# taz.de -- Andreas Jung (CDU) über Klimapolitik: „Die Ampel hat eine Chance… | |
> Andreas Jung, stellvertretender CDU-Bundesvorsitzender, findet die | |
> Klimapolitik der Ampel zu wenig sozial. Und sagt, was die CDU anders | |
> machen würde. | |
Bild: Andreas Jung (CDU!) findet die Klimapolitik der Ampel nicht sozial genug.… | |
taz: Herr Jung, die Hälfte der laufenden Legislaturperiode ist rum. Wie | |
bewerten Sie die Klimapolitik der Ampel? | |
Andreas Jung: Die Akzeptanz für Klimaschutz ist im vergangenen Jahr | |
geradezu eingebrochen. Das ist leider die Zwischenbilanz der | |
Bundesregierung. Die Ampel hat eine große Chance vertan. Die drei Parteien | |
hätten als Partner, die in der Tendenz jeweils für Soziales, Ökologie und | |
Wirtschaft stehen, diese Dimensionen produktiv zusammenführen können. Es | |
ist aber genau das Gegenteil passiert. | |
Inwiefern? | |
Olaf Scholz hat die Klimapolitik den Grünen überlassen, entgegen seinen | |
„Klimakanzler“-Wahlplakaten und ungeachtet eines von der FDP propagierten | |
„klimapolitischen Neustarts“. Und die Grünen wiederum haben bei der | |
Klimapolitik eine soziale Flanke entstehen lassen. Klimapolitik muss aber | |
unbedingt zusammen mit der sozialen Frage gedacht werden. Und sie muss von | |
vorneherein untrennbar mit der Wirtschaft verzahnt sein. Beides ist | |
entscheidend für die Akzeptanz. | |
Wie kann [1][Akzeptanz für Klimapolitik] Ihrer Meinung nach zurückgewonnen | |
werden? | |
Es wäre von hohem Wert, wenn wir einen Klimakonsens über die Grenzen der | |
jeweiligen Regierung und Opposition hinaus hätten. Seit sich auch Grüne und | |
FDP der von der Großen Koalition normierten Klimaneutralität bis 2045 | |
angeschlossen haben, gibt es ein gemeinsames Ziel. Daraus folgt auch eine | |
gemeinsame Verantwortung, die Weichen zum Erreichen zu stellen. Ein breiter | |
Schulterschluss von Bund, Ländern und Kommunen ist jetzt möglich. Die Zeit | |
dafür ist reif. Und sie drängt. | |
Was würde so ein Klimakonsens bringen? | |
Die Klarheit, dass alle an einem Strang ziehen: Nicht jeder zeigt auf den | |
anderen, sondern alle leisten ihren Beitrag. Es geht ja um | |
Generationenentscheidungen in den Familien, um gewaltige Investitionen für | |
eine klimaneutrale Industrie. Das muss sich langfristig rechnen. Für all | |
das braucht es einen belastbaren Rahmen über die Halbwertzeit einer | |
Regierung hinaus. Wir drängen auf die richtigen Weichenstellungen und wir | |
sind zur Zusammenarbeit dafür bereit. Die tragenden Säulen dabei müssen | |
Konsequenz und Pragmatismus sein, mit einer Technologie- und | |
Forschungsoffensive ohne Scheuklappen. Bei der CO2-Bepreisung hatten wir ja | |
im Vermittlungsausschuss schon mal so etwas wie einen Konsens. | |
[2][Der CO2-Preis] verteuert Sprit und das Heizen. Ursprünglich sollte es | |
einen Ausgleich dafür geben. Aber [3][das versprochene Klimageld] kommt | |
nicht. Ist der CO2-Preis der richtige Weg? | |
Wir als Union haben ein besonderes Zutrauen in dieses marktwirtschaftliche | |
Instrument. Wo es wie bei Industrie und Energie einen echten | |
Emissionshandel gibt, haben wir die Ziele punktgenau erreicht. In diese | |
Richtung muss es bei Verkehr und Gebäuden auch gehen. Das geht aber nur mit | |
einem überzeugenden sozialen Ausgleich. Es geht ja um effizienten | |
Klimaschutz, nicht um mehr Staatseinnahmen. Was die Ampel macht, untergräbt | |
dagegen die Glaubwürdigkeit der CO2-Bepreisung: Ein Klimageld versprechen, | |
die Umsetzung verschleppen und die Einnahmen anderweitig verplanen. Auch | |
beim Gebäudeenergiegesetz hat die Regierung neue Regeln beschlossen, aber | |
die Förderung neuer Heizungen ist noch immer nicht in trockenen Tüchern. | |
Welchen Anteil hat die Union daran, dass die Akzeptanz für Klimapolitik | |
schwindet? Beim [4][Streit übers Heizungsgesetz] haben auch Unionspolitiker | |
kräftig Stimmung gemacht. | |
Schlechte Stimmung gab es, weil die Menschen Angst bekommen hatten, dass | |
sie die Anforderungen nicht schultern können. Das lag nicht nur an der | |
schlechten Kommunikation der Ampel, sondern auch an den vorgeschlagenen | |
Regelungen und der Art, wie sie durchgedrückt werden sollten. Dem haben wir | |
unseren Ansatz entgegengestellt: Schrittweise CO2-Bepreisung mit | |
