# taz.de -- Beratungsstellen in Schleswig-Holstein: Gewaltschutz ist kein Hobby | |
> Frauenhäuser und -beratungsstellen werden an vielen Orten nur von | |
> Ehrenamtlichen getragen. Die will der Landesverband Frauenberatung nun | |
> entlasten. | |
Bild: Wird immer noch ehrenamtlich organisiert: Beratung in einem Frauenhaus, h… | |
KIEL taz | „Ein Frauenhaus für den Kreis: Aufruf an ehrenamtlich engagierte | |
Frauen“ – [1][dieser Facebook-Post des Kreises Schleswig-Flensburg] aus dem | |
Jahr 2020 war für Katharina Wulf ein Weckruf. „[2][Es geht um Gewaltopfer], | |
und Frauenhäuser haben die höchste Schutzstufe, aber die Verantwortung | |
sollen Ehrenamtliche übernehmen“, sagt die Geschäftsführerin des | |
Landesverbandes Frauenberatung Schleswig-Holstein. „Diese Erwartungshaltung | |
ist nicht mehr zeitgemäß.“ | |
Der Landesverband will nun eine Gesellschaft gründen, die den Vereinen | |
einen Teil der organisatorischen Arbeit und Verantwortung abnimmt. Das soll | |
helfen, neue Freiwillige für das Ehrenamt zu finden. Denn die werden | |
dringend benötigt. | |
In einigen der 32 Beratungsstellen, die dem Landesverband angeschlossen | |
sind, sind seit Jahrzehnten dieselben Frauen auf den Vorstandsposten. | |
„Viele wären sehr froh, ihre Ämter abgeben zu können, finden aber keine | |
Nachfolgerinnen“, sagt Wulf. | |
Dass hinter den Frauenhäusern und -beratungsstellen ehrenamtlich getragene | |
Vereine stehen, ist historisch gewachsen: Als Folge der zweiten | |
Frauenbewegung gründeten sich nicht nur in Großstädten, sondern auch in | |
kleineren Orten Frauentreffs und Zentren, in denen sich politisch | |
Interessierte trafen – und [3][an die sich auch Gewaltbetroffene] wandten. | |
## Arbeit begann im Wohnzimmer | |
„Die Arbeit begann sozusagen bei den damaligen Aktivistinnen im Wohnzimmer | |
und ist im Lauf der Zeit immer professioneller geworden“, sagt Wulf. Denn | |
in den Beratungsstellen arbeiten inzwischen Fachfrauen, wie in der | |
Frauenberatung Nordfriesland, die 1985 gegründet wurde. | |
Heute beraten die Sozialpädagoginnen Frauen und Mädchen bei Fragen zu | |
sexueller Gewalt, begleiten Opfer zu Gerichtsprozessen und sind auch | |
Ansprechpersonen für Angehörige von Betroffenen. Nur die Strukturen | |
dahinter blieben gleich: Träger der Frauenberatung ist ein Verein mit | |
Ehrenamtlichen, die sich in ihrer Freizeit engagieren. „Sie engagieren sich | |
nicht, weil es ihr Hobby ist, sondern weil es ohne sie gar keine | |
Fachberatung gäbe.“ | |
Die Mitglieder des Landesverbandes haben daher eine Gesellschaft gegründet, | |
die als gemeinnützig eingestuft wird, eine gGmbH. Sie soll im Hintergrund | |
die Geschäfte führen, die inhaltliche Arbeit bleibt bei den Teams der | |
Beratungsstellen und Frauenhäuser. „Die Einrichtungen behalten ihr Gesicht, | |
ihren Namen, ihre Identität“, betont Wulf. | |
## Umstellung kostet Geld | |
Die Vereine entscheiden selbst, ob sie sich anschließen oder autonom | |
weitermachen. Die lokale Vereinsstruktur soll beibehalten werden: „Sie | |
können zu Fördervereinen werden, deren Mitglieder Zeit für inhaltliche | |
Dinge haben – Gespräche mit der Politik, [4][fachliche Debatten].“ Denn | |
niemand engagiere sich für Frauenarbeit, um Haushaltspläne und Anträge zu | |
schreiben, meint die Geschäftsführerin des Landesverbandes. | |
Es gibt nur ein Problem: Die Umstellung wird Geld kosten. Rund 150.000 | |
Euro, hat der Landesverband berechnet, würden für zwei Jahre gebraucht. | |
Nach diesem Zeitraum sollte der Übergang geschafft sein. | |
In der Folgezeit müssten die Beratungsstellen, die die Dienste der gGmbH in | |
Anspruch nehmen, dafür eine Verwaltungspauschale zahlen. Die müsste aus den | |
laufenden Haushalten erübrigt oder von den Kostenträgern – in | |
Schleswig-Holstein zahlen das Land und die Kommunen für die | |
Beratungsstellen und Frauenhäuser – zusätzlich gezahlt werden, fordert der | |
Landesverband. | |
## Vierzig Jahre ehrenamtliche Arbeit | |
Erste Gespräche mit dem Sozialministerium und den kommunalen | |
Spitzenverbänden verliefen hoffnungsvoll: „Beide haben grundsätzlich | |
Zustimmung zu der Idee signalisiert.“ Angesichts der schwierigen | |
Haushaltslage des Landes werden die Verhandlungen dennoch nicht einfach. | |
Aber Wulf sieht Argumente auf ihrer Seite: „Seit 40 Jahren haben die Frauen | |
ehrenamtlich gearbeitet. Wenn wir es jetzt in Rechnung stellen, hat die | |
öffentliche Hand trotzdem 40 Jahre lang Geld gespart.“ | |
7 Mar 2024 | |
## LINKS | |
[1] https://m.facebook.com/106192200812652/posts/350095566422313/ | |
[2] /Gewalt-gegen-Frauen/!5971581 | |
[3] /Panel-zu-Istanbul-Konvention/!5975119 | |
[4] /Strategien-gegen-Femizide/!5993264 | |
## AUTOREN | |
Esther Geißlinger | |
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