| # taz.de -- Markus Söder im Wahlkampf: Der Würstchen-Populist | |
| > Markus Söder schürt Ängste und nimmt es mit Fakten nicht so genau. Stellt | |
| > sich in Bayern im Herbst ein kleiner Trump zur Wiederwahl? | |
| Adldorf und München taz | Am Ende wird es strahlende Gesichter geben auf | |
| dem Parkfest in Adldorf. Ein Mädchen wird zu ihren Freundinnen hüpfen, | |
| stolz das Selfie mit dem Ministerpräsidenten zeigen. Eine Frau mittleren | |
| Alters wird ihrem Mann um den Hals fallen und rufen: „Ich werde ihn wählen, | |
| ich bin so überzeugt von ihm.“ Und ein junger Mann wird resümieren: „War | |
| schee, hat passt.“ Dann wird Markus Söder aber auch schon in seinen 7er-BMW | |
| gestiegen und auf dem Weg zum nächsten Termin sein. Mission erfüllt. | |
| Wenn man das Phänomen Markus Söder verstehen will, muss man nicht unbedingt | |
| ins niederbayerische Adldorf fahren. Aber schaden kann es nicht. Adldorf | |
| liegt an der Vils und hat wenige hundert Einwohner. Die Weiler in der | |
| Umgebung haben so schöne Namen wie Grimöd, Kuföd oder Weilöd. Eine Wiese | |
| weiter wird ein paar Tage später Howard Carpendale auftreten. Größte | |
| Sehenswürdigkeit des Ortes: das Schloss der gräflichen Familie [1][Arco auf | |
| Valley], die hier noch immer den Ton angibt, die Brauerei betreibt und | |
| alljährlich das fünftägige Parkfest ausrichtet. Die Menschen bauen Gemüse | |
| an, arbeiten in der Brauerei oder bei BMW in Dingolfing. | |
| Hier ist Niederbayern, wie es niederbayerischer nicht mehr wird. Stimmkreis | |
| Dingolfing, konservatives Kernland. Und doch: Wenn am 8. Oktober der neue | |
| Landtag gewählt wird, ist das hier längst kein Selbstläufer mehr für die | |
| CSU. | |
| Früher holte die Partei in Dingolfing Ergebnisse von 47 Prozent und mehr. | |
| 2018 lag sie dann nur noch bei 37,9 Prozent; die Freien Wähler bekamen | |
| 19,4, die AfD 13,8 Prozent. Im Nachbarstimmkreis Deggendorf kamen die | |
| Rechtsextremen mit 15,6 Prozent sogar auf ihr bayernweites Rekordergebnis. | |
| Und nur ein bisschen weiter im Westen liegt Landshut, wo dem | |
| Freie-Wähler-Chef [2][Hubert Aiwanger] diesmal gute Chancen auf ein | |
| Direktmandat eingeräumt werden. | |
| ## Die Bierzeltperformance | |
| Populisten hier, Populisten da. Und mittendrin: Markus Söder. Ein | |
| Politiker, dem allerdings nicht wenige bescheinigen, ebenfalls aus solchem | |
| Holz geschnitzt zu sein. Die Opposition in Bayern vergleicht ihn mitunter | |
| gar mit Donald Trump. | |
| Es ist ein beschauliches Volksfest, wie man sie hier auf dem Land eben so | |
| feiert. Hendlbraterei, Kinderkarussell, Autoscooter, das Rote Kreuz | |
| verkauft Lose. Am vorletzten Abend gibt es immer eine CSU-Kundgebung im | |
| Bierzelt. Und da die Landtagswahl ansteht, hat sich der Ministerpräsident | |
| angekündigt. Vorne an der Landstraße warten schon seit zehn Minuten der | |
| Landrat, die örtlichen Landtags- und Bundestagsabgeordneten, die gräfliche | |
| Familie und der Brauereidirektor. Auch Bauminister Christian Bernreiter ist | |
| da, seit einigen Wochen ist er Chef der CSU Niederbayern. Es ist 17.10 Uhr, | |
| als Söder vorfährt. Jemand ruft: „Aufstellung!“ Die Musiker der Blaskapel… | |
| Führmann stellen schnell noch ihre Masskrüge weg, kurze Begrüßung, dann | |
| geht man gemeinsam rüber zum Bierzelt. Defiliermarsch, Einzug des | |
| Ministerpräsidenten. | |
| Montagnachmittag – man könnte sich günstigere Termine für den Wahlkampf im | |
| Bierzelt vorstellen. Aber da die Gäste des Seniorennachmittags herzlich | |
