Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Berliner Doppelhaushalt: Auf der Kürzungsliste
> 3,8 Milliarden sollen in den nächsten Haushaltsjahren eingespart werden.
> Wohlfahrtsverbände fürchten, dass Sozialprojekte die ersten Opfer sind.
Bild: Gerade soziale Projekte wie die Obdachlosenhilfe könnten in den nächste…
Berlin taz | Schaut man nur auf die Zahlen im Haushaltsentwurf, scheint der
lang befürchtete soziale Kahlschlag in Berlin erst einmal abgewendet. Ganze
[1][536 Millionen Euro mehr] plant der Senat im Vergleich zum Vorjahr für
die Senatsverwaltung für Arbeit, Soziales, Gleichstellung, Integration,
Vielfalt und Antidiskriminierung ein.
„Wir begrüßen, dass unsere Stimmen gehört und die geplanten drastischen
Kürzungen in fast allen sozialen Bereichen zurückgenommen wurden“, sagt
Andrea Asch, Diakonie-Vorständin und Federführerin der Liga der
Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege. Doch Sorgen bereitet den
Wohlfahrtsverbänden ein anderer Posten im Haushaltsplan: Die sogenannten
Pauschalen Minderausgaben von 3,8 Milliarden Euro.
Hinter dem etwas sperrigen Begriff verbergen sich Einsparungen, die der
Senat und die Bezirke 2024 und 2025 noch erzielen müssen, ohne genauer zu
definieren in welchem Bereich. Die Angst, die im Sozialbereich umgeht, ist,
dass den Einsparungen zuallererst Sozialprojekte zum Opfer fallen.
„Berlins soziale Infrastruktur ist strukturell prekär finanziert“, erklärt
Asch. Viele Projekte werden nur für ein Jahr bewilligt, Mitarbeiterverträge
begrenzt. Asch befürchtet, dass der Senat gerade im Zuwendungsbereich die
nötigen Einsparungen vornehmen wird. Die Unsicherheit, ob Projekte in den
kommenden Jahren weiterfinanziert werden oder nicht, mache gerade vielen
Trägern und Beschäftigten zu schaffen. Die Unsicherheit verschärft den auch
bei den Trägern herrschenden Personalmangel noch weiter.
## Kürzung trotz Aufstockung
Weiterer Druck entsteht durch [2][die Unterfinanzierung der Bezirke], die
ebenfalls kräftig sparen müssen. Bislang konnten die Bezirke die Vorgaben
erfüllen, indem sie Gelder für zwischenzeitlich unbesetzte Personalstellen
als Einsparungen deklarierten – damit soll nun auf Weisung des Senats
Schluss sein. Als Einsparpotenzial blieben dann nur noch die frei
verfügbaren Mittel der Bezirke, aus denen viele Sozialprojekte finanziert
werden: Jugendklubs, Kieztreffs, Obdachlosen- und Drogenhilfe. „Es gibt die
große Befürchtung, dass massiv an die soziale Infrastruktur herangegangen
wird“, sagt Sozialpolitikerin Katina Schubert (Linke).
[3][Die Bezirke stünden nun vor der schmerzlichen Aufgabe zu entscheiden],
welche Projekte sie weiterfinanzieren wollten und welche nicht, erklärt
Friedrichshain-Kreuzbergs Sozialstadtrat Oliver Nöll (Linke). Im Gespräch
sei, eine Begegnungsstätte für Senioren zu schließen. Die Folgen dieser
Haushaltspolitik gingen weit über die Dauer des Doppelhaushalts hinaus,
warnt Nöll. Angemietete Immobilien würden langfristig verloren, ein
Publikum wie das eines Seniorentreffs brauche Jahre, um sich zu etablieren.
„Wenn wir jetzt soziale Infrastruktur abbauen, werden wir sehr lange
brauchen, um wieder auf den Stand von heute zu kommen.“
Bei einigen Projekten ist es bereits zu Kürzungen gekommen. Der
Kirchenkreis Neukölln etwa beklagte vergangene Woche die Streichung von
Fördermitteln für das Senatsprojekt „Berliner Familienzentren“.
„Es gibt Projekte, die einfach gestrichen worden sind“, kritisiert Taylan
Kurt, sozialpolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion. Dabei bedeute die
Beibehaltung der Fördersummen für viele Träger aufgrund der enormen
Kostensteigerung des letzten Jahres „schon jetzt eine faktische Kürzung“.
In den kommenden Jahren würden sich die Probleme Obdachlosigkeit und Armut
in Berlin noch weiter verschärfen, so Kurt, trotzdem fänden sich diese
Entwicklungen nicht im Haushalt wieder.
14 Dec 2023
## LINKS
[1] /Haushaltsbeschluss-im-Abgeordnetenhaus/!5976307
[2] /Berliner-Doppelhaushalt/!5976306
[3] /Haushaltsplan-fuer-Berlin/!5974025
## AUTOREN
Jonas Wahmkow
## TAGS
Haushalt
Schwarz-rote Koalition in Berlin
Sozialpolitik
Kürzungen
Schwerpunkt Obdachlosigkeit in Berlin
Abgeordnetenhaus
Berliner Bezirke
Neukölln
## ARTIKEL ZUM THEMA
Kürzungen bei Sozialprojekten: Eine neue Runde im Kürzungspoker
Die Bezirke verhandeln mit dem Senat über die Erfüllung der Sparvorgaben.
Die Finanzierung sozialer Infrastruktur steht auf der Kippe.
Obdachlosigkeit: Leere kleine Häuser
taz-Serie „Was macht eigentlich …“: In Friedrichshain-Kreuzberg stehen
mehrere Wohnboxen für obdachlose Menschen. Aber das Projekt liegt auf Eis.
Haushaltsbeschluss im Abgeordnetenhaus: An der Abbruchkante
Kahlschlag? Spendier-Etat mit Wahlgeschenken trotz Milliardenlochs? Selten
wurde ein Haushalt so kontrovers diskutiert wie der Etat für 2024 und 2025.
Berliner Doppelhaushalt: „Das ist eine Kriegserklärung“
Berlins Bezirke laufen noch einmal Sturm gegen die Neuregelungen zu den
Einsparvorgaben im Haushalt. Die schwarz-rote Koalition ficht das nicht an.
Haushaltsplan für Berlin: Rechentricks mit Jugendsozialarbeit
Neukölln wollte Straßensozialarbeit aus Geldern gegen Jugendgewalt
finanzieren. Das Parlament wies dies zurück – nun muss der Bezirk woanders
kürzen.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.