# taz.de -- Haushaltsbeschluss im Abgeordnetenhaus: An der Abbruchkante | |
> Kahlschlag? Spendier-Etat mit Wahlgeschenken trotz Milliardenlochs? | |
> Selten wurde ein Haushalt so kontrovers diskutiert wie der Etat für 2024 | |
> und 2025. | |
Bild: Beim Haushaltsplan für 2024 und 2025 geht die schwarz-rote Koalition an … | |
BERLIN taz | Der Haushaltsentwurf, der diesen Donnerstag im | |
Abgeordnetenhaus Gesetz werden soll, lag noch gar nicht vor, als die taz | |
[1][„Angst vor dem Schwarz-Rot-Stift“] konstatieren musste: Freie Träger | |
und Hochschulen ängstigten sich im Sommer vor den erwarteten Finanzplänen | |
von CDU und SPD. Was der Senat als Entwurf kurz danach tatsächlich | |
beschloss, lief eher unter „Mehr Geld für alle“. Bald war sogar von | |
überzogenen Ausgaben und zu wenig Sparwille die Rede – bis nun noch einmal | |
Protest in den Bezirken aufbrandete, man werde kaputt gespart (siehe Text | |
unten). Selten, vielleicht noch nie, wurde ein Landeshaushalt bis zum | |
Schluss so kontrovers diskutiert wie der jährlich rund 40 Milliarden | |
schwere Entwurf, den das Parlament nun für 2024/25 beschließt. | |
Auf [2][fast 3.900 Seiten ist in 29 Einzelplänen] aufgeschrieben, wie | |
dieses Geld auszugeben ist. Umgelegt auf die 159 Mitglieder des | |
Abgeordnetenhauses, das den Entwurf seit dem Spätsommer diskutiert hat, | |
sind das rein rechnerisch knapp 25 Seiten für jeden und jede. Tatsächlich | |
aber hing das, was als „Königsrecht des Parlaments“ gilt, vorrangig an den | |
31 Mitgliedern des Hauptausschusses. Die mussten durchgehen, was hunderte | |
Mitarbeiter der Senatsverwaltungen zusammentrugen und was der Finanzsenator | |
im Entwurf bündelte. Wobei das seine Grenzen hat: „Wir können natürlich im | |
Haushalt nicht jeden Titel diskutieren und beraten“, sagte der | |
CDU-Abgeordnete und langjährige Haushaltskenner Christian Goiny jüngst im | |
taz-Interview. | |
Was aber durchaus möglich war: Schwerpunkte setzen – und Wahlversprechen | |
einlösen. Bei der SPD war das vor allem die Besonderheit des auf Berlin | |
beschränkten 29-Euro-Tickets parallel zum bundesweit gültigen | |
49-Euro-Ticket. Das hatte die SPD im Wahlkampf versprochen, [3][im Frühjahr | |
gleich am ersten Koalitionsverhandlungstag der CDU abgerungen] und nun auch | |
im Haushalt durchgesetzt. Über 300 Millionen soll das pro Jahr kosten. | |
Grüne und Linkspartei hatten günstigere Varianten vorgerechnet, die | |
Industrie- und Handelskammer sieht in einem Verzicht auf das Ticket eine | |
einfache Sparmöglichkeit. | |
Denn ohne Sparen – da ist man sich im Parlament weitgehend einig – wird es | |
künftig nicht gehen. Die Linksfraktion prägte für die aktuelle Situation | |
Berlins den Begriff der „Abbruchkante“: Das Land leistet sich einen | |
Haushalt in Rekordhöhe, doch nach und mit diesem Doppelhaushalt ist kein | |
klarer Finanzpfad mehr erkennbar. Finanzsenator Stefan Evers (CDU) konnte | |
es sich [4][bei der ersten Haushaltsberatung im Parlament] nur deshalb | |
leisten, seinen Entwurf als „Kraftpaket“ zu bezeichnen, weil er ihn | |
