| # taz.de -- Liegenschaftspolitik von CDU und SPD: Schwarz-Rot beerdigt Atelierp… | |
| > Die geplanten Ateliers an der Osdorfer Straße in Lichterfelde werden | |
| > nicht gebaut. Die Abgeordneten von CDU und SPD haben ganze Arbeit | |
| > geleistet. | |
| Bild: Nichts da mit Kunst – zumindest nicht an der Osdorfer Straße im Stegli… | |
| Berlin taz | Das war’s mit dem Atelierhaus am S-Bahnhof Osdorfer Straße in | |
| Lichterfelde. Am Freitag hat die Genossenschaft „Eine für Alle“ den | |
| Bauantrag für die von ihr geplante [1][Errichtung eines Dreigeschossers mit | |
| 25 Ateliers] zurückgenommen. „So müssen wir nur die Hälfte der 15.000 Euro | |
| Gebühren zahlen und haben zum Schluss wenigstens noch was gespart“, sagt | |
| Genossenschaftsgründer Frieder Rock im Anschluss zur taz. | |
| Das alles sei, so Rock, „traurig, aber wahr“. Denn wenn jetzt auch 7.500 | |
| Euro gerettet werden konnten: Insgesamt hat „Eine für Alle“ in den | |
| vergangenen vier Jahren nach Rocks Angaben eine halbe Million Euro | |
| Eigenkapital in die Planungen für die Brache Osdorfer Straße 17/18 | |
| gesteckt. Oder, wie er jetzt weiß: versenkt. Viel Geld und vier Jahre | |
| Arbeit für nichts und wieder nichts. | |
| Dabei schien lange Zeit alles schon in Sack und Tüten, unterschriebene | |
| Verträge inklusive. Bis CDU und SPD im Abgeordnetenhaus gemeinsam auf den | |
| Plan traten – und dafür sorgten, dass das Genossenschaftsprojekt auf dem | |
| landeseigenen Grundstück im Bezirk Steglitz-Zehlendorf erst wackelte und | |
| nun beerdigt wurde. | |
| ## Erbbauvertrag mit kleinem Haken | |
| Doch der Reihe nach. 2020 wurde das 2.000 Quadratmeter große Grundstück an | |
| der Osdorfer Straße vom Vorgängersenat aus SPD, Grünen und Linken im Rahmen | |
| eines [2][an Akteur:innen mit gemeinwohlorientierten Vorhaben | |
| gerichteten Konzeptverfahrens] zur Bebauung ausgeschrieben. Die zur | |
| Gewerbesicherung gegründete Genossenschaft „Eine für Alle“ bekam den | |
| Zuschlag für ihr Atelierprojekt. In Berlin fehlen immerhin über 2.500 | |
| Arbeitsräume für Künstler:innen. | |
| So sollte „Eine für Alle“ also bauen und dafür für 60 Jahre das Erbbaure… | |
| für das Grundstück erhalten. Anfang 2023 wurde schließlich ein | |
| Erbbauvertrag mit dem für das Gelände zuständigen landeseigenen | |
| Dienstleister Berliner Immobilienmanagement (BIM) geschlossen. | |
| Verträge dieser Art stehen unter dem sogenannten Genehmigungsvorbehalt | |
| durch das Abgeordnetenhaus. Ein kleiner, aber in der Regel unbedeutender | |
| Haken. Doch [3][genau davon machten CDU und SPD im Herbst vergangenen | |
| Jahres überraschend Gebrauch.] Die beiden Fraktionen beschlossen, den | |
| Vertrag zwischen BIM und „Eine für Alle“ im Hauptausschuss des | |
| Landesparlaments mit ihrer Stimmenmehrheit ohne Aussprache abzulehnen. | |
| Später hieß es zur Begründung seitens Schwarz-Rot, man könne doch auf dem | |
| Areal dringend benötigten Wohnraum errichten. Parallel dazu war von der | |
| Unterbringung von Geflüchteten die Rede. Einen in der Koalition | |
| abgestimmten Alternativplan gab es erkennbar nicht. Einig war man sich | |
| lediglich in der Abneigung gegen die von Rot-Rot-Grün auf den Weg gebrachte | |
| Atelieridee. | |
| ## Ein ungewöhnlicher Vorgang | |
| Selbst die Senatsfinanzverwaltung bestätigt in einer Antwort auf eine | |
| parlamentarische Anfrage der Grünen-Abgeordneten Katrin Schmidberger, dass | |
