# taz.de -- Umgang der CDU mit AfD: Das Loch in der Brandmauer | |
> Friedrich Merz schließt Zusammenarbeit auf kommunaler Ebene mit AfD nicht | |
> aus. Einige Parteikollegen widersprechen. Dann rudert er zurück. | |
Bild: Wo brennt's, Herr Merz? | |
Der Widerspruch kam schnell. Er war klar und massiv. Und öffentlich. Kaum | |
hatte sich herumgesprochen, dass CDU-Chef Friedrich Merz im | |
ZDF-Sommerinterview eine Zusammenarbeit mit der AfD auf der kommunalen | |
Ebene nicht mehr ausgeschlossen hatte, poppten sie auf: Stellungnahmen von | |
CDU-Politiker*innen, die sich von der Äußerung ihres Parteichef | |
distanzierten. Mitglieder im Bundesvorstand posteten ihren Widerspruch in | |
den sozialen Netzwerken ebenso wie einige Ministerpräsidenten, Landeschefs | |
waren dabei und Kommunalpolitiker*innen. | |
Die CDU war in Aufruhr – und ein Teil der Partei stellte sich öffentlich | |
gegen ihren Chef. Das kommt nicht alle Tage vor. Und zeigt, wie nervös die | |
CDU die Auseinandersetzung mit der AfD macht. | |
Merz hatte im Interview noch einmal wiederholt, dass die CDU mit der AfD | |
nicht zusammenarbeiten werde. Das entspricht einem Parteitagsbeschluss der | |
CDU. Dann beschränkte er dies aber auf „gesetzgebende Körperschaften“ – | |
also auf die Bundes- und Landesebene sowie das europäische Parlament. Damit | |
waren die Kommunen raus. Wenn in Thüringen ein Landrat oder in | |
Sachsen-Anhalt ein Bürgermeister von der AfD gewählt worden sei, dann seien | |
das demokratische Wahlen, das habe man zu akzeptieren, sagte Merz. Und | |
weiter: „Und natürlich muss in den Kommunalparlamenten dann auch nach Wegen | |
gesucht werden, wie man gemeinsam die Stadt, das Land, den Landkreis | |
gestaltet.“ | |
## Komplizierter, sich von der AfD abzugrenzen | |
Möglicherweise hat der CDU-Chef damit versucht, ein Problem aus dem Weg zu | |
räumen, das auf die CDU zurollt. Angesichts der hohen Zustimmungsraten | |
besonders in den ostdeutschen Bundesländern wird es immer komplizierter, | |
sich vor Ort klar von der AfD abzugrenzen. Und immer wieder werden Fälle | |
der Zusammenarbeit bekannt. Im Interview herausgekommen aber ist eine Art | |
Freibrief für die Zusammenarbeit in den Kommunen. | |
Dabei hat die CDU klare Regeln für den Umgang mit der AfD. Der | |
Bundesparteitag fasste bereits 2018 einen Unvereinbarkeitsbeschluss. Die | |
CDU lehne „Koalitionen und ähnliche Formen der Zusammenarbeit“ mit der AfD | |
ab, hieß es damals. | |
Im Juni 2019, nachdem ein Rechtsextremist den Kasseler | |
Regierungspräsidenten und [1][CDU-Politiker Walter Lübcke ermordet hatte], | |
bekräftigte der Bundesvorstand der Partei: „Jeder, der in der CDU für eine | |
Annäherung oder gar Zusammenarbeit mit der AfD plädiert, muss wissen, dass | |
er sich einer Partei annähert, die rechtsextremes Gedankengut, | |
Antisemitismus und Rassismus in ihren Reihen bewusst duldet.“ Die Partei | |
lehne jegliche Koalitionen oder ähnliche Formen der Zusammenarbeit ab. „Die | |
CDU wird alle zur Verfügung stehenden Möglichkeiten nutzen, diesen | |
Beschluss durchzusetzen.“ | |
## Andere CDUler wollen nicht mit AfD kooperieren | |
Nach der [2][Wahl des FDP-Politikers Thomas Kemmerich] im Februar 2020 zum | |
Kurzzeit-Ministerpräsidenten Thüringens legte das CDU-Präsidium noch einmal | |
nach: Es dürfe „weder in direkter, noch in indirekter Form“ eine | |
Zusammenarbeit mit der AfD geben, hieß es damals. | |
Von „gesetzgebenden Körperschaften“ ist nirgendwo die Rede. Missachtet Merz | |
also die Beschlüsse der Partei? Und was bringen diese, wenn der Vorsitzende | |
sich darüber hinwegsetzt? Dieser Frage dürften sich manche in der CDU | |
