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# taz.de -- Antifa-Gedenken in Strausberg: Hass auf Arme
> Vor 30 Jahren ermordeten Neonazis den Obdachlosen Hans-Georg Jakobson.
> Auch heute werden Menschen auf der Straße immer wieder Ziel von rechter
> Gewalt.
Bild: Heute treiben organisierte Neonazis der Kleinstpartei „der dritte Weg�…
Berlin taz | Hans-Georg Jakobson schlief gerade in einem S-Bahn-Waggon, als
ihn drei Neonazis überfielen. Wie so oft gingen die Strausberger Lehrlinge
René B., Henry G und Thomas D. auch am Abend des 28. Juli 1993 auf
Menschenjagd. Nachdem das Trio den 35-jährigen Obdachlosen erfolglos nach
Wertsachen durchsucht hatte, schlugen sie Jakobson brutal zusammen und
stießen ihn anschließend zwischen den Bahnhöfen Strausberg und Petershagen
Nord aus der fahrenden S-Bahn. Wenige Tage später erlag Jakobson im
Krankenhaus seinen schweren Verletzungen.
Am Freitag jährt sich der tödliche Überfall auf Jakobson zum 30. Mal. Zum
Jahrestag organisiert die Beratungsstelle für Opfer rechter Gewalt Märkisch
Oderland zusammen mit anderen lokalen antifaschistischen Gruppen eine
Gedenkveranstaltung (siehe Kasten). Während der Kundgebung wird das Bündnis
auch eine gemeinsam erstellte Broschüre, in der die Hintergründe der Tat
aufgearbeitet und eingeordnet werden, vorstellen. Sie warnen: Die rechte
Ideologie, die für den Tod Jakobsons verantwortlich ist, wirkt in
Brandenburg bis heute ungebrochen fort.
„Außer dem antifaschistischen Gedenken erinnert nichts daran, dass es in
Strausberg Opfer rechter Gewalt gab“, kritisiert Peps Butsche von der
Beratungsstelle. Die Gefahr des Vergessens sei bei Obdachlosen und anderen
gesellschaftlich ausgegrenzten Gruppen besonders hoch. Dabei gehörten
Menschen auf der Straße seit jeher zum Feindbild von Neonazis.
Insgesamt wurden nach Angaben der Opferberatung seit 1990 über dreißig
Menschen in Brandenburg von Neonazis ermordet – ein Drittel der Fälle war
motiviert durch sozialdarwinistischen Hass auf arme Menschen.
„Obdachlose sind Personen, die im öffentlichen Raum sichtbar sind und damit
leicht angreifbar“, erklärt Julian Muckel vom Verein Opferperspektive. Auch
heute noch werden auf der Straße lebende Menschen regelmäßig das Ziel von
rechter Gewalt. So habe es auch in den vergangenen Monaten mehrere Angriffe
auf obdachlose Menschen in Frankfurt (Oder) und Prenzlau gegeben.
Auch die Autor:innen der Broschüre machen deutlich: Rechte Gewalt in
Brandenburg ist weiterhin trauriger Alltag. So zeichnet die Antifa
Strausberg in einem Beitrag die Kontinuitäten der organisierten
Neonazi-Szene nach. Nachdem René B., einer der Mörder Jakobsons, nach vier
Jahren vorzeitig aus der Haft entlassen wurde, baute er Ende der 90er Jahre
in Strausberg eine organisierte Neonazikameradschaft mit auf, die immer
wieder mit Angriffen auf linke Strukturen auffiel. Die Akteure sind
weiterhin aktiv und haben ihr Gedankengut teilweise an die nächste
Generation weitergegeben. So fielen die Jung-Nazis der „Division MOL“ in
den vergangenen Jahren etwa durch Angriffe auf Pressevertreter:innen
im Umfeld von Corona-Demonstrationen in Berlin auf.
Auch wenn es heute deutlich weniger Todesopfer rechter Gewalt gibt als
damals, dürfe die Gefahr angesichts der Parallelen nicht unterschätzt
werden, warnt Muckel. „Wenn diese menschenverachtenden Taten in
Vergessenheit geraten, birgt das die Gefahr, dass sie sich wiederholen“.
27 Jul 2023
## AUTOREN
Jonas Wahmkow
## TAGS
Schwerpunkt Antifa
Schwerpunkt Neonazis
90er Jahre
Antifaschismus
Der III. Weg
Lesestück Recherche und Reportage
Schwerpunkt Antifa
Lesestück Meinung und Analyse
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