# taz.de -- Antisemitismus und Hubert Aiwanger: Seine brisante Vergangenheit | |
> Freie-Wähler-Chef Aiwanger steht wegen eines antisemitischen Flugblatts | |
> aus seiner Jugend unter Druck. Sein Bruder bekennt sich dazu. Kritik | |
> bleibt. | |
Bild: Turbulenzen im Wahlkampf: Aiwangers Vergangenheit holt ihn ein | |
MÜNCHEn dpa/taz | Nach dem Wirbel um Bayerns Vize-Regierungschef [1][Hubert | |
Aiwanger und ein antisemitisches Flugblatt] ringen die Landespolitiker vor | |
der Landtagswahl um Schadensbegrenzung. Mitten im Wahlkampf hatte | |
Freie-Wähler-Chef Aiwanger am Samstag schriftlich zurückgewiesen, als | |
Minderjähriger zu Schulzeiten in den 1980er Jahren das Flugblatt verfasst | |
zu haben, über das die Süddeutsche Zeitung (SZ) berichtet hatte. | |
Wenig später räumte Aiwangers Bruder ein, das Pamphlet geschrieben zu | |
haben. [2][Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU)] hatte zuvor von | |
Aiwanger Aufklärung gefordert: „Es sind schlimme Vorwürfe im Raum. Dieses | |
Flugblatt ist menschenverachtend, geradezu eklig.“ | |
Aiwanger und Söder haben am Sonntag tagsüber mehrere Termine – Aiwanger in | |
Ansbach und Weihenzell in Mittelfranken, Söder in Aufhausen bei Regensburg | |
und in Bamberg. Mit Spannung wird erwartet, ob sie dort zu ihren Äußerungen | |
vom Vortag öffentlich Stellung nehmen. Aiwanger war am Samstag, als die | |
Vorwürfe gegen ihn im Raum standen, nicht zu einem Volksfest-Umzug in | |
Augsburg erschienen. | |
In Bayern wird am 8. Oktober ein neuer Landtag gewählt. Die CSU hatte stets | |
erklärt, die Koalition mit den Freien Wählern nach der Wahl fortsetzen zu | |
wollen. Alle Umfragen hatten bis zuletzt fast keinen Zweifel daran | |
gelassen, dass dies auch möglich sein wird – wobei die Freien Wähler | |
zuletzt bei 11 bis 14 Prozent lagen. Die CSU regiert im Freistaat seit der | |
Wahl 2018 zusammen mit den Freien Wählern. | |
## Aiwanger wirft SZ Schmutzkampagne vor | |
Nach den Aufklärungsaufforderungen von Söder und auch aus der | |
Bundesregierung hatte [3][der 52 Jahre alte Aiwanger] in einer | |
schriftlichen Erklärung mitgeteilt: „Ich habe das fragliche Papier nicht | |
verfasst und erachte den Inhalt als ekelhaft und menschenverachtend.“ Es | |
seien lediglich damals Exemplare des Flugblatts in seiner Schultasche | |
gefunden worden. Über einen Sprecher hatte Aiwanger der SZ bereits zuvor | |
mitgeteilt, er habe „so etwas nicht produziert“, und eine „Schmutzkampagn… | |
beklagt. | |
Wenig später räumte sein ein Jahr älterer Bruder ein: „Ich bin der | |
Verfasser des in der Presse wiedergegebenen Flugblattes.“ In einer | |
persönlichen Erklärung sagte er weiter: „Ich distanziere mich in jeder | |
Hinsicht von dem unsäglichen Inhalt und bedauere sehr die Folgen dieses | |
Tuns. Ich war damals total wütend, weil ich in der Schule durchgefallen | |
war.“ | |
Die Freien Wähler, deren Bundesvorsitzender und Aushängeschild Hubert | |
Aiwanger ist, stellten sich demonstrativ hinter ihn und verurteilten den | |
Inhalt des Pamphlets. „Als Bundespartei legen wir besonderen Wert darauf, | |
uns noch einmal in aller Deutlichkeit von dem fraglichen Flugblatt | |
abzugrenzen“, heißt es in einer Mitteilung. „Wir Freien Wähler stehen für | |
ein entschiedenes Einschreiten gegen alle Erscheinungsformen des | |
Antisemitismus.“ | |
Der stellvertretende Bundesvorsitzende Martin Petry fügte hinzu: „Wir | |
kennen Hubert Aiwanger seit vielen Jahren, nicht nur aus der Zusammenarbeit | |
im Bundesvorstand, und haben von ihm noch nie eine einzige antisemitische | |
Äußerung gehört.“ Der Parlamentarische Geschäftsführer Fabian Mehring ha… | |
zuvor beklagt, „welche Kampagnen sechs Wochen vor wichtigen Wahlen gegen | |
uns gefahren werden, nachdem wir Freie Wähler auf der politischen | |
Erfolgswelle schwimmen“. | |
## Scharfe Kritik auch aus dem Bund | |
Am Samstag hatten sich zahlreiche Bundes- und Landespolitiker zu Wort | |
gemeldet und von Aiwanger eine Stellungnahme eingefordert. | |
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hatte beim Twitter-Nachfolger X | |
geschrieben: „Wer die Opfer von Auschwitz verhöhnt, darf in unserem Land | |
keine Verantwortung tragen. Die schwerwiegenden Vorwürfe müssen dringend | |
aufgeklärt werden.“ Mehrfach wurde Aiwangers Rücktritt gefordert, wenn sich | |
die Vorwürfe bewahrheiten sollten. Die SPD hatte eine Sondersitzung des | |
Landtags verlangt. | |
Die SPD-Vorsitzende Saskia Esken sagte den Zeitungen der | |
Funke-Mediengruppe: „Selbst wenn Aiwanger das Flugblatt nicht selbst | |
verfasst, aber mit sich getragen und verteilt haben sollte, lassen die | |
widerlichen und menschenverachtenden Formulierungen Rückschlüsse auf die | |
Gesinnung zu, die dem zugrunde lag.“ | |
Aiwanger war zuletzt wegen umstrittener Äußerungen auf einer Kundgebung | |
bundesweit in die Schlagzeilen geraten. Er hatte dort unter anderem gesagt, | |
dass die schweigende Mehrheit sich die „Demokratie zurückholen“ müsse. Ihm | |
wurde daraufhin – wie schon oft – Populismus vorgehalten. In der | |
bayerischen Landesregierung ist Aiwanger Minister für Wirtschaft und | |
Energie. | |
27 Aug 2023 | |
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