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# taz.de -- Gewalt gegen Frauen: Die Täter sind überall
> Auf einer Konferenz werden innovative Ansätze zur Bekämpfung von Gewalt
> gegen Frauen gesucht. Besonders digitales Nachstellen erfordert ein
> Umdenken.
Bild: Tanzen gegen Gewalt: Aktion von One Billion Rising vor dem Brandenburger …
Was utopisch ist – „das hängt stark davon ab, was wir als normal
akzeptieren“, sagt Asha Hedayati. Die Rechtsanwältin und Autorin gibt
gleich ein Beispiel. „Wir wissen: Jeden dritten Tag wird eine Frau von
ihrem Partner oder Ex-Partner getötet“, sagt sie. „Stellt euch mal vor, was
hier los wäre, wenn Frauen das täten: jeden dritten Tag Männer töten.“
[1][Hedayati berät und vertritt von Gewalt betroffene Frauen]. Am Mittwoch
ist sie Hauptrednerin bei einer Konferenz über „[2][Innovative Ansätze zur
Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen]“ in der Senatsverwaltung für Inneres.
Wohnungen, in denen Frauen Zuflucht vor prügelnden, gewalttätigen Männern
finden, – „[3][selbstorganisiert, autonom und solidarisch]“ – das sei b…
der Gründung der ersten Frauenhäuser sehr innovativ gewesen, sagt Hedayati.
„In den 50ern muss das utopisch gewirkt haben.“ Es gehe aber darum, dass
Politik und Gesellschaft endlich die Gewalt bekämpften, bevor sie ausgeübt
würde. Denn immer noch müssten betroffene Frauen untertauchen und
verschwinden, um sich zu schützen. „Es wird nie genug Frauenhausplätze
geben, wenn wir nicht in echte Prävention investieren.“
## Männer sind gefordert
Mehr Prävention – das fordern fast alle Redner*innen bei der Konferenz.
Klar wird aber auch: Dafür müssten Männer viel mehr mitarbeiten, denn es
sind Vorstellungen von Männlichkeit sowie Frauenhass, aus denen Gewalt
hervorgeht.
Noch liegt die meiste Verantwortung aber bei den Frauen, und viele Angebote
versuchen, auf ihre Bedürfnisse zu reagieren: [4][Etwa Programme gegen
Stalking], die in der Mehrzahl (5.350 Beratungen) noch immer die
Betroffenen beraten, und nur in geringerer Zahl (1.330) mit Tätern
arbeiten. Oder eine auch [5][in Berlin schon eingesetzte App], in der
Betroffene Gewalterfahrungen mit Fotos und Text dokumentieren können, um
sie später einem Gericht vorzulegen. Oder der [6][in Österreich entwickelte
„stille Notruf“], bei dem der Rettungswagen ohne Blaulicht vorfährt und den
Frauen ohne sprechen zu müssen absetzen können.
## „Einstiegsdroge“ Airtag
Beatrice Moreno, die an der Hochschule für Wirtschaft und Recht Informatik
lehrt, berichtet von 43 Arten IT-gestützter Nachstellungen, die sie in
ihrem Team herausgearbeitet haben. Etwa das Tracking, also das Verfolgen
von Personen und das Nachvollziehen ihrer Wege und Aufenthaltsorte. Das
ginge sehr einfach, etwas über Airtags oder andere bluetooth-gestützte
Schlüsselfinder. „Die Einstiegsdroge, um Frauen zu kontrollieren“, sagt
Moreno.