| eingeladen wurden, noch ein wenig zu bleiben, ist das Zelt ordentlich | |
| besetzt: Zwischen 600 und 1.000 Zuschauer dürften es sein. Wenn das immer | |
| so läuft, kommt bei den rund 110 Bierzeltauftritten, die Söder in diesem | |
| Wahlsommer absolvieren will, schon was zusammen. | |
| 17.30 Uhr: Die Brotzeitbrettl sind gereicht, der stellvertretende | |
| Vorsitzende der bayerischen Wasserwacht ist begrüßt, Söder hat zwei-, | |
| dreimal am gräflichen Bier genippt. Dann steht er oben am Rednerpult in | |
| seinem beigefarbenen Trachtenjanker und legt los. Er freue sich, leitet | |
| Söder ein, mal wieder „vernünftige und anständige Menschen“ zu treffen. | |
| Schließlich habe jede bayerische Gemeinde mehr Verstand als die | |
| Regierungsparteien in Berlin. Das geht runter wie die kühle Mass bei den | |
| noch immer 30 Grad im Schatten. | |
| Es folgt ein Parforceritt durch die Söder’sche Themenlandschaft: vom | |
| Heizungsgesetz über den Länderfinanzausgleich bis zur Erbschaftssteuer. Es | |
| geht um Biomasse, Holz und die Wichtigkeit des Warmduschens, natürlich auch | |
| ums Gendern, die Letzte Generation et cetera. Söders Stimme ist etwas | |
| mitgenommen, er muss immer wieder husten. Aber für eine solide Performance | |
| reicht die Konstitution des 56-Jährigen allemal. | |
| Ein paar Häppchen sind speziell auf das Publikum zugeschnitten, auf die | |
| bayerischen Bauern, die „die halbe Welt“ ernährten und denen man Dank | |
| zollen müsse. Ansonsten liefert Söder sein Standardrepertoire: deftige | |
| Sprüche, seichte Witze, beispielsweise über das Aussehen von Karl | |
| Lauterbach, und viel bayerisches Selbstbewusstsein. | |
| ## Auch in Bayern legt die AfD zu | |
| Söder kann einigermaßen gelassen in diese Wahl gehen. Zuletzt stand die CSU | |
| in den Umfragen solide da, mal über 40 Prozent, mal etwas drunter. Dass CSU | |
| und Freie Wähler ihre Koalition werden fortsetzen können, das bezweifelt | |
| kaum jemand. Das beunruhigendste Ergebnis der Umfragen ist ein anderes. | |
| Auch in Bayern kann die AfD weiter zulegen, könnte drittstärkste Kraft im | |
| neuen Landtag werden. Wie also mit ihr umgehen? Söder steckt noch die | |
| Erfahrung von 2018 in den Knochen, als er ihr mit besonders markigen | |
| rechten Parolen – Stichwort Asyltourismus – den Wind aus den Segeln nehmen | |
| wollte. Er ruderte zurück. | |
| Heute sagt Söder: „Wer anderen hinterherläuft, wird nie die Nummer eins.“ | |
| Aber wenn man einen Koalitionspartner hat, der offenbar mit dem einen oder | |
| anderen kopierten AfD-Spruch kein Problem, sondern sogar Erfolg hat, und in | |
| der Schwesterpartei einen Chef, der sich neuerdings öffentlich [3][den Kopf | |
| über kommunale Bündnisse mit den Rechtsradikalen zerbricht] – was dann? Es | |
| macht die Sache zumindest nicht einfacher. Und es gibt auch in der CSU | |
| Politiker, die intern beklagen: „Wir haben keine konzeptionelle Antwort auf | |
| die AfD.“ | |
| Ein Politiker müsse dem Volk aufs Maul schauen, ihm aber nicht nach dem | |
| Mund reden, hat schon CSU-Übervater Franz Josef Strauß vorgegeben. Aber ist | |
| die Trennlinie da immer so scharf? | |
| ## Sticheleien gegen die Demokratie | |
| Astrid Séville hat noch schnell einen Minztee gekocht. Jetzt sitzt die | |
| Politikwissenschaftlerin an dem kleinen Besprechungstisch in ihrem Büro. Es | |
| liegt in einem modernen Nebengebäude der Technischen Universität München, | |
| gleich hinter dem Lenbachhaus. Séville spricht über Markus Söder. Und über | |
| Populismus. Die naheliegende Frage: Gibt es da einen Zusammenhang? | |
