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# taz.de -- Berliner Doppelhaushalt: „Anders als die Bundesebene“
> Der CDU-Finanzpolitiker Christian Goiny über Gestaltungsmöglichkeiten
> durch Haushaltspolitik und Sondervermögen für Investitionen trotz
> Schuldenbremse.
Bild: „Wenn das Parlament an einer Stelle mehr gibt, muss es an einer anderen…
taz: Herr Goiny, hatten Sie je schwierigere Haushaltsberatungen mit weniger
Einnahmen und umstrittenen Sondervermögen?
Christian Goiny: Früher als Oppositionspolitiker habe ich schon schwierige
Momente erlebt, vor allem als es um den Verkauf von landeseigenen
Wohnungsgesellschaften ging, was wir von der CDU abgelehnt haben. Aber als
Regierungspolitiker ist das für mich tatsächlich eine neue Erfahrung: Als
wir von 2012 bis 2016 mit regierten, war Berlin ja finanziell in einer ganz
anderen Situation …
…weil es hohe Steuereinnahmen gab und Sie viel Geld ausgeben konnten.
Aber wir haben auch mehrere 100 Millionen Euro Schulden pro Jahr jährlich
getilgt.
Als das Bundesverfassungsgericht das Sondervermögen auf Bundesebene kippte,
dachten Sie da: Jetzt können wir beim Haushalt von vorne anfangen?
Nein. Wir haben das ja anders gemacht als die Bundesebene. Dort sind ja
quasi noch vorhandene Rücklagen einfach umetikettiert worden, von Corona
auf Klimaschutz. Und das Sondervermögen ist ja auch nicht Teil des
Haushaltsplans und wird auch nicht allein mit der Klimakrise begründet,
sondern auch mit dem Angriffskrieg auf die Ukraine und seinen Folgen wie
Inflation und Energiepreissteigung und deren Auswirkungen auf soziale
Gerechtigkeit und gesellschaftlichen Zusammenhalt.
Trotzdem hat der Finanzsenator das für das Berliner Sondervermögen nötige
Gesetz jetzt gestoppt: Ein Gutachten soll erst mögliche Auswirken des
Urteils abklären, vor Februar wird absehbar nichts beschlossen.
Das ist eine richtige Entscheidung, denn wir müssen die Entscheidung des
Bundesverfassungsgerichts auch im Hinblick auf das Berliner Gesetz genau
analysieren. Wir halten an unserem Ziel fest, wollen aber natürlich ein
Gesetz, das einer gerichtlichen Überprüfung standhält.
Ein früherer Vorsitzender des Hauptausschusses hat der taz mal gesagt, er
sei in Mathe ein Versager gewesen. Haben Sie ein Gefühl für Zahlen mit in
die Politik gebracht?
Tatsächlich war ich auch nie ein guter Mathe-Schüler. Aber mich hat immer
die Möglichkeit gereizt, über den Haushalt Politik direkt gestalten und
mithelfen zu können, dass sich die Stadt in die richtige Richtung
entwickelt. Haushaltspolitik gestaltet ja oft auch haushaltsrechtliche
Vorgaben für Politik und Verwaltung. Und wir haben immer noch die
Finanzverwaltung des Senats im Hintergrund, die uns darauf aufmerksam
macht, wenn eine Addition nicht stimmt, was aber eigentlich nie nötig ist.
Für einen Ex-SPD-Kollegen von Ihnen war Haushalt „in Zahlen gegossene
Politik“.
Genauso ist es. In den Fachausschüssen werden sehr engagiert inhaltliche
Diskussionen geführt werden, die aber oft damit enden, dass man nicht weiß,
wie man es finanziert. Da haben wir natürlich im Hauptausschuss
grundsätzlich schon die Möglichkeit dazu.
Senatsmitglieder sagen Richtung Parlament oft: „Das entscheiden Sie als
Haushaltsgesetzgeber.“ Ist das nicht eine Fiktion? Wie sollen 31 Leute im
Hauptausschuss einen Tausende Seiten dicken Etat umkrempeln, den Hunderte
Köpfe in den Senatsverwaltungen ausgeschlaut haben?
