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# taz.de -- Berliner Abgeordnetenhaus: Fragen ins Leere
> Vor dem Haushaltsbeschluss bleibt die schwarz-rote Koalition Antworten
> schuldig. Etwa, wie sich ohne sozialen Kahlschlag 4 Milliarden sparen
> lassen.
Bild: Grünen-Fraktionschefin drängte die schwarz-rote Koalition zu erhellende…
Berlin taz | Im Boxen wäre das, was sich am Donnerstag im Abgeordnetenhaus
ereignet, ein klarer Punktsieg: Die Gegner stehen zwar noch, hatten aber
keine Chance. Genauer: Alle Redner von CDU und SPD lassen sich quasi
freiwillig von Grünen-Fraktionschefin Bettina Jarasch verbal verprügeln. In
der Schlussdebatte über den Landeshaushalt für 2024 und 2025 stellt sie
alle drängenden Fragen, die Koalition dagegen flüchtet sich rhetorisch ins
Ungewisse.
Es geht an diesem Vormittag um rund 80 Milliarden – die Zahl mit den neun
Nullen –, mit denen sich alle Dinge bezahlen lassen sollen, für die Land
und Bezirke zuständig sind: von den Gehältern für Zehntausende Lehrer und
Polizisten über den Zuschuss für die BVG bis hin zu Bleistift und Papier im
Sozialamt. Mitte Juli hat der erst sechs Wochen zuvor ins Amt gekommene
schwarz-rote Senat [1][den über 3.900 Seiten starken Entwurf] dafür
beschlossen. Über drei Monate hat das Abgeordnetenhaus darüber diskutiert,
am Donnerstagabend sollte er beschlossen sein.
Worin sich Regierung und Opposition einig sind: Es sind schwierige Zeiten
mit unklaren äußeren Bedingungen und umstrittenem Rechtsrahmen für
Sondervermögen und Schuldenbremse. Damit endet die Übereinstimmung aber
auch. Die Opposition und vor allem die Fraktionschefin der Grünen, Bettina
Jarasch, hält der schwarz-roten Koalition vor, falsche Schwerpunkte zu
setzen, Reserven zu verbraten und den sozialen Frieden zu gefährden.
Jarasch spricht von einem [2][„Ankündigungshaushalt, der allen alles
verspricht“], der aber „schon jetzt Makulatur ist und auf keinen Fall durch
die nächsten Jahre tragen wird“.
Jarasch hakt da nach, wo der Entwurf am angreifbarsten ist: bei den
sogenannten Pauschalen Minderausgaben. Die gibt es zwar in jedem Haushalt,
doch dieses Mal sind sie fünfmal so hoch. Sie geben Senatsverwaltungen und
Bezirken vor, in jedem der beiden je 40 Milliarden schweren Jahreshaushalte
knapp zwei Milliarden einzusparen. „Das klingt vielleicht nicht nach viel,
meinen jetzt vielleicht manche“, springt Linksfraktionschef Carsten Schatz
der Grünen zur Seite. Viele dieser 40 Milliarden aber sind festgezurrt,
etwa für Gehälter. Sparen lässt sich oft nur bei Jugend-, Beratungs- und
Kultureinrichtungen. Freie Träger haben schon vor einem sozialen
Kahlschlag gewarnt.
## Nur ein Schatten früherer Rededuelle
Mehr als ein Versprechen, man wolle „keinen Haushalt, der die Stadt in Arm
und Reich spaltet“, setzt SPD-Fraktionschef Raed Saleh dem nicht entgegen.
Er und später auch Regierungschef Kai Wegner (CDU) sprechen teils so, als
hielten sie ein Grußwort und keine Rede in einem Parlament, dessen
Grundidee es ist, miteinander und nicht nebeneinander her zu reden. Nur
eine halbe Stunde zuvor hatten die Abgeordneten noch des verstorbenen
Grünen-Politikers Wolfgang Wieland gedacht, der sich früher legendäre
Rededuelle mit führenden CDUlern lieferte.
Auch Wegner bleibt vorrangig allgemein. „Je größer die Verunsicherung ist,
desto wichtiger sind Orientierung, Verlässlichkeit und Stabilität“, sagt er
etwa, „genau dafür steht diese Koalition“. Seine Rede erinnert an seine
[3][Regierungserklärung von Ende Mai] – auch sie lässt offen, wie künftige
Landeshaushalte aussehen sollen, nachdem nun alle Reserven aufgebraucht
sind.
Für Jarasch stellt sich das Problem der Landesfinanzen in den nächsten
beiden Jahren so dar: „Das ist, als würde der Senat zu einer Wandertour
über 12 Tage einladen und dafür nur Proviant für 10 Tage einpacken. Auf der
Strecke bleiben die Schwächsten.“
14 Dec 2023
## LINKS
[1] https://www.parlament-berlin.de/ados/19/IIIPlen/vorgang/d19-1100%20Band%201…
[2] /Berliner-Doppelhaushalt-2024-und-2025/!5974654
[3] /Regierungserklaerung-im-Abgeordnetenhaus/!5933568
## AUTOREN
Stefan Alberti
## TAGS
Schwarz-rote Koalition in Berlin
Bettina Jarasch
Kai Wegner
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Stefan Evers
Haushaltsgesetz
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Haushalt
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