| Was ist das überhaupt, Populismus? Astrid Séville beschäftigt sich seit | |
| Jahren mit dem Phänomen. Kern des Populismus, sagt die 38-Jährige, sei die | |
| Gegenüberstellung des ehrlichen, schweigenden und übergangenen Volkes und | |
| einer in welcher Weise auch immer abgehobenen Elite, einem Establishment, | |
| das das Volk um sein Recht bringe. Er beinhalte daher immer die Behauptung, | |
| es herrsche aktuell keine richtige Demokratie, und den Aufruf, sich gegen | |
| „die da oben“ zu wehren. | |
| Der klassische Populist wäre also demnach Söders Vize Hubert Aiwanger, man | |
| erinnert sich an seinen [4][Auftritt bei einer Kundgebung in Erding], wo er | |
| forderte, „die schweigende große Mehrheit“ müsse sich „die Demokratie | |
| wieder zurückholen“. Séville nickt. „Da habe ich mir auch gedacht: Hat der | |
| Aiwanger gerade eine How-to-do-Populism-Anleitung gelesen?“ | |
| Ist Söder dagegen also harmlos? So ungeschoren will ihn die Professorin | |
| nicht davonkommen lassen. Dass auch Söder in Erding gewesen sei, sei ja | |
| kein Versehen gewesen. „Der wusste, auf welcher Bühne er da steht. Das sind | |
| so kleine Tabubrüche nach rechts, Testballons, wie weit man gehen kann.“ | |
| Sie wolle nicht sagen, dass Söder nicht fest auf dem Boden des | |
| Grundgesetzes stehe oder demokratische Institutionen infrage stelle. Aber: | |
| „Ich glaube tatsächlich, dass er einer derjenigen in der deutschen Politik | |
| ist, die das Spiel mit populistischer Agitation, mit populistischer Logik | |
| hervorragend beherrschen und es auch ganz gezielt einsetzen.“ Beispiel | |
| Atomkraft: Natürlich wisse Söder, dass sein Vorschlag, Atomkraftwerke in | |
| bayerischer Eigenregie weiterzuführen, jeglicher verfassungsrechtlicher | |
| Grundlage entbehre – trotzdem bringe er ihn an. „Das sind Sticheleien gegen | |
| Entscheidungen unserer demokratischen Institutionen. Das hat schon eine | |
| Tendenz zum Populismus.“ | |
| Anders als Aiwanger versuche er dabei einen Spagat – „auf der einen Seite | |
| der Staatsmann, auf der anderen Seite einer aus dem normalen Volk, der der | |
| angeblich schweigenden Mehrheit eine Stimme verleiht – gegen die da oben.“ | |
| ## „Das schönste Bundesland der Welt“ | |
| Schlichte Botschaften sind auch so ein Wesensmerkmal des Populismus. Eine | |
| solche Botschaft lautet: Wir in Bayern sind die Besten, wir haben’s am | |
| schönsten, und schuld daran ist die CSU. „Bayern ist das schönste | |
| Bundesland der Welt“, ist einer von Söders schöneren Sätzen in Adldorf. | |
| Natürlich exerziert der CSU-Chef die Großartigkeit Bayerns auch gern im | |
| Detail durch. Auf die niedrigste Kriminalitätsrate verweist er dann und | |
| darauf, dass Bayern „Familienland Nummer eins“ und „mit dem Silicon Valley | |
| auf Augenhöhe“ sei. Er nennt Bayern aber auch das „menschlichste Land“, | |
| denn es habe mehr ukrainische Flüchtlinge aufgenommen als Frankreich. Gäbe | |
| es den Defiliermarsch nicht, zöge Söder wohl zu Tina Turners Zeile | |
| [5][„Simply the best …“] ins Bierzelt ein. | |
| Im Titel ihres Regierungsprogramms unternimmt die CSU noch nicht einmal den | |
| Versuch zu verheimlichen, wie dünn der Inhalt ist – [6][„In Bayern lebt es | |
| sich einfach besser“], heißt der. Wenig hätte es verwundert, wenn die | |
| Partei noch ein achselzuckendes „Mei“ vorangestellt hätte. | |
| Die tatsächliche Bilanz der CSU ist durchwachsen. Wirtschaftlich steht | |
| Bayern noch immer sehr gut da. Aber nicht überall ist der Freistaat an der | |
