# taz.de -- Jahresbericht des Landesrechnungshofs: Ein echter Rundumschlag | |
> Präsidentin Klingen hält Landespolitik große Fehlleistungen vor. | |
> Regierungschef Wegner (CDU) nennt Schuldenbremse in jetziger Form | |
> „gefährlich“. | |
Bild: Der Blick in den Landeshaushalt löst bei Rechnungshofchefin Klingen (l.)… | |
BERLIN taz | Der Landeshaushalt, der in drei Wochen beschlossen werden | |
soll: nicht zukunftsgerichtet und Sorge bereitend. Das geplante | |
milliardenschwere Sondervermögen zum Klimaschutz: in jetziger Form mit der | |
Schuldenbremse nicht zu vereinbaren. Die vor acht Jahren eingesetzte | |
„Wohnraumversorgung Berlin“: hochgradig ineffizient und aufzulösen. Die | |
zumindest vom roten Teil der CDU-SPD-Koalition beschlossene Enteignung | |
großer Immobilienbesitzer: nur auf Kosten des Landeshaushalts und höherer | |
Mieten machbar. Was sich wie eine wüste Oppositionsattacke auf den Senat | |
und das Parlament liest, steht im Donnerstag vorgestellten [1][neuen | |
Jahresbericht des Landesrechnungshofs]. | |
Es gab mal Zeiten, da war die Vorstellung des Rechnungshofsberichts ein | |
nicht sonderlich spannender Pressetermin, der lediglich durch einige | |
skurrile Beispiele für Steuergeldverschwendung einen gewissen Reiz hatte. | |
Das ist anders, seit 2018 Karin Klingen Präsidentin der Behörde ist und | |
aktuelle politische Entwicklungen weitaus präsenter begleitet, als das | |
bisher der Fall war. Vielleicht um klarzumachen, dass das kein nur von ihr | |
verfolgter Kurs ist, trat nicht allein Klingen, sondern [2][die gesamte | |
fünfköpfige Führung der Behörde] im Abgeordnetenhaus vor die Presse. | |
Laut Klingen ist der Doppelhaushalt, den das Landesparlament am 14. | |
Dezember beschließen will, gleich mehrfach problematisch: Er brauche | |
sämtliche Reserven auf und beinhalte zusätzliche Einsparvorgaben, bei denen | |
unklar ist, wie die umzusetzen seien. Der Rechnungshof empfehle „dringend, | |
die Haushaltsausgaben zu priorisieren“. Das geplante Berliner | |
Sondervermögen ist aus ihrer Sicht [3][mit dem Urteil des | |
Bundesverfassungsgerichts von vergangener Woche] nicht vereinbar. | |
In der fürs Sondervermögen zuständigen Verwaltung von Finanzsenator Stefan | |
Evers (CDU) hatte man sich nach dem Urteil ganz entspannt gegeben: „Das | |
Urteil kann nicht auf die Regelungen im Land Berlin übertragen werden“, | |
äußerte sich eine Sprecherin. Es gebe grundlegende Unterschiede. Unter | |
anderem gebe es „keine Bezugnahme allein auf den Klimawandel als Auslöser | |
der außergewöhnlichen Notsituation“. Vielmehr beziehe man sich auf den | |
Schock des Kriegs gegen die Ukraine und dessen Auswirkungen in Verbindung | |
mit einer ausgeprägten Finanzschwäche des Landes. Das Gericht hatte in der | |
Klimakrise keine Notlage gesehen, die Kredite in Abweichung von den | |
Schuldenbremse erlauben würde. | |
## Die Argumentation des Senats reicht Klingen nicht | |
Die breiter gefächerte Argumentation der Senatsverwaltung aber reicht | |
Klingen nicht aus: Die Beschreibung ist aus ihrer Sicht sehr allgemein | |
gehalten und mache zu wenig klar, welche Kredite zu welchem Zeitpunkt | |
welcher Notlage begegnen sollen. | |
Unter einer Notlage laut Schuldenbremse versteht Klingen eine aktuelle | |
Krise, nicht lange absehbare Krisen. Auf die Nachfrage, der Rechnungshof | |
dränge die Regierung zur Problembewältigung, lehne aber zugleich dafür | |
nötige Kredite ab, sagte sie: „Das sind die Regeln, die sich der Staat | |
gegeben hat.“ | |
Genau daran will Berlins Regierungschef Kai Wegner (CDU) nun schrauben. | |
„Die Schuldenbremse ist im Sinne solider Finanzen eine gute Idee. Ihre | |
derzeitige Ausgestaltung halte ich allerdings für gefährlich“, war am | |
Donnerstag von ihm [4][beim Nachrichtendienst X zu lesen]. „Ohne | |
Investitionen bröckelt die Zukunft unseres Landes.“ | |
Mit Blick auf mögliche Enteignungen hat die Behörde errechnet: Die | |
Wohnungen gemäß dem Volksentscheid vom September 2021 zu vergesellschaften, | |
sei nur ohne Folgen für Mieter und Landeshaushalt möglich, wenn die | |
Eigentümer dafür nur ein Viertel des Verkehrswertes erhielten. Der | |
Verkehrswert bezeichnet die Summe, die sie bekämen, wenn sie auf dem freien | |
Markt verkaufen würden. | |
24 Nov 2023 | |
## LINKS | |
[1] /home4/redakt/alberti/Desktop/jahresbericht-2023.pdf | |
[2] https://www.berlin.de/rechnungshof/wir-ueber-uns/organisationsstruktur/ | |
[3] https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/20… | |
[4] https://www.google.com/search?client=firefox-b-e&q=kai+wegner+twitter | |
## AUTOREN | |
Stefan Alberti | |
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