| # taz.de -- Initiative gegen Überwachung: Der Spion in der Handtasche | |
| > Airtags sind praktisch, um Sachen wiederzufinden. Die | |
| > Justizminister:innen der Länder wollen aber verhindern, dass man | |
| > Menschen nachspioniert. | |
| Bild: Überwachung als Lifestyle-Produkt | |
| Berlin taz | Wo ist der Schlüssel? Wo ist das Portemonnaie? Wo habe ich | |
| mein Fahrrad geparkt? Wer kennt ihn nicht, den Moment, der zu hektischem | |
| Suchen führt. Wie praktisch, dass es seit 2021 Airtags von Apple gibt. | |
| Diese kann man an Dingen befestigen, die man häufig verliert und damit | |
| leicht wiederfinden, weil der Airtag digitale Signale ausgibt. | |
| Dabei gibt es digitale Peilsender schon lange. So genannte GPS-Tracker | |
| wurden etwa benutzt, um Autos von Außendienstmitarbeitern zu orten. Doch | |
| sie konnten meist nur einige Tage genutzt werden. Und je länger die | |
| Laufzeit, desto größer und schwerer war die erforderliche Batterie. Ein | |
| GPS-Tracker konnte so bis zu 300 Gramm wiegen. | |
| Ganz anders der Airtag. Er ist nur so groß wie eine Zwei-Euro-Münze und | |
| wiegt lediglich elf Gramm. Eine Knopfzellen-Batterie sichert eine Laufzeit | |
| von rund einem Jahr. Und das Ding ist auch halbwegs erschwinglich und | |
| kostet nur etwas mehr als 30 Euro. Allerdings funktioniert dieses Produkt | |
| nur in Verbindung mit einem Smartphone von Apple. Über die „Wo ist?“-App | |
| des iPhones kann der Nutzer sehen, wie weit der Airtag (und damit der | |
| Schlüssel oder das Portemonnaie) entfernt ist und in welche Richtung man | |
| suchen soll. Auch wenn der Airtag am Arbeitsplatz oder im Zug | |
| liegengeblieben ist, wird der Standort angezeigt. | |
| Der Airtag ist so klein und leistungsstark, weil er sich nicht selbst mit | |
| dem GPS-Netz verbindet und daher keinen starken Sender braucht. Der Airtag | |
| verbindet sich über seine Ultrabreitbandsignale nur mit mobilen | |
| Apple-Geräten in der Nähe. Dies kann das eigene Mobiltelefon sein, aber | |
| auch das iPhone einer Spaziergänger:in, der die entlaufene Katze begegnet. | |
| Alle mobilen Apple-Geräte bilden so ein leistungsstarkes Finde-Netz. | |
| ## Kontrolle einer Person via Airtag bisher nicht strafbar | |
| Doch wie bei jeder effizienten Technologie gibt es auch | |
| Missbrauchsmöglichkeiten. So spionieren etwa Männer, die eine Trennung | |
| nicht akzeptieren, [1][ihrer Ex-Partnerin mit Hilfe von untergeschobenen | |
| Airtags hinterher.] Manchen genügt das Gefühl der Kontrolle, andere nutzen | |
| den Peilsender, um dem Opfer immer wieder an unerwarteten Orten | |
| aufzulauern. | |
| Dabei ist das Orten einer anderen Person mit Hilfe eines Peilsenders bisher | |
| nicht einmal strafbar. Die Justizministerkonferenz (Jumiko) der Länder hat | |
| im November daher Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) einstimmig | |
| aufgefordert, einen Regelungsvorschlag vorzulegen. Hier bestehe bisher eine | |
| Strafbarkeitslücke. Der Vorschlag kam von Hamburgs Justizsenatorin Anna | |
| Gallina (Grüne) und Bayerns Justizminister Georg Eisenrauch (CSU). | |
| Minister Buschmann zeigte sich auf taz-Nachfrage eher zurückhaltend. [2][Es | |
| gebe bereits Regelungen im Bundesdatenschutzgesetz], die „in der Praxis zu | |
| angemessenen Ergebnissen führen“. Die Norm, auf die Buschmann hinweist, hat | |
| jedoch viele Voraussetzungen, die alle umstritten sind. Die Länder gehen | |
| davon aus, dass sich daraus eher keine Strafbarkeit des heimlichen | |
| Trackings mit Peilsendern ergibt. Konkrete Gerichtsurteile kann auch | |
| Buschmann nicht nennen. | |
| Überhaupt sind bisher kaum reine Airtag-Fälle bei den Strafgerichten | |
| bekannt geworden. Der Jumiko wurde nur ein Fall aus Bayern präsentiert. | |
| Hier hatte ein Mann im Auto der getrennt lebenden Ehefrau und in Jacken der | |
| bei ihr wohnenden Kinder Airtags platziert. Als ihr dies nach Wochen | |
| auffiel, zeigte sie ihren Ehemann an. Das Amtsgericht München stellte das | |
| Verfahren am Ende gegen Geldauflage ein. | |
| ## Hamburg strebt gesetzliche Regelung an | |
| Hamburgs Justizsenatorin Anna Gallina sieht trotz der noch fehlenden Fälle | |
| Handlungsbedarf. „Vorausschauende Kriminalpolitik wartet mit der Lösung | |
| eines Problems nicht, bis die Lösung überfällig ist.“ Apple reagierte | |
| inzwischen auch auf die Vorwürfe, dass seine Airtags für [3][die heimliche | |
| überwachung anderer Menschen] missbraucht werden. Dabei setzt das | |
| Unternehmen vor allem auf technische Lösungen. So könne man das iPhone | |
| nutzen, um fremde Airtags im eigenen Haushalt aufzuspüren. Auch für | |
| Android-Smartphones gibt es inzwischen eine entsprechende App. | |
| Außerdem machen die Airtags Geräusche, wenn sie zu lange vom eigenen | |
| Besitzer getrennt sind. So können untergeschobene Airtags in einem fremden | |
| Haushalt ebenfalls auffallen. Allerdings lässt sich der Lautsprecher der | |
| Airtags auch relativ leicht zerstören, bevor man ihn zum Spionieren nutzt. | |
| In einer Stellungnahme von Apple hieß es ebenso deutlich wie hilflos: „Wir | |
| verurteilen jede bösartige Verwendung unserer Produkte auf das Schärfste.“ | |
| 26 Dec 2023 | |
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| ## AUTOREN | |
| Christian Rath | |
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