| Spitze. So tritt die Regierung in der Bekämpfung der in Bayern besonders | |
| heftigen Wohnungsmisere auf der Stelle. 10.000 bezahlbare Wohnungen hatte | |
| Söder bis 2025 versprochen, vor einigen Monaten wurden Zahlen bekannt, | |
| wonach er dieses Ziel um etwa 93 Prozent verfehlt. Auch bei der | |
| ÖPNV-Anbindung ist Bayern nach einer Analyse des Bundesinstituts für Bau, | |
| Stadt- und Raumforschung neben Mecklenburg-Vorpommern Schlusslicht. Und der | |
| Ausbau der Windkraft kommt allen Versprechungen zum Trotz kaum voran: Mit | |
| fünf neuen Anlagen kann Bayern sich im ersten Halbjahr gerade mal für 1 | |
| Prozent des deutschen Zubaus verantwortlich zeichnen. | |
| Auch gibt es große Zweifel daran, dass die Regierung ihr ausgerufenes Ziel | |
| der Klimaneutralität bis 2040 erreicht. Aktuell steigen die Emissionen | |
| wieder, eine Besserung ist nicht in Sicht. Und erst vor wenigen Tagen | |
| schimpfte der Bund Naturschutz, dass die Staatsregierung auch in Sachen | |
| Flächenfraß weit von ihrem selbstgesteckten Ziel entfernt ist. Statt der | |
| angestrebten fünf würden weiterhin täglich weitere zehn Hektar Fläche | |
| verbraucht. | |
| Söder ficht das freilich nicht an. Er sagt dann oft Sätze wie: „Wir sind | |
| nicht perfekt, aber wir sind näher dran als andere.“ Neben maximaler | |
| Selbstbeweihräucherung gibt es noch eine weitere Kernbotschaft in seinem | |
| Wahlkampf: den vermeintlichen Kulturkampf. Da geht es um die angeblichen | |
| Verbote, die Umerziehungsversuche der Ampel, allen voran der Grünen. „Dazu | |
| gehört dann auch, diese Pappfiguren aufzubauen, gegen die man schießen | |
| kann. Bei Söder ist das in ganz besonderem Maße diese Idee einer grünen | |
| Zwangsveganisierung“, erklärt Séville, „bei der dann mitschwingt, dass da | |
| oben diese Grünen sitzen, die autoritäre Entscheidungen gegen den | |
| eigentlichen Willen des Volkes treffen.“ | |
| ## Unser täglich Fleisch gib uns heute | |
| Ja, das Fleisch! Söders liebstes Nahrungsmittel spielt eine zentrale Rolle | |
| in seiner Dauerwahlkampfsendung. Keine Rede, kein Talkshow-Auftritt kommt | |
| ohne aus. In den sogenannten Sozialen Medien hat Söder sogar einen eigenen | |
| Hashtag #söderisst eingeführt. Hier verbreitet er Fotos von so ziemlich | |
| allem, was sich auf seinem Teller findet: Schweinshaxn, saures Lüngerl, | |
| Weißwürste, Kalbskopf, selbstverständlich Nürnberger Bratwürste und, und, | |
| und … „Eigentlich müsste man bei Söder schon von Fleisch-Populismus | |
| sprechen“, sagt Astrid Séville. | |
| Fleisch, das habe etwas mit bayerischer Alltagskultur zu tun, so die | |
| Wissenschaftlerin. Für viele stehe es für gesunden Menschenverstand, | |
| Normalität. Die einfachen Leute, so der Gedanke, äßen Fleisch. Für Söder | |
| hat das Thema noch einen besonderen Vorteil, denn in Wirklichkeit | |
| entspricht er ja so gar nicht dem bayerischen Bierzeltnormalo. Franke ist | |
| er, Protestant, Städter und Akademiker. Trinkt so gut wie keinen Alkohol, | |
| trägt vom Janker abgesehen keine Tracht, und bei den Schützen ist er auch | |
| nicht. Aber in puncto Fleischkonsum kann er sich authentisch als Mitglied | |
| des „normalen Volks“ präsentieren. Unser täglich Fleisch gib uns heute! | |
| Und wenn dann die von den Grünen mitregierte Stadt München beschließt, in | |
| ihren Kitas keine Fleisch- und Fischgerichte mehr anzubieten, ist das | |
| natürlich ein gefundenes – pardon! – Fressen für den CSU-Chef. Da könnte | |
| man kleinlich sein und wie das Münchner Bildungsreferat einwenden, dass die | |
