# taz.de -- Debatte um die Alte Münze: Kein Club, nirgends | |
> Weder „House of Jazz“ noch Zentrum der freie Kulturszene: Die Diskussion | |
> um die Zukunft der Alten Münze in Mitte erreicht das Abgeordnetenhaus. | |
Bild: Der Kelly-Family-Manager: CDU-Kultursenator Joe Chialo vor gut einem Jahr… | |
BERLIN taz | Die umstrittene Zukunft der Alten Münze am Molkenmarkt in | |
Mitte beschäftigt nun auch den Kulturausschuss des Abgeordnetenhauses. | |
Neue, in groben Zügen seit Dezember bekannte Pläne sehen vor, hier alles | |
anders zu gestalten als bislang angedacht. Der vor acht Jahren entwickelte | |
Plan, in der Alten Münze ein Zentrum für Jazz und improvisierte Musik zu | |
errichten, wurde gekippt. | |
Die Koalition der Freien Szene, der der ehemalige Kultursenator Klaus | |
Lederer von den Linken noch versprach, an dem Ort künftig eine wichtige | |
Rolle spielen zu können, soll nun nichts mehr zu melden haben. Stattdessen | |
wird den privatwirtschaftlichen Spreewerkstätten, seit mehr als zehn Jahren | |
Zwischennutzer der Alten Münze, in Aussicht gestellt, [1][langfristig als | |
einziger Hauptmieter den Ort zu gestalten] und weiterentwickeln zu dürfen. | |
Der Vorstoß der CDU hatte zu Unmut bei Grünen und Linken geführt. Bei der | |
Sitzung des Kulturausschusses – vor Ort in der Alten Münze selbst – wurde | |
das dann auch mehrfach deutlich. Was die SPD von alldem hält, war bislang | |
kaum bekannt. Immerhin stammt die Idee für ein Jazzzentrum am Molkenmarkt | |
von einem SPD-Mann, dem einstigen Kulturstaatssekretär Tim Renner. | |
Zwei Wortmeldungen aus der Ecke der SPD ließen erkennen, dass auch der SPD | |
nicht ganz klar ist, was genau die CDU mit der Alten Münze vorhat. Soll nun | |
das gesamte Areal der Liegenschaft mit einer potenziellen Nutzfläche von | |
16.500 Quadratmetern von der landeseigenen Berliner Immobilienmanagement | |
GmbH (BIM) an die Spreewerkstätten vermietet werden? So habe man das | |
eigentlich nicht verstanden und damit hätte man auch ein Problem, war den | |
Äußerungen seitens der SPD-Abgeordneten zu entnehmen. | |
## Ganzer Kuchen für die Spreewerkstätten | |
Den Antworten der Senatsfinanzverwaltung auf eine schriftliche Anfrage des | |
Sprechers für Kulturfinanzierung der Grünen-Fraktion und ehemaligen | |
Finanzsenators Daniel Wesener ist freilich zu entnehmen, dass die | |
Spreewerkstätten sehr wohl den ganzen Kuchen bekommen sollen. | |
In der Anhörung am Montagnachmittag positionierten sich auch die diversen | |
Stakeholder, [2][denen unter Klaus Lederer ein Mitspracherecht versprochen | |
wurde], noch einmal. Felix Richter, Geschäftsführer der Spreewerkstätten, | |
schilderte die „prekäre Situation“, in der man sich befinde, da befristete | |
Mietverträge bislang immer nur alle sechs Monate verlängert würden. Der | |
Plan der CDU sieht nun vor, bis zu 30 Jahre lang an Richter zu vermieten. | |
Chris Benedict von der Koalition der Freien Szene forderte einen | |
Projektbeirat, in den auch weiterhin andere Akteure als ausschließlich die | |
Spreewerkstätten eingebunden sind. Und Kathrin Pechlof von der Berliner IG | |
Jazz erklärte, für den Jazz hätte die Alte Münze „ein idealer Standort se… | |
können“. | |
[3][CDU-Kultursenator Joe Chialo], aus dessen Verwaltung es zuletzt hieß, | |
man sehe sich gar nicht mehr zuständig für die Alte Münze, führte als | |
Hauptgrund für die Änderung der einstigen Pläne die „schlimme Lage“ des | |
Berliner Haushalts an. Soll heißen: Geld für Träumereien habe man nicht | |
