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# taz.de -- Debatte im Berliner Abgeordnetenhaus: „Steuern Sie um!“
> Rechungshofchefin Karin Klingen mahnt Schwarz-Rot, die Ausgaben deutlich
> zu reduzieren. Sonst seien die Landesfinanzen in Kürze nicht mehr
> tragfähig.
Bild: Sie sieht beim Haushalt das Verhältnis zwischen Einnahmen und Ausgaben d…
Berlin taz | In bisher unerhörter Weise hat Rechnungshofpräsidentin Karin
Klingen die schwarz-rote Koalition zu einer deutlichen Korrektur der
Finanzpolitik und Haushaltsplanung aufgerufen. „Ich appelliere an Sie:
Steuern Sie um!“, sagte Klingen am Donnerstag bei der Vorstellung ihres
Jahresberichts im Abgeordnetenhaus. Jeder, der künftig in politischer
Verantwortung stehe, werde ansonsten große Schwierigkeiten haben, einen
Landeshaushalt aufzustellen. „Wollen Sie das?“, fragte die Behördenchefin
im Plenarsaal des Parlaments.
Die Berichtspräsentation ist ein fester Termin im Jahreskalender des
Abgeordnetenhauses und normalerweise nicht mit viel Aufregung verbunden:
Die Rechnungsprüfer heben in der Regel einzelne problematische Bereiche
hervor und mahnen generell zu mehr Genauigkeit. [1][In Schriftform lag der
Bericht zudem schon seit Ende November vor.] Ein derart drastischer Appell
wie am Donnerstag war gegenüber den Abgeordneten hingegen noch nie zu
hören.
„Der Berliner Landeshaushalt steht kurz vor der Krise“, begann Klingen ihre
Kritik. Die Ausgaben seien bei Weitem nicht von den Einnahmen gedeckt.
Dabei aber habe Berlin, und das betonte die Rechnungshofchefin
ausdrücklich, kein Problem mit den Einnahmen: Die seien in den vergangenen
Jahren ständig gestiegen – die Ausgaben aber in noch größerem Maße.
In Kürze skizzierte Klingen die Problematik des [2][im Dezember
beschlossenen Doppelhaushalts für 2024 und 2025]. In den seien alle
langjährigen milliardenschweren Rücklagen geflossen. Dennoch müssten im
Etat im laufenden Betrieb noch fast 2 Milliarden Euro jährlich eingespart
werden. „Wenn Sie dieses Ausgabenniveau so weiterführen, werden 2026 und
2017 enorme Defizite von mehr als 3 Milliarden Euro pro Jahr entstehen“,
rechnete die Behördenchefin vor.
Das von der schwarz-roten Koalition ursprünglich geplante
Klima-Sondervermögen hatte Klingen schon im November kritisiert, weil sie
dafür keine rechtliche Grundlage sah. Sie begrüßte, dass der Senat nun die
Pläne einer solchen Notfallkreditaufnahme überdenke. Ein Rechtsgutachten
hatte Ende Februar ein solches Sondervermögen als nicht umsetzbar
eingeschätzt.
Klingen warnte auch vor Versuchen, die zwar inzwischen auch aus den Reihen
der CDU kritisierte, aber weiterhin gültige Schuldenbremse zu umgehen.
Solche Bestrebungen zielen beispielsweise darauf, dass nicht das Land
Berlin Kredite aufnimmt, was die Schuldenbremse weithin nicht zulässt,
sondern jeweils ein Unternehmen im Besitz des Landes, also etwa BSR, BVG
oder die sechs Wohnungsbaugesellschaften.
Von der Koalition war als Reaktion und Rechtfertigung vorrangig der Verweis
auf Krisen, den Krieg in der Ukraine und die Inflation zu hören. Die
SPD-Fraktion verteidigte dabei die von Klingen kritisierte Hauptstadtzulage
für öffentlich Beschäftigte: Die hat aus Sicht des Rechnungshofs nicht ihr
Ziel erreicht, mehr Personal für das Land zu gewinnen. Die SPD-Abgeordnete
Derya Çağlar mochte das zwar nicht bestreiten, argumentierte aber, dass
Berlins öffentlicher Dienst ohne die Zulage zahlreiche Mitarbeiter verloren
hätte.
Aus der Opposition heraus sah sich Grünen-Finanzpolitiker André Schulze
durch die Kritik des Rechnungshofs bestätigt: „Dieses Haushaltschaos ist
kein Versehen, es ist auch kein Naturgesetz – es ist einzig und allein das
Ergebnis Ihrer schwarz-roten Haushaltspolitik.“ Schulze hielt dem Senat
fehlende Transparenz gegenüber dem Parlament vor: Der mache nicht klar, wie
es mit dem Sondervermögen, [3][der Hauptstadtzulage] oder den angestrebten
Einsparungen weitergeht. „Holen Sie sich das Budgetrecht als Parlament
zurück“, forderte Schulze die Abgeordneten von CDU und SPD auf, „beenden
Sie endlich dieses Transparenzdefizit, bevor es sich zu einem
Demokratiedefizit ausweitet.“
21 Mar 2024
## LINKS
[1] /Jahresbericht-des-Landesrechnungshofs/!5971545
[2] /Haushaltsbeschluss-im-Abgeordnetenhaus/!5976307
[3] /Archiv-Suche/!5974099&s=hauptstadtzulage&SuchRahmen=Print/
## AUTOREN
Stefan Alberti
## TAGS
Abgeordnetenhaus
Haushalt
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