| Behauptung gar nicht stimmt und dass künftig lediglich mit Rücksicht auf | |
| die Überfischung der Meere auf die Verwendung von tiefgefrorenem Fisch | |
| verzichtet werde. Nur darf man die Wirkkraft von Fakten nicht überschätzen. | |
| Söder erreicht mit seiner Behauptung bei „Lanz“ ein Millionenpublikum, das | |
| Bildungsreferat mit seiner Richtigstellung dagegen … genau. | |
| ## Die One-Man-Show eines Opportunisten | |
| Séville erinnert an das Motto von Steve Bannon, dem früheren Trump-Berater: | |
| „Flood the zone with shit.“ Je mehr Desinformation man verbreite, desto | |
| mehr davon werde hängen bleiben. „Dann kann man natürlich auch mal den | |
| Leuten erzählen, dass ihnen gleich übermorgen jemand ihre alte Heizung | |
| ausbaut.“ Irgendwas bleibt zurück. Und Angst schüren geht immer. Da | |
| entwirft Söder auch mal drastische Armutsszenarien: „Einkaufen im | |
| Supermarkt muss wieder möglich sein“, [7][forderte er jüngst bei einer | |
| CSU-Klausurtagung]. „Natürlich ist auch das mit der Zwangsveganisierung | |
| totaler Quatsch“, sagt Séville. „Niemand in Deutschland will ja jemanden | |
| zwangsveganisieren.“ | |
| Dasselbe gilt natürlich fürs Zwangsgendern oder grüne Liederverbote. | |
| Dennoch ist es Söder beispielsweise zum Wiesn-Auftakt ein Anliegen, eine | |
| Lanze für den sexistischen Song „Layla“ zu brechen. À la: Das wird man wo… | |
| noch singen dürfen. Man darf vermuten, dass Söder kein inneres Bedürfnis | |
| verspürt, Ballermann-Schlager über geile Puffmütter in die Welt hinaus zu | |
| grölen. Aber solange es opportun ist, solange es hilft, das Bild des | |
| Freiheitsentzugs durch eine grüne Sittenpolizei zu zeichnen, macht sich der | |
| Ministerpräsident auch gern mal zum Anwalt der „Layla“-Sänger. | |
| Ein Hang zum Opportunen wird Söder von jeher zugeschrieben. „Vielleicht | |
| sollte man ihn als Machiavellisten beschreiben“, überlegt Séville, also als | |
| einen, der sich den Gelegenheiten anpasst, sie erkennt und nutzt. Und das | |
| Ganze kann dann auch noch unter Staatsräson laufen, denn der Principe ist | |
| ja derjenige, der den Laden zusammenhält. Deshalb ist der Machterhalt quasi | |
| ein Wert für sich.“ Söder, ein populistischer Machiavellist? | |
| Letztlich lässt sich das, womit der CSU-Chef den Wahlkampf bestreitet, in | |
| ein Wort fassen: Söder. Dabei ist es nicht nur das fortwährende Selbstlob, | |
| das auffällt – etwa die stete Behauptung, er habe in der Pandemie 130.000 | |
| Leben gerettet – oder die von der Staatskanzlei aus dirigierte | |
| One-Man-Show. Es ist auch die absolute Omnipräsenz des Ministerpräsidenten. | |
| Flood the zone with Söder! | |
| Völlig einerlei, ob die MAN-Betriebsversammlung in Nürnberg, das | |
| Bezirksmusikfest des Allgäu-Schwäbischen Musikbundes in Unterroth, der | |
| Heimattag der Siebenbürger Sachsen in Dinkelsbühl oder das Internationale | |
| Samba-Festival in Coburg: Söder ist da. Oft sind es vier, fünf solcher | |
| Termine pro Tag. Zwischenrein zeichnet er die zehn besten Metzger Bayerns | |
| aus. Und wenn die Gemeinde Rohr meinen sollte, sie könnte den 675. | |
| Jahrestag der Verleihung des Marktrechts ohne den Ministerpräsidenten | |
| begehen, dann hat sie sich aber so was von geschnitten. Meint sie aber | |
| natürlich nicht. | |
| Selbstverständlich geht Söder auch zu Lanz und Maischberger, und inzwischen | |
| hat er sogar seinen eigenen Podcast, in dem er sich mit Prominenten | |
| unterhält. Überhaupt – die Prominenten. An ihrer Seite zeigt er sich gern. | |
