| # taz.de -- Massenüberwachung im Netz: Streit über Chatkontrolle geht weiter | |
| > Die geplante EU-Verordnung zur Massenüberwachung im Netz verzögert sich. | |
| > Nicht einmal die Bundesregierung kann sich auf eine Position | |
| > verständigen. | |
| Bild: Der Eingriff in die Privatsphäre sei nicht verhältnismäßig, sagen Exp… | |
| Berlin taz | Man kennt sie, die schockierenden Berichte über sexualisierte | |
| Gewalt an Kindern. Gerade im Netz scheinen derartige Darstellungen häufiger | |
| zu werden. In der Hoffnung, Täter:innen schneller zu identifizieren, hat | |
| die [1][EU-Kommission im vergangenen Jahr eine Verordnung mit | |
| Überwachungsbefugnissen in nie gekanntem Ausmaß] vorgeschlagen. | |
| Der gesamte Datenverkehr im Netz solle auf Darstellungen sexualisierter | |
| Gewalt an Kindern und sexuell motivierte Kontaktaufnahme mit Minderjährigen | |
| gescannt werden. Auch verschlüsselte Kommunikation und verschlüsselte | |
| Speicher sollen davon nicht ausgenommen sein. Die Überwachung würde somit | |
| nicht nur Verdächtige, sondern alle Menschen in der EU betreffen. | |
| Der Vorschlag zog einen Sturm der Empörung nach sich. Kinderschützer:innen, | |
| Wirtschaft, IT-Fachleute, Bürgerrechtler:innen [2][lehnen die | |
| Chatkontrolle in seltener Einmütigkeit ab.] Der Eingriff in die | |
| Privatsphäre sei nicht verhältnismäßig, der Vorschlag technisch nicht | |
| umsetzbar und außerdem nicht zielführend für die Bekämpfung sexualisierter | |
| Gewalt. | |
| ## FDP will unverschlüsselte Kommunikation schützen | |
| Eigentlich wollten sich die EU-Mitgliedstaaten Ende September auf eine | |
| gemeinsame Position verständigen. Doch daraus wurde nichts. Auf Betreiben | |
| Deutschlands wurde die Abstimmung über den Entwurf wieder von der | |
| Tagesordnung des verantwortlichen Ausschusses gestrichen. Das bestätigt das | |
| Innenministerium der taz. Wie es heißt, habe der Widerstand in den | |
| Mitgliedstaaten zugenommen. Es sei absehbar gewesen, dass der Vorschlag | |
| nicht die erforderliche Mehrheit erreichen würde. Neben Deutschland stellen | |
| sich mittlerweile auch Österreich, Polen, Schweden und die Niederlande | |
| gegen die Verordnung. | |
| Auch die Bundesregierung ist sich bisher nur bei der Ablehnung des Entwurfs | |
| einig. Bei den Verbesserungsvorschlägen sind die Fronten zwischen Innen- | |
| und Justizministerium aber weiter verhärtet. Unstrittig ist, dass | |
| verschlüsselte Kommunikation, also beispielsweise Messenger-Dienste wie | |
| Whatsapp oder Signal, von der Überwachung ausgenommen sein soll. | |
| Das betonte Anfang Oktober eine Sprecherin des sozialdemokratisch geführten | |
| Innenministeriums auf taz-Anfrage: „Maßnahmen, die zu einem Bruch, einer | |
| Schwächung, einer Modifikation oder einer Umgehung von | |
| Ende-zu-Ende-verschlüsselter Kommunikation führen, schließen wir | |
| ausdrücklich aus.“ Schon im April dieses Jahres habe man entsprechende | |
| Forderungen nach Brüssel übermittelt. | |
| Doch die gehen der FDP nicht weit genug. Justizminister Marco Buschmann | |
| will unbedingt verhindern, dass unverschlüsselte private Kommunikation, zum | |
| Beispiel E-Mails, und Cloudspeicher, überwacht werden. Aus | |
| Regierungskreisen hieß es Anfang Oktober, das Justizministerium werbe im | |
| Kreis der Minister:innen weiter für die FDP-Position. | |
| Die entspricht dem rot-grün-gelben Koalitionsvertrag, in dem vereinbart | |
| ist, Maßnahmen zum Scannen privater Kommunikation abzulehnen – ganz gleich, | |
