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# taz.de -- Berlin kauft Fernwärmenetz: Wo kommt die Kohle her?
> Schwarz-Rot will ein rot-grün-rotes Projekt fortsetzen und dafür
> Milliarden ausgeben. Dabei klafft im neuen Haushaushalt schon ein
> 4-Milliarden-Loch.
Bild: Das wird nicht reichen, um das Fernwärmenetz von Vattenfall zu kaufen un…
Manche Dinge machen einfach sprachlos. Vergangene Woche erst hat das
Abgeordnetenhaus einen Doppelhaushalt für 2024 und 2025 mit so vielen
Fragezeichen wie noch nie beschlossen. [1][Vier Milliarden Euro sind darin
irgendwie noch einzusparen] – „irgendwie“, weil sich der Haushaltsentwurf
drum herum drückte, klar festzulegen, was und wo.
Nur eine Woche später treten dann aber die führenden Gestalten desselben
schwarz-roten Senats vor die Presse und bejubeln sich dafür, dem
schwedischen Energiekonzern Vattenfall das Fernwärmenetz abzukaufen – für
rund 1,6 Milliarden Euro samt milliardenschweren folgenden
Investitionsbedarfs. Die offizielle Entscheidung darüber soll im Frühjahr
das Abgeordnetenhaus treffen.
Passt irgendwie nicht zusammen, oder? Das nötige Geld soll sich 2024 via
Nachtragshaushalt und Kreditaufnahme beschaffen lassen. Kredite? Was ist
mit der Schuldenbremse, die solche Kredite verbietet? Und die jedenfalls
gilt, bis sie reformiert ist, worauf nicht nur SPD und Grüne, [2][sondern
auch Berlins Regierungschef Kai Wegner (CDU) drängt].
Mit einer Ausnahmeregelung soll es möglich sein, die Bremse zu umgehen. Die
heißt in diesem Fall „finanzielle Transaktion“: Weil der Ausgabe ein
Vermögenswert gegenüber steht – das Fernwärmnetz, das größte Westeuropas,
kommt ja in Landeshand – soll das mit Krediten möglich sein.
## Zugriff aufs Klima-Sondervermögen fraglich
Doch mit dem Kauf allein ist es ja nicht getan. Auch wenn es bei
Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey (SPD) am Dienstag schier so klang,
als rette und befreie man zuvor Geraubtes, Entführtes – „Wir holen die
Wärme nach Hause“: Mit dem bisherigen Netzbetreiber Vattenfall waren die
Fernwärmekunden nicht schlecht bedient. Künftige Versorgungssicherheit und
Unabhängigkeit zu betonen, klingt schräg: Vattenfall ist immerhin kein
russischer oder chinesischer Konzern, sondern im EU-Kernland Schweden zu
Hause.
Jenseits von ideologischen Grundüberzeugung – Daseinsvorsorge in Landeshand
– macht so ein Kauf nur Sinn, weil das Land Berlin damit direkten Zugriff
auf einen Umbau Richtung angestrebter Klimaneutralität bis spätestens 2045
hat. Dieser Umbau aber kostet nach mehrfach gehörter Einschätzung
Milliarden – Milliarden, die Berlin gar nicht hat. Ob die aus einem
künftigen, noch längst nicht sicheren Klima-Sondervermögen kommen können,
ist ebenso wenig sicher.
Der Rechnungshof zumindest hat im November klar gemacht, dass ein solches
Vermögen aus seiner Sicht nicht dazu dienen darf, längst geplante und auf
den Weg gebrachte Projekte zu finanzieren. Und den nun angestrebten Kauf
hatte der damals rot-grün-rote Senat [3][schon Ende Januar dieses Jahres
als möglich angekündigt], damals noch unter Führung der jetzigen
Wirtschaftssenatorin Giffey.
Der Wirtschaftsspitzenverband UVB hat darum durchaus Recht, wenn er
feststellt: „Berlin lädt sich mit der Übernahme des Wärmenetzes ein enormes
finanzielles Risiko auf.“ Die Frage ist bloß: Gäbe es eine Alternative?
## Mindestens suboptimaler Ankündigungszeitpunkt
Übernähme nicht das Land das Netz, täte es vielleicht ein
Privatunternehmen, das überhaupt nicht an einem ökologischen Umbau
interessiert ist. Darum war der Senat natürlich unter Handlungsdruck,
Vattenfalls Bereitschaft an einem Verkauf zu nutzen. Es ist bloß so, dass
die Sache, höflich ausgedrückt, nicht den Eindruck macht, auf
allersichersten Füßen zu stehen.
Auch vom Zeitpunkt her ist die Übernahme-Ankündigung mindestens suboptimal:
Jedweder Sozialeinrichtung in der Stadt wird es schwer zu vermitteln sein,
wenn bei ihr künftig unverzichtbare zehn- oder hunderttausende Euros
gestrichen werden, der Senat sich aber zugleich für eine milliardenschwere
Investition feiert.
Wer nun meint, so eine Sichtweise vergleiche Äpfel mit Birnen, der kann am
besten genau solche in einen Jugendclub oder die Seniorenbegegnungsstätte
um die Ecke bringen. Die dürften sich dort über beides freuen, weil sie sie
selbst künftig vielleicht nicht mehr bezahlen können.
23 Dec 2023
## LINKS
[1] /Haushaltsbeschluss-im-Abgeordnetenhaus/!5976307
[2] /Fehlende-60-Milliarden-im-Bundeshaushalt/!5976949
[3] /Rueckzug-von-Energiekonzern-Vattenfall/!5906413
## AUTOREN
Stefan Alberti
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