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# taz.de -- Digitalpolitikerin über Feminismus: „Technik kann sexistisch sei…
> SPD-Politikerin Anna Kassautzki befürwortet eine stärkere Regulierung von
> Meta, X und Co. Nur so könne man marginalisierte Gruppen vor Hass
> schützen.
Bild: SPD-Bundestagsabgeordnete Anna Kassautzki
taz: Frau Kassautzki, Sie sind Teil des Digitalausschusses und setzen sich
dort besonders für die Rechte von Frauen im Netz ein. Wie würde eine
gerechtere digitale Zukunft aussehen?
Anna Kassautzki: Eine gerechte Zukunft wäre eine Welt, in der Menschen
gleiche Chancen, Rechte und Zugang zu Wissen und Teilhabe haben, ganz egal
woher sie kommen, welches Geschlecht sie haben, wen sie lieben oder wie
viel Geld sie oder ihre Eltern haben. Das gilt in der analogen, wie in der
digitalen Welt. Wenn wir über Gerechtigkeit sprechen, dann ist es
schwierig, die analoge und digitale Welt voneinander zu trennen, denn unser
Leben findet in beiden statt. Trotzdem gibt es in der digitalen Welt
besondere Herausforderungen.
Welche sind das?
Daten spielen eine viel größere Rolle. Um zum Beispiel [1][Künstliche
Intelligenzen] und [2][Algorithmen] zu trainieren, brauchen wir große
Datenmengen. Wenn der verwendete Datensatz sehr männlich ist, dann erhalte
ich verzerrte Ergebnisse für Frauen. Es gibt Algorithmen, die
beispielsweise in Bewerbungsprozessen helfen und Kandidat*innen
aufgrund bestimmter Merkmalen, die nicht zur ausgeschriebenen Stelle
passen, aussortieren.
Wenn der Algorithmus aber nur mit Daten von weißen Personen gefüttert
worden ist, kann es sein, dass passende Bewerber*innen wegen ihrer
Hautfarbe nicht ausgewählt werden. Wir übertragen somit Diskriminierungen
von der analogen Welt in die digitale und das unter dem vermeintlichen
Deckmantel der Neutralität. Technik kann nämlich rassistisch, sexistisch
oder antisemitisch sein.
Wie kann man gegen solche Diskriminierungen vorgehen?
Wir müssen uns bewusst werden, dass es Verzerrungen gibt und Maßnahmen
dagegen ergreifen. Ich stecke Hoffnung in sogenannte synthetisierte
Datensätze. Ich füttere die KI dann mit Daten, die aus wahren
Personenprofilen bestehen und erfundenen Daten, die vorher festgelegten
Parametern folgen. Somit stelle ich eine gewisse Diversität sicher, sodass
diese Diskriminierungen aus der Vergangenheit nicht auch noch technisch
fortgeführt werden.
In der Digitalstrategie der Bundesregierung sprechen Sie von
„feministischer Digitalpolitik“. Wie definieren Sie diese?
Wir brauchen einen [3][vielfältigeren Blick auf Digitalpolitik]: Wer
entscheidet? Über wen wird entschieden? Und auf Basis welcher Daten trifft
man die Entscheidungen? In den Reihen der Entscheider*innen braucht es
mehr Frauen, aber auch andere marginalisierte Gruppen. Zudem müssen wir
Gruppen-spezifische Problemfelder ausloten. Hass im Netz zum Beispiel
trifft Frauen und BPoCs häufiger als weiße Männer.
Sprechen Sie mit Betroffenen?
Ich spreche mit einzelnen Betroffenen und bin im sehr engen Austausch mit
der digitalen Zivilgesellschaft, die uns immer wieder auf Fälle von Hass im
Netz, digitaler Gewalt, struktureller oder technischer Diskriminierung
hinweist. Es gibt einige Organisationen, die die feministische Perspektive
auf Digitalpolitik in den Vordergrund setzen. Wir sichten Daten, die
zeigen, wer sich wie im Netz bewegt, zum Beispiel. Wir schauen darauf,
welche Auswirkungen Gesetze auf verschiedene Gruppen haben können.
Wie divers ist der Digitalausschuss?
Da ist noch Luft nach oben. Im vergangenen Jahr haben wir uns als Frauen im
Ausschuss vernetzt und getroffen. Ich würde mich freuen, in der nächsten
Legislaturperiode in einem noch vielfältigeren Ausschuss zu sitzen.
In der Digitalstrategie sprechen Sie auch von „Machtstrukturen im digitalen
Wandel“. Was ist damit gemeint?