| ob verschlüsselt oder unverschlüsselt. Geeinigt hat sich die Ampel trotzdem | |
| noch immer nicht. | |
| ## Dichtes Lobbygeflecht rund um Chatkontrolle | |
| Befeuert wird der Streit von [3][Recherchen mehrerer Medien, die das | |
| Lobbygeflecht rund um die Chatkontrolle] aufzeigen. Besonders die | |
| verantwortliche EU-Kommissarin Ylva Johansson habe demnach die Nähe von | |
| Lobbyorganisationen gesucht, die unter dem Deckmantel des Kinderschutzes | |
| ein wirtschaftliches Interesse an der Chatkontrolle haben. So seien sie an | |
| Unternehmen beteiligt, die Technik für das Scannen von Kommunikationsdaten | |
| entwickeln. | |
| Seit der Entwurf im vergangenen Jahr veröffentlicht wurde, kritisieren | |
| Fachleute, dass manche der geplanten Maßnahmen nach derzeitigem Stand der | |
| Technik nicht realistisch seien. Alle heute verfügbaren Systeme, die die | |
| riesigen Mengen an Kommunikationsdaten auswerten könnten, haben | |
| Fehlerquoten. | |
| Selbst wenn die nur bei wenigen Prozent liegen, bedeutet das für [4][die | |
| Ermittlungsbehörden Millionen von fehlerhaften Meldungen täglich] – ein | |
| kaum zu bewältigender Aufwand für Behörden, die schon heute nicht allen | |
| Hinweisen auf Gewaltdarstellungen im Netz nachgehen können, weil sie häufig | |
| unterbesetzt und unterfinanziert sind. | |
| ## Europol will Chatkontrolle ausweiten | |
| Befürchtungen gibt es auch, dass die Chatkontrolle nach der Verabschiedung | |
| auf andere Bereiche ausgedehnt werden könnte. Den Lobby-Recherchen zufolge | |
| hat die europäische Polizeibehörde Europol bei der EU-Kommission bereits | |
| gefordert, die Onlinekommunikation auch auf terroristische Inhalte hin | |
| auszuwerten. Außerdem wollen die Beamt:innen [5][alle | |
| Kommunikationsdaten zur Verfügung haben, um sie unter anderem zum Training | |
| von Algorithmen zu verwenden]. | |
| Wie es aus Regierungskreisen heißt, hat die Bundesregierung Ende September | |
| vorgeschlagen, die Regelungen zur Chatkontrolle aus dem Entwurf | |
| herauszulösen und gesondert zu diskutieren. | |
| Ein [6][Schreiben der spanischen EU-Ratspräsidentschaft, über das zuerst | |
| das Nachrichtenportal Euractiv berichtete,] schlägt hingegen einen anderen | |
| Kompromiss vor: Zunächst sollen die Kommunikationsdaten nur auf bereits | |
| bekannte Missbrauchsdarstellungen gescannt werden, was technisch einfacher | |
| umzusetzen wäre. Der Vorschlag würde für verschlüsselte wie für | |
| unverschlüsselte Kommunikation gelten. Das Problem der anlasslosen | |
| Massenüberwachung wäre damit aber nicht gelöst. | |
| Als mögliches Verhandlungsdatum im verantwortlichen Ausschuss steht der 19. | |
| Oktober im Raum, bislang ist der Punkt auf der Tagesordnung aber nur als | |
| vorläufig vermerkt. Erst dann können die Trilog-Verhandlungen zwischen Rat, | |
| Kommission und EU-Parlament beginnen. | |
| 13 Oct 2023 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Plaene-der-EU-Kommission/!5852598 | |
| [2] /EU-Plan-in-der-Kritik/!5934442 | |
| [3] https://balkaninsight.com/2023/09/25/who-benefits-inside-the-eus-fight-over… | |
| [4] https://netzpolitik.org/2022/geleakter-bericht-eu-kommission-nimmt-hohe-feh… | |
| [5] https://netzpolitik.org/2023/interne-dokumente-europol-will-chatkontrolle-d… | |
| [6] https://www.euractiv.de/section/digitale-agenda/news/kindesmissbrauch-ratsp… | |
| ## AUTOREN | |
| Jana Ballweber | |
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| Schwerpunkt Überwachung | |
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