mithilfe sämtlicher Rücklagen finanziert hat. | |
## Die Rücklagen sind erschöpft | |
Die sind nun erschöpft, Berlin ist künftig allein auf Steuereinnahmen und | |
die Finanzhilfen anderer Bundesländer angewiesen. Parallel dazu steht das | |
große Projekt des schwarz-roten Senats in Frage, ein 5 Milliarden Euro | |
schweres Klima-Sondervermögen einzurichten. Auf Bundesebene hat das | |
Bundesverfassungsgericht ein solches Projekt gekippt, weil dafür frühere | |
Kredite einfach umetikettiert werden sollten. Evers hatte gleich danach | |
mitteilen lassen, das Urteil betreffe Berlin nicht – nun soll aber doch | |
erst ein Gutachten die Rechtslage klären. | |
Und während auf Bundesebene CDU/CSU-Fraktionschef Friedrich Merz eisern die | |
Schuldenbremse verteidigt, ruft sein Berliner Parteifreund Kai Wegner | |
zumindest nach einer Reform. Ihre jetzige Ausgestaltung hält der Regierende | |
Bürgermeister sogar für gefährlich, Kredite für Investitionen für dringend | |
nötig. Dafür gab es noch am Samstag beim Grünen-Landesparteitag Lob von | |
deren Bundeschefin Ricarda Lang. | |
In dieser Gemengelage verläuft die Konfliktlinie nicht nur zwischen | |
Regierung und Opposition, sondern auch zwischen Senat und Bezirken. Das | |
wiederum fußt auf einer der vielen Besonderheiten Berlins als Stadtstaat. | |
Denn Pankow etwa wäre zwar einwohnermäßig die sechszehntgrößte Stadt | |
Deutschlands. Rein rechtlich aber ist der Bezirk weit weniger eigenständig | |
als etwa die 20.000-Einwohner-Gemeinde Luckenwalde, Rudi Dutschkes | |
Jugendstadt südlich von Berlin. | |
Bezirke haben keine eigenen Steuereinnahmen, bekommen das Geld für ihre | |
Aufgaben vom Land zugewiesen und haben darum rein rechtlich auch keine | |
Parlamente, auch wenn der sperrige Begriff der | |
„Bezirksverordnetenversammlung“ gern darauf verkürzt wird. Der Streit | |
darüber, wie viel Geld die Bezirke für ihre Aufgaben wirklich brauchen, | |
währt seit Jahrzehnten – und im Zweifel hat der Senat das letzte Wort. | |
## Vorgabe für Einsparungen | |
Mit den Etatberatungen der jüngsten Monate kursierte prominent auch ein | |
früher nur Experten bekanntes Kürzel: die PMAs, die Pauschalen | |
Minderausgaben – eine Vorgabe an eine Senatsverwaltung oder einen Bezirk, | |
soundso viel Euro einzusparen, ohne zu sagen wo. Das betrifft nicht bloß | |
ein paar Millionen, sondern in den nächsten beiden Jahren rund vier | |
Milliarden Euro – also jeden 20. Euro im Haushalt. | |
So kontrovers die Debatte war, so kontrovers geht sie in die | |
Parlamentsabstimmung: Während Berlins Sozialverbände am Mittwoch wegen der | |
PMAs erneut tiefe Einschnitte befürchteten, mochten die führenden Köpfe der | |
Koalitionsfraktionen von einem sozialen Kahlschlag nichts wissen. | |
13 Dec 2023 | |
## LINKS | |
[1] /Berliner-Haushalt/!5943227 | |
[2] https://www.parlament-berlin.de/ados/19/IIIPlen/vorgang/d19-1100%20Band%201… | |
[3] /Schwarz-Rote-Verhandlungen-in-Berlin/!5917505 | |
[4] /Parlamentsdebatte-II/!5955642 | |
## AUTOREN | |
Stefan Alberti | |
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