| Oder besser gesagt: Er zeigt sie gern an seiner Seite. In der Filmbranche | |
| erinnern sich noch manche nicht ohne eine Portion Fremdscham an die | |
| Verleihung des Bayerischen Filmpreises im vergangenen Jahr. An den Moment, | |
| als Söder bei der Übergabe des Ehrenpreises [8][mit Fußball unterm Arm und | |
| im kompletten Fußballoutfit von 1954] auf die Bühne sprang. Der eigentliche | |
| Preisträger, der zum Statisten verdammte Sönke Wortmann, stand daneben und | |
| schaute mit versteinerter Miene zu. Auch das gehört zur großen Söder-Show. | |
| Dass ihm nichts, aber auch gar nichts peinlich ist. | |
| ## Kann es einen Populismus der Mitte geben? | |
| Es gibt jedoch Termine, um die selbst Söder einen Bogen macht. Zu | |
| Opernveranstaltungen schickt er in Vertretung gern seinen Kunstminister | |
| Markus Blume, zu Podiumsdiskussionen mit Spitzenkandidaten der anderen | |
| Parteien seinen Finanzminister Albert Füracker – und auch den Landtag | |
| meidet Söder. 2022 habe er von 30 Sitzungen 25 geschwänzt, rechnete die SPD | |
| vor; auf eine ähnlich niedrige Quote komme kein anderer Ministerpräsident. | |
| Dem politischen Nahkampf mit der Opposition, so die Süddeutsche Zeitung, | |
| weiche Söder konsequent aus. | |
| Im Bierzelt in Adldorf hat er keinen Kampf zu befürchten. Nach knapp einer | |
| Stunde ist Söder am Ende seiner Rede angelangt; ein Mitarbeiter reicht ihm | |
| ein Handtuch. Passt schon, sagen die Leute. „Aber wenn der Aiwanger | |
| dagewesen wäre“, meint ein Besucher, „da hätte das Zelt getobt.“ Ein | |
| anderer klingt besorgter: „Die AfD ist im Anmarsch, dazu hätte er ein | |
| bisschen mehr sagen können.“ Ja, man wüsste zu gern, wie Söder es nun mit | |
| den ganz Rechten hält. | |
| Eine Woche später, CSU-Vorstandssitzung. Markus Söder will die | |
| Migrationspolitik nun offenbar doch zum Wahlkampfthema zu machen, und | |
| kündigt an, bei abgelehnten Asylbewerbern wieder von Geld- zu | |
| Sachleistungen zurückzukehren. „Ist es Zufall“, fragt sogar die sehr | |
| CSU-freundliche Passauer Neue Presse, „dass das ausgerechnet jetzt | |
| passiert, wo die AfD gerade einen Lauf hat?“ | |
| Sieht so Söders Brandmauer nach rechts aus? Und was, sollte sie | |
| funktionieren? Kann es einen Populismus der sogenannten Mitte geben, der | |
| hilft, die Extremisten in Schach zu halten? | |
| Es gebe Kollegen, für die Populismus ein Teil der Demokratie sei, sagt die | |
| Politikwissenschaftlerin Astrid Séville. „Dann gibt es aber auch die | |
| anderen, die in ihm gerade einen Angriff auf die Demokratie sehen. In der | |
| Diskussion um Populismus geht es bisweilen um die helle und die dunkle | |
| Seite der Demokratie.“ Eine Analogie, die dem „Star Wars“-Fan Markus Söd… | |
| gefallen dürfte. „Söder ist beides gleichzeitig. Anakin Skywalker und Darth | |
| Vader.“ Astrid Séville macht eine kleine Pause und fügt hinzu: „Aber mit | |
| Würstchen in der Hand.“ | |
| 28 Jul 2023 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://de.wikipedia.org/wiki/Arco_(Adelsgeschlecht)#Linie_Arco_auf_Valley | |
| [2] /Aiwanger-und-der-Populismus/!5941100 | |
| [3] /Umgang-der-CDU-mit-AfD/!5946273 | |
| [4] /Soeder-bei-Heizungsdemo-in-Erding/!5937347 | |
| [5] https://yewtu.be/watch?v=8Afffdv5Tfg | |
| [6] https://www.csu.de/regierungsprogramm | |
| [7] /CSU-Klausurtagung-in-Andechs/!5945189 | |
| [8] https://nitter.1d4.us/Markus_Soeder/status/1527759010291752961 | |
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| Dominik Baur | |
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