# taz.de -- Klimageld für soziale Gerechtigkeit: Soziale Ignoranz | |
> Das Klimageld soll die Kosten der Transformation gerechter verteilen. | |
> Dass nun auch Robert Habeck auf die Bremse tritt, ist fatal. | |
Bild: Erst mal gibt es kein Klimageld, verkündet Robert Habeck | |
Die Ampelregierung schiebt [1][das versprochene Klimageld] auf die lange | |
Bank – und das ist ein großer Fehler. Denn sie untergräbt damit das | |
Vertrauen, dass der Umbau des Landes, der für das Erreichen der Klimaziele | |
nötig ist, sozial gerecht erfolgt. So mobilisiert die Ampel die Abwehr | |
gegen diese nötige Transformation. | |
Völlig zu Recht haben die Aktivist:innen von Fridays for Future die | |
Forderung nach der schnellen Einführung eines Klimageldes ganz nach vorne | |
geschoben. Im Gegensatz zur Bundesregierung ist ihnen klar, dass es ohne | |
eine unmittelbar wirksame soziale Abfederung keine Akzeptanz für | |
klimapolitische Vorhaben geben wird. | |
Vor der Bundestagswahl hatten Grüne, aber auch SPD und FDP einen | |
finanziellen Ausgleich für höhere Kosten für Sprit und fossile Wärmeenergie | |
versprochen. Im [2][Koalitionsvertrag kündigten sie] einen „sozialen | |
Kompensationsmechanismus“ an, den sie Klimageld nennen. Die Idee: | |
Bürger:innen bekommen einen festen Betrag als Ausgleich für die höheren | |
Preise. Und dass die steigen, ist politisch gewollt. Denn für Sprit und | |
fossile Heizenergie ist ein spezieller Co2-Preis zu zahlen. | |
Die Bundesregierung wird diesen Preis zum 1. Januar von 30 auf 40 Euro | |
erhöhen, in einem zweiten Schritt auf 50 Euro ab 2025. Knapp 11 Milliarden | |
Euro erwartet der Bund im Jahr 2024 an Einnahmen. Branchenexperten rechnen | |
pro Liter Sprit mit einer Erhöhung von vier Cent durch einen CO2-Preis von | |
40 Euro. Etliche weitere Preise werden steigen, denn Waren müssen | |
transportiert werden. | |
## Ampel will das Klimageld schlicht nicht | |
Doch das versprochene Klimageld kommt nicht: Das Bundesfinanzministerium | |
arbeite an einem Mechanismus, der das in einigen Jahren ermöglichen würde, | |
heißt es. Angeblich ist das Problem, an die IBAN-Nummern der | |
Bürger:innen zu kommen. Aber das es wirklich daran hakt, ist wenig | |
glaubhaft. Denn die Regierung hat keinerlei Gegenfinanzierungspläne für das | |
Klimageld. | |
Die Einnahmen aus dem CO2-Preis fließen in den Klima- und | |
Transformationsfonds. Aus dem sollen unter anderem Projekte für den | |
klimagerechten Umbau der Wirtschaft und die Förderung des Heizungstauschs | |
in Wohngebäuden finanziert werden – und eigentlich das Klimageld. | |
Vor Kurzem hat die Regierung den Finanzierungsplan für den Klimafonds | |
vorgelegt. Er sieht Ausgaben von mehr als 200 Milliarden Euro bis 2027 vor | |
– aber keinen einzigen Cent für das Klimageld. Es wird in absehbarer Zeit | |
also keinen Ausgleich geben; die Ampel will ihn schlicht nicht. Das gilt | |
auch, wenn schlaue IT-Tüftler:innen dem Finanzminister übermorgen eine | |
technische Lösung für die Auszahlung präsentieren sollten. | |
## Die Nachbarn machen es besser | |
Für Haushalte mit niedrigerem Einkommen ist das bitter. Sie müssen bei | |
steigenden CO2-Preisen einen höheren Anteil von ihrem Geld für die Nutzung | |
fossiler Energien aufbringen als Wohlhabende. Wer durch seinen Verbrauch | |
weniger C02-Emissionen bewirkt, etwa weil er oder sie weniger heizt oder | |
Auto fährt, würde von einem erhaltenen Klimageld mehr Geld übrig behalten | |