gestellt haben. | |
„Keine Zusammenarbeit mit der AfD heißt: keine Zusammenarbeit mit der AfD. | |
Auf keiner Ebene. Ganz einfach. Jetzt nicht und auch in Zukunft nicht“, | |
schrieb etwa die Bundestagsabgeordnete Serap Güler, die auch Mitglied im | |
CDU-Bundesvorstand ist, auf Twitter. Und weiter: „Das ist die Beschlusslage | |
der CDU Deutschlands.“ Der CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen betonte, | |
seine Partei habe ein Kooperationsverbot mit der AfD beschlossen. | |
„Jeder, der das ändern will, muss dafür auf einem Bundesparteitag der CDU | |
eine Mehrheit finden.“ Yvonne Magwas, die Vizepräsidentin des Bundestags | |
aus Sachsen, twitterte: „Ob Ortschaftsrat oder Bundestag, rechtsradikal | |
bleibt rechtsradikal. Für Christdemokraten sind Rechtsradikale immer | |
Feindbild.“ | |
## Söder lässt Chance zur Profilierung nicht aus | |
Viele, die sich sofort äußerten, gehören wie Güler, Röttgen und Magwas zum | |
liberalen Flügel der Partei, der schon immer kritisch auf Merz blickt. Für | |
Kai Wegner, Regierender Bürgermeister aus Berlin, gilt das nicht. [3][Aber | |
auch er meldete sich umgehend]: „Die AfD kennt nur Dagegen und Spaltung“, | |
schrieb er auf Twitter. „Wo soll es da Zusammenarbeit geben?“ Die CDU könne | |
„nicht mit einer Partei zusammenarbeiten, deren Geschäftsmodell Hass, | |
Spaltung und Ausgrenzung ist“. | |
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) ließ die Chance zur | |
Profilierung gegen den CDU-Chef nicht aus. Seine Partei lehne jede | |
Zusammenarbeit mit der AfD ab, „egal auf welcher politischen Ebene“, | |
schrieb er auf Twitter. Die AfD sei „demokratiefeindlich, rechtsextrem und | |
spaltet unsere Gesellschaft“. | |
Aus einer CSU-Vorstandssitzung sickerte am Montag in München – wohl kaum | |
gegen Söders Willen – noch eine Äußerung von ihm heraus: „Wir machen kei… | |
Rechtsaußen-Schlenker im Ton wegen ein oder zwei Prozent. Ich bin nicht | |
bereit, den Anstand und das Gewissen der CSU zu riskieren.“ Daran kann man | |
mit Blick auf den aktuellen Landtagswahlkampf allerdings Zweifel haben. | |
## AfD freut sich über Aufmerksamkeit | |
Merz bekam aber auch öffentlichen Zuspruch: „Die Beschlusslage der CDU | |
entstand in einer Zeit, wo an die heutigen Mehrheiten im Landkreis oder im | |
Rathaus nicht zu denken war“, schrieb etwa die Bundestagsabgeordnete Jana | |
Schimke aus Brandenburg auf Twitter. „Rückgängig machen lässt sich das | |
bekanntlich nicht.“ | |
Die AfD, die dank Merz wieder einmal großes Thema war, freute sich. „Nun | |
fallen erste Steine aus der schwarz-grünen Brandmauer“, twitterte | |
AfD-Bundeschef Tino Chrupalla. „In Ländern und Bund werden wir die Mauer | |
gemeinsam niederreißen.“ | |
Einige Stunden dauerte es, bis die CDU-Zentrale auf das Debakel reagierte, | |
das der Parteichef angerichtet hatte. Gegen Mitternacht versuchte der | |
[4][neue Generalsekretär Carsten Linnemann] Merz’ Äußerungen umzubiegen. Am | |
Morgen – und zahlreiche Äußerungen später – trat Merz via Twitter dann | |
selbst den Rückzug an: „Um es noch einmal klarzustellen, und ich habe es | |
nie anders gesagt“, schrieb er. „Die Beschlusslage der CDU gilt. Es wird | |
auch auf der kommunalen Ebene keine Zusammenarbeit der CDU mit der AfD | |
geben.“ Nur hatte er dies im ZDF so eben nicht gesagt. | |
24 Jul 2023 | |
## LINKS | |
[1] /Untersuchungsausschuss-zum-Luebcke-Mord/!5945190 | |
[2] /Die-FDP-in-der-Bundesregierung/!5935571 | |
[3] /Berliner-CDU-nach-Merz-Aussage/!5950565 | |
[4] /Neuer-CDU-Generalsekretaer-Linnemann/!5943688 | |
## AUTOREN | |
Sabine am Orde | |
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