# taz.de -- Dritter Weg in Berlin: Neonazis auf Konfrontationskurs | |
> Eine kleine Gruppe Neonazis des Dritten Weg verübt immer mehr Straftaten. | |
> Die Gesellschaft müsse einschreiten, fordern zivilgesellschaftliche | |
> Akteure. | |
Bild: Nicht viele, aber gefährlich: Neonazis des Dritten Wegs bei einer Demons… | |
BERLIN taz | Die neonazistische Kleinstpartei „Dritte Weg“ und ihre | |
Jugendorganisation „Nationalrevolutionäre Jugend“ (NRJ) gehen in Berlin | |
zunehmend auf Konfrontationskurs. Anfang Juli tauchte eine vierköpfige | |
Gruppe in Kleidung der NRJ vor dem Sommerbad Pankow auf und pöbelte | |
Menschen an, die sie für Migrant*innen hielten. Nur wenige Tage später | |
griffen zehn Nazis in Parteikleidung der NRJ und des Dritten Wegs das linke | |
Hausprojekt AJZ Kita in Hellersdorf mit Pyrotechnik an. | |
Während des diesjährigen Christopher Street Day (CSD) lauerten | |
[1][Angehörige des Dritten Wegs und der NRJ mit Flaschen bewaffnet] | |
Feiernden auf und bedrängten sie. Am gleichen Tag wurde [2][am Fernsehturm | |
ein homofeindliches Banner] angebracht. Darauf zu lesen war unter anderem | |
die römische Ziffer „III“. | |
Auch die Zahlen der [3][Berliner Registe]r spiegeln diese Entwicklung | |
wider. Bereits seit einigen Jahren steigen die gemeldeten Vorfälle mit | |
Bezug zum Dritten Weg an: von 77 im Jahr 2019 auf 524 im vergangenen Jahr | |
und bereits 314 bis Mitte dieses Jahres. Damit trägt der Dritte Weg | |
maßgeblich zu einem berlinweiten Trend bei: seit etwa eineinhalb Jahren | |
steigen die Zahlen gemeldeter rechtsextremer Vorfälle erheblich, auch die | |
für Beleidigungen, Bedrohungen, Pöbeleien sowie körperliche Angriffe. | |
Anne Schönfeld vom [4][Register Marzahn-Hellersdorf], einer Meldestelle für | |
Rechtsextremismus und Diskriminierung, warnt: „Die Aggressivität hat | |
zugenommen. Die Situation ist alarmierend.“ Gerade die jüngsten Aktionen | |
zeigten eine „Massivität, die es so lange nicht mehr gab“. Besonders | |
dramatisch sei die Lage in Marzahn-Hellersdorf. Wurden hier im vergangenen | |
Jahr noch 365 Vorfälle gemeldet, waren es bereits 250 bis Mitte dieses | |
Jahres. Rund die Hälfte davon sei dem Dritten Weg zuzuordnen, so Schönfeld. | |
Für sie ist klar: „Irgendwas muss unternommen werden, damit es nicht zu | |
schwerwiegenderen Angriffen kommt.“ | |
## Berlin-Brandenburg-Vernetzung bedeutsam | |
Lola von der [5][Jugend Antifa Platte (JAP)], die sich seit 2021 gegen das | |
Erstarken des Dritten Weg in Marzahn-Hellersdorf organisiert, teilt | |
Schönfelds Einschätzung. „Die trauen sich, mit mehreren Personen bei Demos | |
aufzutauchen, zu pöbeln, zu filmen, den Frontblock anzugreifen. Wenn sich | |
dem nicht entgegengestellt wird und die sich weiter so sicher fühlen, | |
werden die das weiter ausbauen“, sagt sie. | |
Wie groß die Gruppe in Berlin ist, können weder sie noch Schönfeld genau | |
sagen. Insgesamt seien es [6][„nicht so viele“], sagt Lola. Einige | |
Personen, wie der [7][Pankower Neonazi und NRJ-Führungskader Erik S.] | |
würden regelmäßig in Erscheinung treten. Und oft seien auch Mitglieder aus | |
Brandenburg an den Aktionen beteiligt, vor allem aus der Region | |
Märkisch-Oderland. Tom Kurz von der [8][Beratungsstelle für Opfer rechter | |
Gewalt in Strausberg] bestätigt das. „Die Akteure treten bei uns nicht mehr | |
so stark auf, aber fahren regelmäßig nach Berlin.“ | |
Der Telegram-Kanal des Dritten Weg in Berlin und Brandenburg hat 659 | |
Abonnent*innen. Es ist aber davon auszugehen, dass nur wenige davon | |
tatsächlich in den Strukturen aktiv sind. Im Bereich MOL seien es 5, sagt | |
Kurz. Im Jahr 2022 waren es in ganz Brandenburg laut Verfassungsschutz 60 | |
Personen. Darunter auch der in Angermünde lebende, mehrfach vorbestrafte | |