Sozialausgleich, verlässliche Förderung, kommunale Wärmeplanung und eine | |
technologieoffene Strategie der Ermöglichung. Daraus hätte eine produktive | |
Debatte um das bessere Konzept werden können. Das ist so nicht gelungen. | |
Auch bei uns gab es einzelne Überdrehungen, die wir zurückweisen mussten. | |
Kann denn die Union überhaupt mit Klimapolitik punkten? | |
Die Bekämpfung des Klimawandels ist eine herausragende Zukunftsfrage. | |
Deshalb braucht die CDU selbstverständlich eine gute Antwort darauf, ein | |
glaubwürdiges Konzept. Das ist entscheidend für unsere Zukunftsfähigkeit | |
als Volkspartei. Die „Aufforstung“ unserer Klimapolitik muss also | |
weitergehen. Wir haben ein Klimaschutzgesetz auf den Weg gebracht und klare | |
Jahresziele zur CO2-Reduktion gesetzt mit der Verpflichtung: Wenn das Ziel | |
verfehlt wird, muss die Lücke sofort mit zusätzlichen Maßnahmen geschlossen | |
werden. Den Grünen war das nicht hart genug. Mir hätte deshalb die Fantasie | |
gefehlt, dass eine Regierung unter Beteiligung der Grünen dieses | |
Klimaschutzgesetz nicht nur aufweicht, sondern entkernt. Denn die von der | |
Ampel beabsichtigte Streichung der sofortigen Nachsteuerpflicht ist eine | |
Entkernung: Verlässliche Zielerreichung wird so konterkariert. Früher | |
hätten die Grünen auf allen Marktplätzen dagegen demonstriert. | |
Wenn die Union die nächste Bundestagswahl gewinnt, wird der [5][Rückbau der | |
deutschen Atomkraftwerke] gestoppt? | |
Wir hätten im April nicht abgestellt, und wir wenden uns folglich jetzt | |
auch gegen den Rückbau. In der Energiekrise würden wir, wo es technisch | |
geht, zur Sicherung der Versorgung, zur Vermeidung von CO2 durch Braunkohle | |
und zur Stabilisierung der Preise wieder hochfahren. Die Positionierung zur | |
Bundestagswahl wird von zwei Fragen abhängen: Sind wir dann noch in der | |
Energiekrise? Und ist eine Wiederinbetriebnahme dann technisch und | |
praktisch noch möglich? Je länger es geht, desto schwieriger wird das – | |
zumal die Ampel den Rückbau ja gerade nicht stoppt und nichts dafür tut, | |
die Option offen zu halten. | |
Aber was will die CDU? | |
Wir wollen gut durch die Krise kommen, und gleichzeitig müssen wir die | |
Frage nach der Energie der Zukunft beantworten. Unsere Säulen für | |
klimaneutrale Energie und Industrie sind Energieeffizienz, erneuerbare | |
Energien, Wasserstoff, CO2-Kreisläufe. Und als Brücke brauchen wir | |
wasserstofffähige Gaskraftwerke. Wir müssen für das Jahr 2045 ein | |
glaubwürdiges Konzept haben mit Technologien, die es verlässlich gibt. | |
Gleichzeitig sind wir immer offen für Forschung und Entwicklung. Wir wollen | |
bei Innovationen an der Spitze stehen. Es gibt nicht nur bei der Kernfusion | |
intensive Forschung, sondern auch bei neuer Kernenergie. Manche erwarten | |
kommende Kraftwerk-Generationen quasi ohne Risiken und ohne Atommüll. | |
Sollte sich das bestätigen, würde das natürlich die Spielregeln verändern. | |
Deshalb muss weitergeforscht werden, auch bei uns. Aber bislang ist das | |
eben eine Erwartung, nichts, was man schon umsetzen könnte. | |
Glauben Sie, wir kommen gut über den Winter, und ist die Verlängerung | |
[6][der Preisbremsen] für Gas und Strom richtig? | |
Wir nehmen Klaus Müller, den Präsidenten der Bundesnetzagentur, ernst: Er | |
beschreibt einen sehr kalten Winter als „Restrisiko“. Der Kelch kann an uns | |
vorübergehen, aber es kann auch frostig werden – und dann spitzt es sich | |
wieder zu. Ich halte die Verlängerung der Preisbremsen deshalb für | |
nachvollziehbar. Die Bundesregierung begründet das ja mit der Unsicherheit: | |
Sollte es Engpässe geben, würden auch die Preise wieder steigen. | |
Aber? | |
Es ist doch widersprüchlich, dass die Bundesregierung sagt: Es gibt | |
Unsicherheiten im nächsten Winter, deshalb verlängern wir die Preisbremse. | |
Aber die ermäßigte Mehrwertsteuer auf Gas, die eigentlich bis April gelten | |
sollte, wird nun schon zu Jahresbeginn wieder von 7 auf 19 Prozent erhöht, | |
mitten in dem möglicherweise kritischen Winter. Da ist sie wieder: die | |
soziale Schieflage der Ampel. | |
6 Nov 2023 | |
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## AUTOREN | |
Anja Krüger | |
Cem-Odos Güler | |
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