| # taz.de -- Land Berlin will Haus verkaufen: Dreifache Miete oder Kündigung | |
| > Am Wannsee soll ein Zweifamilienhaus in Landesbesitz verkauft werden. | |
| > Doch Kündigungsschutz soll für die Mieter teuer werden. | |
| Bild: Keine Ruhe hinterm Gartenzaun | |
| Berlin taz | Ralf Möller war 20 Jahre lang für das Land tätig, erst für die | |
| Berliner Forste, später für die Instandhaltung der landeseigenen | |
| Immobilien. Doch als Mieter einer landeseigenen Wohnung erfahren er und | |
| seine Frau, beide Ende 60, keine Wertschätzung. „Wir werden vor die | |
| Entscheidung gestellt, rausgeschmissen zu werden oder das Dreifache der | |
| Miete zu bezahlen“, sagt Möller. | |
| Seit über 30 Jahren wohnt er im Stölpchenweg 41, idyllisch gelegen in der | |
| Nähe des Wannsees. Es ist eine ehemalige Werkmietwohnung in einem | |
| Zweifamilienhaus, in die er als Beschäftigter der Forsten eingezogen ist. | |
| Dort blieb er auch wohnen, als das Haus 2014 in den Bestand der | |
| [1][Berliner Immobilienmanagement GmBH (BIM)] überging. Doch die BIM, die | |
| Grundstücke im Eigentum des Landes verwaltet, will das Haus verkaufen. Den | |
| Möllers droht die Eigenbedarfskündigung durch den Käufer. | |
| Es entspreche nicht der Aufgabe der BIM und ihres Sondervermögens für | |
| Daseinsvorsorge, ein zu Wohnzwecken vermietetes Zweifamilienhaus ohne | |
| kostendeckende Miete im Bestand zu halten, begründet die | |
| Senatsfinanzverwaltung, Gesellschafter der BIM, die Verkaufsabsicht. Für | |
| die etwas über 100 Quadratmeter zahlt Möller 436 Euro kalt. Dafür habe die | |
| BIM aber auch nur einen geringen Verwaltungsaufwand mit dem abgelegenen | |
| Haus, meint er. „Wir kümmern uns hier um alles selbst, von Kleinreparaturen | |
| über den Winterdienst auf dem Grundstück bis zum Rasenmähen und der | |
| Gebäudereinigung.“ | |
| Dennoch habe er der BIM mehrfach selbst angeboten, die Miete zu erhöhen. | |
| Nie hat diese das Angebot angenommen. Auch mit der Erhöhung wäre die | |
| Vermietung nicht kostendeckend gewesen, heißt es. Für Möller ist das | |
| unbegreiflich: „Wäre sie darauf eingegangen und hätte normal alle drei | |
| Jahre die Miete erhöht, hätte sie seit 2017 schon 10.000 Euro mehr | |
| Mieteinnahmen von uns bekommen können“, rechnet er vor. | |
| Auf Druck von Mieterverein und Opposition wurde das Bieterverfahren für das | |
| Haus vorerst verschoben. Wenn es schon verkauft wird, dann soll zumindest | |
| in den Vertrag ein Ausschluss von Eigenbedarfs- und Verwertungskündigungen | |
| aufgenommen werden, fordert der Berliner Mieterverein. Ein Käufer könnte | |
| die Möllers dann nicht einfach vor die Tür setzen. Doch die BIM will sich | |
| diesen Schutz einiges kosten lassen. Möller soll einer Verdreifachung | |
| seiner Miete auf 1.100 Euro zustimmen, damit sich der Erlös für die BIM | |
| nicht mindert, wenn ein Kündigungsschutz aufgenommen wird. | |
| ## Land als Miethai | |
| „Es kann nicht sein, dass das Land Berlin beziehungsweise die BIM sich wie | |
| ein Miethai verhält“, kritisiert Katrin Schmidberger, Mietenpolitikerin der | |
| Grünen. Eine moderate Mieterhöhung wäre ein gangbarer Weg. Auch hätte das | |
| Land jahrelang Zeit gehabt, für die Möllers angemessenen Ersatzwohnraum zu | |
| finden. | |
| Auch Sebastian Bartels, Geschäftsführer des Mietervereins, der die Möllers | |
| vertritt, hält den Vorschlag für „nicht akzeptabel“. Kritisch sei auch, | |
| dass die BIM in dem Nachtrag lediglich Eigenbedarfskündigungen ausschließen | |
| will. Es fehle ein Schutz vor Verwertungskündigungen, die ausgesprochen | |
| werden können, wenn ein Eigentümer das Haus abreißen will. „Das Haus steht | |
| nicht unter Denkmalschutz und gerade in der Seelage ist denkbar, dass ein | |
| Käufer das Haus abreißt und dort neu baut“, so Bartels. | |
| Möller hat nicht nur Angst davor, dass er durch Eigenbedarf oder Abriss | |
| sein Zuhause verlieren könnte. Im Nachtrag zum Mietvertrag sei auch die | |
| Möglichkeit vorgesehen, Kosten für einen bisher nicht existenten | |
| Spielplatz, Sicherheitsdienst und Concierge-Service auf die Mieter | |
| umzulegen. „Die BIM will sich und dem potenziellen Käufer alle | |
| Möglichkeiten offenhalten“, sagt er. | |
| Ende des Monats wollen sich die Parteien zusammensetzen. Klar ist, dass am | |
| Ende die BIM am längeren Hebel sitzt: Entweder Möller unterschreibt die | |
| Bedingungen, die ihm vorgesetzt werden, oder die BIM wirft das Gebäude ohne | |
| Mieterschutz auf den Markt. Dass den Mietern die Pistole auf die Brust | |
| gesetzt wird, entweder einen Verkauf ohne ausreichenden Schutz oder eine | |
| „exorbitante Mieterhöhung“ zu akzeptieren, werde „dem Anspruch des Landes | |
| Berlin als fairer Vermieter nicht gerecht“, meint Schmidberger. | |
| ## Zurück zur Privatisierung? | |
| Am Stölpchenweg geht es am Ende auch um die Frage, ob das Land unter dem | |
| Eindruck eines angespannten Haushalts wieder anfängt, Grundstücke und | |
| Immobilien im Landesbesitz zu verkaufen, für die es gleichzeitig einen | |
| sozialen oder kulturellen Bedarf in der Stadt gibt. | |
| Möller sagt selbst mit Blick auf sein Alter: „Das Problem hier erledigt | |
| sich doch bald von selbst.“ Langfristig gebe es dann genug Verwendungen für | |
| das Haus, sagt Bartels. Das Haus müsse ja nicht auf ewig als Wohnhaus | |
| vermietet werden. „Das ist Fantasielosigkeit, wenn die BIM sagt, dass das | |
| Objekt nicht in ihr Portfolio passt.“ Grundsätzlich ist er überzeugt: „Die | |
| Privatisierung von landeseigenen Immobilien ist falsch, egal ob groß oder | |
| klein.“ | |
| 15 Sep 2024 | |
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| ## AUTOREN | |
| Yannic Walther | |
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