Natürlich ist es so, dass nicht das Parlament, sondern der Senat den
Haushaltsentwurf aufstellt. Der von Ihnen zitierte Satz kommt ja meist
dann, wenn jemandem darin etwas fehlt. Da wird sehr gern die Verantwortung
kaschiert. Zur Wahrheit gehört aber auch: Wenn das Parlament an einer
Stelle mehr gibt, muss es an einem anderen Stelle kürzen. Das findet
natürlich auch nicht jeder lustig.
Von den 40 Milliarden, die in diesem Jahr im Haushalt stehen, schichtet das
Parlament erfahrungsgemäß nur 5 Prozent um. Das wären zwar rund 2
Milliarden, aber gemessen an der Gesamtsumme wenig.
Richtig ist, dass wir natürlich im Haushalt nicht jeden Titel diskutieren
und beraten können. Auf der anderen Seite müssen Sie auch berücksichtigen,
dass ein ganz großer Teil dieser 40 Milliarden fest gebunden ist.
Für …?
Von der Heizrechnung für die Schulen über die Personalkosten, also das, was
die Beschäftigten in Land und in den Bezirken verdienen, bis zur
Finanzierung der Sozialhilfe und vieles mehr. Gemessen daran ist der Teil,
den das Parlament „bewegt“, gar nicht so klein.
Für viele Debatten haben die „Pauschalen Minderausgaben“ (PMA) im Entwurf
gesorgt – Geld, das noch einzusparen ist. Macht man es sich, als Senat wie
als Parlament, nicht zu einfach, wenn man nicht selbst klar vorgibt, wo was
wegsoll?
Diese PMAs sind ein bewährtes Verfahren, um den einzelnen Ressorts die
Möglichkeit zu geben, zielgenau Geld einzusparen, von dem sie im Laufe des
Haushaltsjahres merken, dass sie es gar nicht ausgeben können.
Zugegebenermaßen gibt es PMAs diesmal in größerem Umfang. Die einzelnen
Senatsverwaltungen sind also gezwungen, die Notwendigkeit bestimmter
Ausgaben noch einmal genau zu überprüfen.
Die Rechnungshofpräsidentin hat jüngst weitere Kredite kritisiert, zugleich
aber Investitionen in die Zukunft gefordert. Wie soll das gehen?
Ich schätze den Rechnungshof, weil er aktiv an politischen Diskussionen
teilnimmt und auch Vorschläge unterbreitet, die teilweise auch originell,
aber jedenfalls immer eine gute Diskussionsgrundlage sind.
Und hier im konkreten Fall?
Im Grunde genommen bildet der Rechnungshof das Problem richtig ab. Wir
wollen natürlich eine solide Haushaltspolitik, die nicht aus dem Ruder
läuft. Auf der anderen Seite sehen wir auch diesen Investitionsbedarf, und
das ist eben eine Herausforderung, die wir mit den normalen
Haushaltsmitteln nicht bewältigen können. Deshalb brauchen wir trotz
Schuldenbremse die Kredite für ein Sondervermögen.
Der Rechnungshof drängt auch zum Sparen. Muss die Koalition nicht
kurzfristig an Dinge ran wie Hauptstadtzulage, Kitaplatz oder Schülerticket
für alle und diese Leistungen vielleicht auf die begrenzen, die zu wenig
Geld im Portemonnaie haben?
In der Tat ist es eine Herausforderung, ob wir uns alle Leistungen, die wir
in den finanziell guten Jahren für alle beschlossen haben, auch weiter für
alle so werden leisten können. Ich habe in meinem Wahlkreis oft Gespräche
auch mit Eltern, die sagen: Wir würden für unseren Kitaplatz bezahlen, wenn
die Betreuung besser wäre, uns ist Qualität lieber als Gratis-Mentalität.
Und wie sieht das Ihr Koalitionspartner?
Das ist ein Punkt, den die CDU noch nicht mit der SPD verabredet hat. Aber
möglicherweise werden wir in nächsten Jahren so eine Diskussion wieder
führen müssen – weil wir eben wollen, dass Berlin eine sozial gerechte
Stadt bleibt, in der aber natürlich auch Eigenverantwortung und
Eigenwirtschaftlichkeit eine Rolle spielen.
4 Dec 2023
## AUTOREN
Stefan Alberti
## TAGS
Haushalt
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