# taz.de -- Liegenschaftspolitik von CDU und SPD: Versprochen und gebrochen | |
> Ob bei der Alten Münze oder einem Atelierhaus in Lichterfelde: Für | |
> Schwarz-Rot sind einstige liegenschaftspolitische Zusagen für Kulturorte | |
> wenig wert. | |
Bild: Nicht nur die Opposition fürchtet einen Rollback in der Liegenschaftspol… | |
BERLIN taz | Es gibt Sätze, die nicht unbedingt geeignet sind, die Gemüter | |
zu beruhigen. Sven Heinemann, Haushaltspolitiker der Berliner SPD-Fraktion, | |
präsentiert am Freitag bei einer Dringlichkeitssitzung des Runden Tischs | |
Liegenschaftspolitik genau so einen Satz. Er sagt: „Natürlich steht die SPD | |
für Verbindlichkeit, aber keiner kann Ihnen diese Verbindlichkeit | |
garantieren.“ | |
Denn klar wird bei dem Termin im Abgeordnetenhaus: Der Frust über die | |
liegenschaftspolitischen Entscheidungen der Regierungskoalition aus CDU und | |
SPD ist groß. Aus Sicht stadtpolitischer Initiativen und der Opposition | |
geht es dabei nicht nur um die fehlende Verbindlichkeit. Auch die Frage, ob | |
es unter Schwarz-Rot eine Rückkehr zur alten Liegenschaftspolitik der | |
Nullerjahre geben wird, steht im Raum. | |
Der 2012 entstandene Runde Tisch hat es sich zur Aufgabe gemacht, mit | |
Politik, Verwaltung und Zivilgesellschaft den Umgang mit landeseigenen | |
Liegenschaften zu diskutieren. [1][Das Gremium hatte damals einen | |
wesentlichen Anteil daran, dass der Verkauf öffentlicher Grundstücke | |
gestoppt wurde.] | |
Ob direkt an die landeseigenen Wohnungsunternehmen oder per | |
Konzeptverfahren an andere Akteure mit gemeinwohlorientiertem Vorhaben: | |
Landeseigene Grundstücke sollten stattdessen im Sinne einer transparenten | |
Liegenschaftspolitik nach der der Maßgabe des Nutzens für die Stadt | |
vergeben werden. | |
## Beispiel Alte Münze | |
Und heute? Allen voran die schwarz-rote Kehrtwende bei einem Atelierhaus in | |
der Osdorfer Straße in Lichterfelde und beim Standort der Alten Münze in | |
Mitte lassen inzwischen Zweifel daran aufkommen, wie transparent die | |
Liegenschaftspolitik unter dem aktuellen Senat ausfällt. | |
Seit 2018 war am Standort der ehemaligen Münzprägeanstalt unweit des Roten | |
Rathauses vorgesehen, einen Kulturstandort für die freie Szene und ein | |
„House of Jazz“ zu etablieren. Das Land sollte dazu die Sanierung des | |
Objektes stemmen. 50 Millionen Euro waren bereits im Sondervermögen | |
Infrastruktur und Wachsende Stadt zurückgestellt worden. | |
Doch mit einem Beschluss des Hauptausschusses im Dezember vergangenen | |
Jahres [2][wurden diese Pläne auf den Kopf gestellt]. Die Spreewerkstätten, | |
die als Zwischennutzer bisher unter anderem einen Club in der Alten Münze | |
betrieben haben, sollen in Direktvergabe einen langfristigen Mietvertrag | |
erhalten. | |
Als Grund werden die Kosten für die Sanierung angegeben, die angesichts der | |
gegenwärtigen Haushaltslage eine große Herausforderung seien. Birgit | |
Möhring, die Geschäftsführerin der Berliner Immobilienmanagement (BIM), | |
sagt, dass die beiseitegelegten 50 Millionen Euro zwar weiterhin für die | |
ersten Bauabschnitt der Sanierungen aufgewendet werden. „Wir werden aber | |
den Innenausbau nicht machen“, so die Chefin des Immobiliendienstleisters | |
des Landes Berlin. | |
## Zurück zur Logik der alten Liegenschaftspolitik | |
Es scheint, als würde die Alte Münze nicht das letzte Projekt bleiben, bei | |
dem es unter Schwarz-Rot zu einem Umdenken kommen kann. Stichwort | |
Ukraine-Krieg, Zinsentwicklung und Baukostensteigerung: Man habe es nun mal | |
mit veränderten Rahmenbedingungen zu tun, sagt Sven Heinemann. „Deshalb ist | |
es jetzt nicht so, dass alle Projekte, die hier versammelt sind und | |
diskutiert werden, so umgesetzt werden können, wie man sich das vielleicht | |
einmal vorgestellt hat.“ | |
Steffen Zillich, Haushaltspolitiker der Linksfraktion, regt diese | |
Argumentation auf. Natürlich könne man nicht damit rechnen, dass unter den | |
gegenwärtigen Bedingungen für jedes Projekt sofort Geld bereit stehe. Wer | |
aber sage, man habe kein Geld für bestimmte Projekte, und gibt sie deshalb | |
weg, kehre zurück zur Logik der alten Liegenschaftspolitik. | |
„Wir haben gelernt, dass Grundstücke es wert sind, auch für potenzielle | |
Nutzungen beim Land Berlin zu bleiben“, sagt Zillich. „Ich will | |
klarstellen, dass es nicht dazu kommen wird, dass etwas verkauft werden | |
soll“, wehrt Heinemann für die Verbindlichkeits-SPD ab. | |
Letztlich stehen aber nicht nur Haushaltsbelange eigentlich geplanten | |
Kulturstandorten auf Landesgrundstücken im Weg. Auch die | |
Wohnungsbauabsichten des Senats tun ihr übriges. So etwa an der Osdorfer | |
Straße im Steglitz-Zehlendorfer Ortsteil Lichterfelde. | |
## Wohnungsbau schlägt Kulturstandort | |
Auf dem Grundstück in Landeshand sollte nach Willen der Vorgängerregierung | |
aus SPD, Grünen und Linken ein Atelierhaus entstehen. Die zur | |
Gewerbesicherung gegründete Genossenschaft „Eine für Alle“ sollte bauen u… | |
dafür für 60 Jahre das Erbbaurecht für das Grundstück erhalten. [3][Im | |
Dezember kippten CDU und SPD dann das Vorhaben.] Im Gespräch ist nun eine | |
Wohnnutzung. | |
Das Atelierhaus sollte wohlgemerkt aus privaten Mitteln finanziert werden. | |
Nachdem im Januar 2023 der Erbbaurechtsvertrag geschlossen wurde, sei für | |
die Planungen bereits eine knappe halbe Millionen Euro investiert worden, | |
heißt es. Im Januar dieses Jahres sollte es eigentlich los gehen. | |
„Wir bitten sowohl die SPD und CDU, noch einmal in sich zu gehen“, sagt | |
Frieder Rock von der Genossenschaft „Eine für Alle“. Denn: „Wir tun hier | |
etwas, trotz gestiegener Baupreise, was das Land Berlin gewollt hat. Das | |
Land Berlin hat dieses Grundstück ausgeschrieben, um ein Atelierhaus dort | |
errichten zu lassen.“ | |
3 May 2024 | |
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## AUTOREN | |
Yannic Walther | |
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