als diejenigen, die viel fahren und heizen. | |
Die Nachbarn sind weiter. In Österreich, wo die Grünen mit der | |
konservativen ÖVP regieren, bekommen Bürger:innen seit 2022 einen | |
sogenannten Klimabonus als Abfederung für den dort ebenfalls erhobenen | |
CO2-Preis. Er wird auf ein Konto überwiesen, wenn dafür bei den | |
Finanzbehörden eine Nummer hinterlegt ist. Ist das nicht der Fall, kommt | |
der Bonus per Post. Er beträgt bei Erwachsenen zwischen 110 Euro und 220 | |
Euro – je nach Region. | |
Wer auf dem Land wohnt, bekommt mehr als die Personen, die in einer | |
Großstadt mit gut ausgebautem öffentlichen Nahverkehr leben. In der Schweiz | |
werden die meisten Einnahmen aus dem CO2-Preis über die Krankenversicherung | |
an die Bürger:innen zurückgegeben. | |
## Habeck verspielt Vertrauen | |
In Deutschland dagegen diskutiert die Bundesregierung noch gar nicht über | |
Modelle oder Beträge. [3][Grünen-Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck | |
hat vor Kurzem erklärt], dass die Einkünfte aus dem CO2-Preis viel zu | |
niedrig seien, um jetzt schon eine Rückgabe an die Bürger:innen in | |
Erwägung zu ziehen. Die soll es nach seinen Vorstellungen erst dann geben, | |
wenn der Preis sehr viel höher ist. | |
Mit solchen Aussagen verspielt Habeck weiteres Vertrauen in die soziale | |
Glaubwürdigkeit der Regierung – und die hat durch die Diskussion um das | |
Heizungsgesetz ohnehin schon enorm gelitten. Bei der Förderung des | |
Heizungstausches bekommen Reiche genauso viel wie Durchschnittsverdienende, | |
finanziert mit dem Geld aus dem CO2-Preis, den alle zahlen. | |
Das ist Umverteilung von unten nach oben. Das Klimageld würde die Kosten | |
der Transformation gerechter verteilen. Die Einführung nicht sofort | |
anzugehen, sondern ins Irgendwann zu schieben, ist ein fatales Signal. Wie | |
in der Diskussion über das Heizungsgesetz zeigt die Bundesregierung eine | |
kaum zu fassende soziale Ignoranz: Sie versucht gar nicht erst, | |
Bürger:innen für den anstehenden Umbau zu gewinnen. | |
## Ohne Korrektur keine Akzeptanz | |
Die Ampel braucht einen sozialpolitischen Befreiungsschlag. Sie muss | |
zeigen, dass ihr die finanziellen Sorgen der Bürger:innen und deren | |
Zukunftsängste nicht egal sind. Ohne eine Kurskorrektur wird es keine | |
Akzeptanz für den klimagerechten Umbau geben, der ja gerade erst anfängt. | |
Und nicht nur das: In vielen Umfragen ist die AfD bei der Sonntagsfrage für | |
die Bundestagswahl die stärkste Partei, wenn CDU und CSU nicht | |
zusammengerechnet werden. Das sollte die Ampel alarmieren. | |
Das Klimageld ist sicher nicht die Lösung für alles – um die Transformation | |
sozial abzufedern, ist mehr nötig. Aber es könnte ein Aufschlag für eine | |
Stimmungswende sein – allerdings nur, wenn es schnell kommt und nicht erst | |
nach der nächsten Bundestagswahl. Macht die Regierung einfach weiter wie | |
bisher, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass danach Parteien an der Macht | |
sind, die die klimapolitischen Fortschritte der Ampel einfach wegfegen. | |
26 Sep 2023 | |
## LINKS | |
[1] /Klimaaktivismus-vor-dem-Kanzleramt/!5955198 | |
[2] https://www.spd.de/fileadmin/Dokumente/Koalitionsvertrag/Koalitionsvertrag_… | |
[3] https://fridaysforfuture.de/klimageld-wieso-weshalb-warum/ | |
## AUTOREN | |
Anja Krüger | |
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