[9][Parteivorsitzende, Neonazi und NSU-Kontaktmann Matthias Fischer]. Der | |
Berliner Verfassungsschutz ordnete der Gruppe im Jahr 2022 80 Personen zu. | |
Aus den Verfassungsschutzberichten beider Länder geht hervor, dass der | |
Dritte Weg seit 2021 wächst, während das gesamte rechtsextreme Spektrum – | |
in Berlin etwa 1.450 Personen, in Brandenburg etwa 2850 Personen – seit | |
Jahren stagniert. Der Dritte Weg sammelt demnach trotz seiner Propaganda | |
vor allem Personen aus anderen rechtsextremen Strukturen ein. | |
## Neonazis im wahrsten Sinne des Wortes | |
Auch in Strausberg sei das zu beobachten, so Kurz. Die dort früher aktive | |
„Division MOL“, der auch Erik S. angehörte, sei in den letzten Jahren in | |
dem Dritten Weg aufgegangen, erklärt er. Die aktionsorientierte | |
Jugendarbeit sei ein Grund, weshalb sich junge Neonazis zum Dritten Weg | |
orientierten. Ein anderer sei der Bedeutungsverlust der NPD. | |
Diejenigen, die im Dritten Weg aktiv sind, sind gerade deshalb gefährlich, | |
sagt Lola. „Die sind gewaltbereit und kampfsporterprobt.“ Vor allem in | |
Marzahn-Hellersdorf wolle die Gruppe ein „Angstszenario erschaffen, durch | |
ihre Propaganda und ihr Auftreten, und den Bezirk wieder zu einem | |
rechtsradikalen Hotspot machen“, sagt sie. | |
Gerade der oft fehlende Widerspruch aus der Zivilgesellschaft mache es | |
ihnen leicht: „Die fühlen sich hier immer wohler, können sich in | |
Parteikleidung am helllichten Tag in der Stadt bewegen.“ Und auch | |
Infostände der Partei könnten im Bezirk lange stehen. Zwar gebe es wenig | |
Zustimmung, so Lola, „aber Akzeptanz“. | |
Akzeptanz, wohlgemerkt für [10][Neonazis im wahrsten Sinne des Wortes]. Das | |
Programm der Kleinstpartei propagiert einen nationalen Sozialismus auf | |
Basis völkischer Abstammungsideen und patriarchaler Familienvorstellungen. | |
Gewalt, ganz besonders als männlich und kriegerisch dargestellte Gewalt, | |
wird in den Onlineauftritten der Gruppe verherrlicht. Gehetzt wird gegen | |
sämtliche politische Feinde, die nicht in die der NSDAP entlehnten | |
Ideologie passen. Aktuell vor allem gegen Migrant*innen, LGBTIQ*, | |
Obdachlose und Antifas. | |
## „Die Zivilgesellschaft muss dagegenhalten“ | |
Um dem Einhalt zu gebieten, müsse die Zivilgesellschaft stärker | |
dagegenhalten, sagt Lola. „Es braucht eine gesellschaftliche Stimme gegen | |
den Dritten Weg“. Sofern möglich, sollten Leute einschreiten, wenn sie | |
rechtsextreme Vorfälle beobachten. Oder diese melden. Auch Betroffene | |
sollten sich immer an Meldestellen wenden, „das hilft den Gruppen, die | |
dagegen arbeiten“, erklärt sie. | |
Darüber hinaus sei es wichtig, der Gruppe auf der Straße etwas | |
entgegenzusetzen. „Wir machen viel, entfernen deren Propaganda, machen | |
Adbusting, organisieren antifaschistischen Selbstschutz.“ Allein sei das | |
auf Dauer jedoch schwer und frustrierend. Deshalb brauche es mehr | |
Unterstützung aus anderen Kiezen, sagt Lola. „Wenn man in Berlin gegen | |
Neonazis aktiv werden möchte, macht es keinen Sinn, in Friedrichshain zu | |
demonstrieren, sondern da, wo sie besonders aktiv sind.“ | |
9 Aug 2023 | |
## LINKS | |
[1] https://kontrapolis.info/10917/ | |
[2] /Homophobe-Angriffe-beim-CSD/!5946280 | |
[3] https://www.berliner-register.de/ | |
[4] https://www.berliner-register.de/register/ | |
[5] https://twitter.com/JAP_MaHe | |
[6] https://antifa-berlin.info/recherche/1800-kurz-vorgestellt---der-dritte-weg… | |
[7] https://kontrapolis.info/9887/ | |
[8] https://horte-srb.de/borg/ | |
[9] /10-Jahre-nach-dem-Auffliegen-des-NSU/!5808645 | |
[10] /Neonazi-Partei-III-Weg/!5850506 | |
## AUTOREN | |
Tobias Bachmann | |
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