Die Anhänger sind etwa so groß wie ein 2-Euro-Stück – und kosten nur wenig
mehr. „Es ist sehr leicht, die in eine Tasche gleiten zu lassen oder in
einem Spielzeug zu platzieren“, sagt Moreno. „Die Frauen wundern sich dann,
woher der Mann weiß, was sie machen, wann sie wo eintreffen oder dass sie
die Kinder bereits abgeholt haben.“
## Orte nicht mehr geheim
Sie hätten direkt die Senatsverwaltung informiert, als die Anhänger auf den
Markt kamen „und wir gesehen haben, dass Männer sie sehr bald schon zur
Überwachung eingesetzt haben“, sagt Moreno. Sie seien „eine Gefahr für
bisherige Strategien im Umgang mit gewaltbetroffenen Frauen“. Denn die
[7][Orte von Frauenhäusern seien damit nicht mehr – wie bisher – geheim].
„Da müssten alle, die in dem Feld arbeiten, eigentlich komplett umdenken“,
sagt Moreno.
„Das Problem ist, dass immer noch meistens die Männer Handys konfigurieren,
sie haben Admin-Rechte und können alles machen, auch Chats mitlesen“, sagt
Moreno. Anleitungen fänden sich zuhauf bei Youtube. Auch Apps für die
Dokumentation von Gewalt oder Notrufe könnten die Täter ausschalten.
Morenos Team zeigt Frauen Gegenstrategien – und schreibt Gutachten, in
denen sie auflisten, welche Geräte und Software sie bei Tätern gefunden
haben. Eine Strafbarkeit sei aber für Richter nicht immer klar, da sich die
Täter nicht in fremde Systeme hineinhacken. „Wir versuchen immer, ganz klar
darauf hinzuweisen, was für Frauen akut gefährlich sein kann“, sagt sie.
## Anliegen für Inneres
Ein innovativer Ansatz ist im Prinzip auch, dass es die Innensenatorin ist,
die zum Austausch eingeladen hat. Denn bisher ist das [8][Problem der
Gewalt gegen Frauen meistens bei den Frauen- und Familienministerien]
angesiedelt – obwohl es Straftatbestände sind, die unter die Begriffe
häusliche, partnerschaftliche und innerfamiliäre Gewalt fallen. Iris
Spranger (SPD) betont, dass ihr der Kampf dagegen ein „Herzensanliegen“
ist, das sie auch bei der Innenministerkonferenz Anfang Dezember besprechen
will.
Die Innensenatorin lässt es sich nicht nehmen, auf eigene Lieblingsprojekte
hinzuweisen: Eine Verlängerung des [9][Präventivgewahrsam werde „meist im
Zusammenhang mit Klimaaktivismus] diskutiert“. Wichtig sei das aber
auch bei Partnerschaftsgewalt. Genauso wie der [10][Einsatz von Polizisten
mit Bodycams in Wohnungen] – eine Forderung, die bisher an der Privatsphäre
scheiterte.
Inwiefern das hilft, bleibt offen. Spranger betont auch, dass mehrere
Senatsverwaltungen an dem Thema dran bleiben müssten. Sie sehe die
Veranstaltung nur als Auftakt. „Aber nächstes Mal“, sagt sie in Richtung
der Senatsverwaltung für Gleichstellung, „da seid ihr wieder dran“.
24 Nov 2023
## LINKS
[1] /Tag-gegen-Gewalt-an-Frauen/!5893769
[2] https://www.berlin.de/sen/inneres/sicherheit/innovation-wissenschaftsvernet…
[3] /Frauenhaeuser-in-Brandenburg/!5679436
[4] https://www.stop-stalking-berlin.de/de/home/
[5] https://www.berlin.de/sen/inneres/presse/pressemitteilungen/2022/pressemitt…
[6] https://www.dec112.at/stiller-notruf/
[7] /Digitale-Gewalt-gegen-Frauen/!5898710
[8] https://www.berlin.de/sen/asgiva/presse/pressemitteilungen/2023/pressemitte…
[9] /Praeventivgewahrsam-fuer-Klimaaktivisten/!5892173
[10] /Novelle-des-Berliner-Polizeigesetzes/!5969402
## AUTOREN
Uta Schleiermacher
## TAGS
Partnerschaftsgewalt
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