| es sich hierbei um einen ungewöhnlichen Vorgang handelt. Aus den | |
| vergangenen 30 Jahren seien „keine vergleichbaren Fälle bekannt“, bei denen | |
| ein Konzeptverfahren über den parlamentarischen Genehmigungsvorbehalt | |
| abgebrochen wurde, heißt es in der noch unveröffentlichten Antwort, die der | |
| taz vorliegt. | |
| Mehr noch: Sowohl die an der Planung beteiligten Senatsverwaltungen als | |
| auch die BIM – die in das Verfahren nicht eben wenig Ressourcen gesteckt | |
| hat – wurden erst im Nachgang informiert. Kommentieren will man den | |
| unabgesprochenen Alleingang der eigenen Abgeordneten trotzdem nicht: „Es | |
| gebührt dem Senat nicht, Einzelfallentscheidungen des Abgeordnetenhauses zu | |
| einem Vermögensgeschäft zu beurteilen.“ | |
| Gleich mit abgeräumt werden in der Antwort aus dem Haus von Finanzsenator | |
| Stefan Evers (CDU) aber auch die aus der Koalition zur Begründung der | |
| Ablehnung der Atelierpläne präsentierten möglichen Alternativen für die | |
| Osdorfer Straße 17/18. So wird hier festgestellt: „Die landeseigenen | |
| Wohnungsunternehmen haben bisher kein Interesse an der Übernahme des | |
| Grundstücks bekundet. Eine erste Prüfung der Eignung des Grundstücks zu | |
| Zwecken der Unterbringung von Geflüchteten wurde seitens des Landesamtes | |
| für Flüchtlingsangelegenheiten ebenfalls negativ beschieden.“ | |
| „Eine für alle“ hatte in der Zwischenzeit den Versuch unternommen, noch | |
| einmal nachzuverhandeln. Auch das hat nichts gebracht. Nur folgerichtig hat | |
| die Genossenschaft jetzt endgültig das Handtuch geworfen. Für das Gelände | |
| an der Osdorfer Straße bedeutet das: Die Brache bleibt weiter Brache. | |
| „Komplett idiotisch“, findet Frieder Rock von „Eine für Alle“. | |
| ## „Reine Willkür“ | |
| Dass nun gar nichts auf dem Grundstück geschieht, mache das von den | |
| Haushaltspolitiker:innen von CDU und SPD im Parlament durchgedrückte | |
| Aus für das Atelierprojekt vollends absurd, kritisiert auch Katrin | |
| Schmidberger. Überhaupt, so die Sprecherin für Mieten und Wohnen der | |
| Grünen-Fraktion zur taz: „Dass Schwarz-Rot den Bau eines Atelierhauses an | |
| der Osdorfer Straße 17/18 aktiv verhindert hat, ist und bleibt widersinnig, | |
| reine Willkür und eine klare Abkehr von den [4][Prinzipien der | |
| transparenten Liegenschaftspolitik]“ – also der Vergabe landeseigener | |
| Grundstücke nach der Maßgabe des Nutzens für die Stadt. | |
| Letztlich, sagt Schmidberger, sei die Entscheidung „nicht nur eine Absage | |
| an etablierte und demokratische Verfahren. Vor allem schwächt es das | |
| Vertrauen in die Politik.“ Denn: „Wer wird sich denn zukünftig noch auf | |
| Konzeptverfahren bewerben?“ | |
| Die Frage scheint nicht ganz unberechtigt. So erklärte der | |
| SPD-Haushaltspolitiker Sven Heinemann jüngst [5][bei einer | |
| Dringlichkeitssitzung des Runden Tischs]: „Natürlich steht die SPD für | |
| Verbindlichkeit, aber keiner kann Ihnen diese Verbindlichkeit garantieren.“ | |
| 20 Jul 2024 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.einefueralle.berlin/atelierhaus-osdorfer | |
| [2] https://www.berlin.de/sen/kultur/foerderung/foerderprogramme/arbeitsraeume/… | |
| [3] /Ueber-Ateliers-und-die-Immobilienkrise/!5987014 | |
| [4] https://www.berlin.de/sen/finanzen/vermoegen/liegenschaften/transparente-li… | |
| [5] /Liegenschaftspolitik-von-CDU-und-SPD/!6008406 | |
| ## AUTOREN | |
| Rainer Rutz | |
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