mehr. Tatsächlich gab die Kulturverwaltung an, die 47 Millionen Euro, die | |
für die Renovierung der Alten Münze nach einem Abgeordnetenhausbeschluss | |
von 2018 bereitgestellt wurden, würden nicht mehr ansatzweise reichen. | |
Inzwischen rechne man mit Kosten von 247 Millionen Euro. | |
## Indirekte Subventionen für Privatwirtschaft | |
Selbst wenn die Spreewerkstätten mit weniger Geld bei der Renovierung | |
auskommen sollten als die öffentliche Hand – wie [4][Christian Goiny, der | |
Sprecher für Haushalts- und Clubpolitik der CDU-Fraktion], glaubt – stellt | |
sich die Frage, wie das gehen soll, mit 47 Millionen Euro den angeblichen | |
Renovierungsbedarf in Höhe von 247 Millionen Euro zu decken. Können die | |
Spreewerkstätten zaubern? | |
Die 47 Millionen Euro würde Grünen-Politiker Daniel Wesener nun am liebsten | |
als Sondervermögen bewahren, wie er klar machte. Er jedenfalls stelle sich | |
die Frage, ob mit diesem Geld, das eigentlich für die Kultur vorgesehen | |
war, nicht indirekt vor allem ein privatwirtschaftliches Unternehmen | |
subventioniert würde. | |
Für dieses privatwirtschaftliche Unternehmen sprachen sich dann noch einmal | |
die CDU-Politiker aus, die maßgeblich die neuen Pläne für die Alte Münze | |
vorangetrieben haben. Robbin Juhnke, der kulturpolitische Sprecher der | |
Unionsfraktion, erklärte, Klaus Lederers Versprechungen seien „nie | |
realistisch“ gewesen. | |
Christian Goiny wiederum wiederholte die Erzählung, bei einer | |
Verwirklichung von Lederers Vision würde ein Ort der für Berlin immens | |
wichtigen Clubkultur verdrängt. Die Spreewerkstätten seien ein Clubbetrieb, | |
der in der Alten Münze einen sozialen Ort geschaffen habe und nun von der | |
Freien Szene und Oppositionsparteien diskreditiert werde. Außer von der AfD | |
wohlgemerkt, die angab, hinter den neuen CDU-Plänen zu stehen. | |
## (Pseudo-)Protest-Rave vor den Toren | |
Goiny betonte dabei, nie gesagt zu haben, dass er von einem Zentrum für | |
Jazz in der Alten Münze nichts halte, weil für ihn Berlin keine Jazzstadt | |
sei. Demnach muss der Christian Goiny von der CDU, den der Berliner Kurier | |
vor ein paar Jahren mit diesen Worten zitierte, ein anderer Christian Goiny | |
von der CDU gewesen sein. Die 12,5 Millionen Euro, die der Bund für ein | |
Jazzzentrum in Berlin in Aussicht stellte, seien immerhin nicht verloren, | |
glaubt Kultursenator Joe Chialo. Das Geld würde wahrscheinlich auch bei | |
Planungen an einem anderen Ort abgerufen werden können. | |
Letztendlich ist der vermeintlich von Verdrängung betroffene wichtige Ort | |
Berliner Clubkultur nicht einmal ein Club: Die Alte Münze verfügt lediglich | |
über eine Clubfläche für Events. Und nur, weil hier die queere Partyreihe | |
„Pornceptual“ gastiert, wird sie noch nicht zu einem Ort der Subkultur, den | |
Spreewerkstätten-Chef Felix Richter in ihr sehen will. | |
Welch Ausmaße der erklärte Kampf für die Clubkultur inzwischen angenommen | |
hat, konnte man am Montag am Eingang zur Alten Münze erkennen. Dort fand | |
ein (Pseudo-)Protest-Rave statt, bei dem auf Pappschildern etwa „Subkultur | |
in Mitte sichern“ oder „Alte Münze muss bleiben“ stand. Gegen Ende der | |
Sitzung legte sich gar Trockeneisnebel über den Platz und ein paar der | |
Demo-Raver tanzten. | |
12 Mar 2024 | |
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## AUTOREN | |
Andreas Hartmann | |
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