private sind nicht immer böse | |
| > Der Senat will das Fernwärmenetz kaufen. Die geplante Zusammenarbeit mit | |
| > privaten Energieversorgern ist nicht mit früheren Desastern vergleichbar. | |
| Bild: Der Senat will bei der einst landeseigenen Gasag einsteigen und mit ihr d… | |
| Das Land Berlin soll zusammen mit Großkonzernen Eigentümer eines | |
| Energieversorgungsbetriebs werden? Als Regierungschefin Franziska Giffey | |
| und weitere Mitglieder des rot-grün-roten Senats [1][am Dienstag | |
| ankündigten], in den Gasversorger Gasag einsteigen und mit den dortigen | |
| privaten Teilhabern das Fernwärmenetz übernehmen zu wollen, dürften bei | |
| einigen die Alarmglocken geschrillt haben. | |
| Zusammenarbeit mit Privaten in der Daseinsvorsorge? Hatte man sich davon | |
| nicht nach langem Kampf und durchaus nicht billig verabschiedet, als das | |
| Land 2013 [2][die einst teilprivatisierten Wasserbetriebe] wieder komplett | |
| in seine Hände bekam? Eine solche erste Reaktion wäre nach dieser | |
| Vorgeschichte durchaus berechtigt. Bei genauerem Hingucken ist die jetzige | |
| Situation aber ein völlig andere. | |
| Denn in den 1990er-Jahren hatte das Land notgedrungen Anteile verkauft, | |
| Private dazu geholt und denen auch noch, weil in der schlechteren | |
| Verhandlungsposition, feste Gewinne zugesichert. Nun aber verhält es sich | |
| anders herum. | |
| Denn jetzt ist es das Land Berlin, das in zwei Unternehmen einsteigen will, | |
| die derzeit komplett privat sind. Das ist zum einen der Gasversorger Gasag, | |
| an dem das Land seit 25 Jahren nicht mehr beteiligt ist. Zum anderen geht | |
| es um das Berliner Fernwärmenetz, derzeit betrieben von einer deutschen | |
| Tochterfirma des schwedischen Staatskonzern Vattenfall, der es nun genauso | |
| abgeben will wie seine Anteile an der Gasag. In der Vattenfall-Firma war | |
| ebenfalls vor über 20 Jahren die [3][Bewag] aufgegangen, die lange | |
| größtenteils dem Land Berlin gehört hatte. | |
| Wenn in diesem Fall das Land Berlin Mitgesellschafter von Privatfirmen | |
| wird, so fällt das nicht in die Kategorie einer PPP, einer public private | |
| partnership, die in den vergangenen Jahren nicht mehr angesagt war. Die | |
| Idee einer PPP ist eher ein gemeinsames Projekt, bei dem ein privates | |
| Unternehmen beispielsweise ein Gebäude baut, das vom Staat genutzt wird. | |
| ## Gegenbeispiel Charité | |
| Solch ein Modell war nach langer Pause jüngst erstmals wieder prominent zu | |
| vernehmen: [4][Bei der SPD-Fraktionsklausur] am 14. und 15. Januar warb | |
| eine Charité-Klinikdirektorin als Gast dafür, auf diesem Weg schneller zu | |
| einer neuen Kinderklinik zu kommen. Klare Unterstützung erhielt sie dafür | |
| von Regierungschefin Giffey, die zugleich SPD-Landeschefin ist. | |
| Statt selbst und deshalb wegen besonderer Vorgaben in doppelt so langer | |
| Zeit für 300 bis 400 Millionen Euro zu bauen, soll der Staat nach nur fünf | |
| Jahren Bauzeit die Klinik als Mieter für neun Millionen Euro jährlich | |
| nutzen. Dagegen regte sich im öffentlichen Teil der Klausur der | |
| SPD-Abgeordneten kein Widerspruch. | |
| Beim Einstieg in die [5][Gasag] hingegen, die dann das Fernwärmenetz | |
| übernehmen soll, geht es um geteiltes Eigentum. Laut Giffey strebt das Land | |
| dabei eine Mehrheitsbeteiligung an. Dafür müssten die bisherigen | |
| Mitgesellschafter von Vattenfall, die Energiekonzerne Eon und Engie, | |
| allerdings dazu bereit sein, ihre Anteile zu verringern. Denn derzeit ist | |
| Eon mit knapp 37 Prozent Mehrheitsgesellschafter, während Engie und | |
| Vattenfall je rund 31,5 Prozent der Anteile besitzen. | |
| Die Linksfraktion im Abgeordnetenhaus, sonst gelegentlich nicht ohne | |
| ideologische Anwandlungen, reagierte am Dienstag nüchtern abwägend auf die | |
| Ankündigung aus dem Senat und begrüßte den geplanten Einstieg im Kern. Zwar | |
| wäre der Linkspartei eine eigenständige Bewerbung Berlins um das | |
| Fernwärmenetz lieber. Doch will sie auch mitgehen, wenn es zumindest | |
| gelingt, dem Land Berlin die gesellschaftsrechtliche Mehrheit und die | |
| unternehmerische Führung zu sichern. Das soll auch für den Einstieg bei der | |
| Gasag gelten. | |
| Eine weitere Bedingung: Das Land soll sich nicht erneut auf Nebenabsprachen | |
| mit privaten Partnern einlassen, die wie früher bei den Wasserbetrieben | |
| eine Gewinnzusicherung beinhalten. Um sich gegen solche Absprachen zu | |
| wehren, muss man allerdings nicht Mitglied der Linkspartei sein – die | |
| damaligen Nachteile solcher Konstrukte waren so gravierend, dass sich weder | |
| ein Linker noch ein Marktliberaler erneut darauf einlassen sollte. | |
| 21 Jan 2023 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Rueckzug-von-Energiekonzern-Vattenfall/!5906413 | |
| [2] /Rueckkauf-der-Wasserbetriebe/!5088600 | |
| [3] https://de.wikipedia.org/wiki/Bewag_(Berlin)#Geschichte | |
| [4] /Berliner-Abgeordnetenhauswahl-2023/!5906103 | |
| [5] https://de.wikipedia.org/wiki/GASAG#Anteilseigner | |
| ## AUTOREN | |
| Stefan Alberti | |
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