Wir müssen uns anschauen, wer Software und Hardware entwickelt. Ein ganz
klassisches Beispiel ist, dass Mobiltelefone oftmals für Frauen unbequemer
zu bedienen sind, da sie durchschnittlich kleinere Hände haben. Auch einige
Softwares zur Sprach- und Gesichtserkennung funktionieren bei Frauen
schlechter.
Das bedeutet, dass wir einerseits [4][mehr Frauen in die MINT-Berufe]
bekommen müssen, denn je diverser ein Team ist, desto mehr Perspektiven
sind schon in der Entwicklung abgebildet und eingebunden. Andererseits
braucht es ein gesamtgesellschaftliches Bewusstsein für inklusive
Technologie, damit der Wandel nicht auf den Schultern Einzelner lastet.
An welchem konkreten Projekt arbeiten Sie?
Also, eine Sache, die jetzt auf europäischer Ebene beschlossen wurde und
noch im Februar in Kraft tritt, ist [5][der Digital Services Act (DSA),] wo
es um die Regulierung von Plattformen geht und dadurch indirekt auch um
Hass im Netz. Gibt es sichere Räume im Netz? Kann ich mich im Netz
überhaupt frei bewegen?
Das ist ein Bereich, der überproportional Frauen betrifft, und
grundsätzlich marginalisierte Gruppen. Frauen bekommen ganz andere
Nachrichten als Männer, das bestätigen mir immer wieder andere Abgeordnete
und Freund*innen, die politisch aktiv sind.
Über den DSA hinaus, was braucht es, um Hass im Netz zu minimieren?
Ich habe das auch selbst erlebt, als ich im Wahlkampf nicht nur
Beleidigungen, sondern auch Morddrohungen bekommen habe. Was von der
Meinungsfreiheit gedeckt, gelöscht, nach NetzDG bei den Plattformen
gemeldet oder gar bei der Polizei angezeigt werden sollte, ist nicht immer
klar. Ein befreundeter Jurist konnte mir hierbei helfen, aber nicht alle
Menschen haben Jurist*innen in ihrem Freundeskreis. Da braucht es
einerseits mehr Aufklärung, welche Rechte ich im Netz habe und andererseits
eine Ausweitung der Strafverfolgung, damit wir Menschen tatsächlich vor
Gewalt im Netz schützen können.
Ganz konkret, wie kann eine Ausweitung der Strafverfolgung aussehen?
Wir brauchen auf Bundes- und Landesebene eine bessere technische und
personell ausgestattete Polizei. Mir geht es nicht um mehr Überwachung,
sondern darum, dass es genügend Ressourcen gibt, jede Anzeige im Internet,
die gestellt wird, auch verfolgt werden kann.
Denn mir bricht immer ein wenig das Herz, wenn Leute Hassnachrichten nicht
anzeigen, weil sie nicht an Konsequenzen glauben. Auch die Plattformen
müssen mitziehen, eine vernünftige Moderation einführen und bessere
Arbeitsbedingungen und psychologische Betreuung für die Mitarbeitenden
schaffen, die sich täglich gemeldete Bilder und Videos anschauen müssen.
Um Kindesmissbrauch im Netz zu verhindern, will die EU eine Chatkontrolle
einführen. Kritiker*innen sehen darin den Beginn einer totalen
Überwachung im Netz. Ist eine Chat-Kontrolle ein guter Schutz?
Kindesmissbrauch ist eines der widerwärtigsten Verbrechen, die man sich
vorstellen kann. Es ist mir ein wichtiges Anliegen, Kinder im Netz zu
schützen. Die Chatkontrolle ist aber nicht die Lösung. Wir brauchen nicht
mehr Überwachung im Netz, sondern mehr präventive Maßnahmen. Jeder
Darstellung von Kindesmissbrauch geht ein Kindesmissbrauch voraus in der
analogen Welt, und das ist der Punkt, wo wir zuallererst ansetzen müssen.
Die meisten Übergriffe auf Kinder finden immer noch im sozialen Nahbereich
statt, gleichzeitig denken die allermeisten Menschen, dass es in ihrem
eigenen Umfeld nicht sein kann. Es braucht mehr Aufklärung über Missbräuche
im Privaten, die Stärkung von Kinderrechten, aber auch mehr Medienbildung
für Familien und Schulungen für Lehrkräfte. Die Chatkontrolle wäre ein
unverhältnismäßiger Grundrechtseingriff, ein faktisches Aufbrechen von
Verschlüsselung und Abschaffung des Rechts auf private Kommunikation.
22 Feb 2024
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## AUTOREN
Anastasia Zejneli
## TAGS
Soziale Medien
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Partnerschaftsgewalt
Schwerpunkt Überwachung
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