# taz.de -- Feine Sahne Fischfilet in Thüringen: Nimm das, Sonneberg! | |
> Was tun gegen Rechtsruck? Punkrock! Die Band Feine Sahne Fischfilet | |
> spielt ein Konzert in der AfD-Hochburg. | |
Bild: Feine Sahne Fischfilet kommt in Sonneberg an | |
SONNEBERG taz | Monchi, der Sänger der Punkband Feine Sahne Fischfilet, | |
stürmt auf die Bühne. „Hey Sonneberg, habt ihr Bock?“ Das Schlagzeug | |
hämmert los, der Bass setzt ein, die Gitarre, die Trompete. Die Menge | |
drängt nach vorn, schwappt zurück. Jubel, Hände, die in die Höhe gereckt | |
werden, Pogo vor der Bühne, alles gleichzeitig. | |
Und die Kiddies im Block, woh-oh-oh, spielen „City of God“, woh-oh-oh. Hier | |
ändert sich nichts, Hoffnung zerbricht, hier ruft niemand die Cops. | |
Keiner hier braucht eine Aufwärmphase, schon beim ersten Lied macht Monchi, | |
ein Zwei-Meter-Schrank in kurzen Sporthosen und schwarzem T-Shirt, | |
Stagediving von der Bühne. Die dicht gedrängte Menge trägt ihn auf Händen. | |
[1][Feine Sahne Fischfilet] kommen aus Mecklenburg-Vorpommern. Sie haben | |
einen rasanten Aufstieg hingelegt, von einer antifaschistischen Schülerband | |
aus Rostocks autonomer Szene auf die großen Festivals, sie gehen mit den | |
Toten Hosen auf Tour, machen aber auch weiter das, was sie schon jahrelang | |
machen. | |
## Schock in Sonneberg | |
Sie treten in kleinen Orten auf, in Jugendclubs und Garagen, engagieren | |
sich auf dem Land für den Kampf gegen rechts. Wo andere an der | |
Street-Credibility arbeiten, betonen sie ihre Dorf-Credibility. | |
Jetzt also Sonneberg, eine Stadt mit 23.000 Einwohnern im Süden Thüringens, | |
direkt an der Grenze zu Bayern gelegen und seit Ende Juni in ganz | |
Deutschland als Zentrum jenes Landkreises bekannt, in dem mit [2][Robert | |
Sesselmann das erste Mal ein AfD-Politiker zum Landrat gewählt wurde]. | |
Ausgerechnet im Landesverband von Björn Höcke, der vom | |
Landesverfassungsschutz als gesichert rechtsextremistisch eingestuft wird. | |
In der Stichwahl bekam Sesselmann 52,8 Prozent, Höcke ließ sich danach mit | |
seinem Landrat feiern. | |
Obwohl sich die Entwicklung abzeichnete, [3][war das Ergebnis für viele in | |
Sonneberg ein Schock.] Ideen kursierten, wie man Protest ausdrücken könnte, | |
zeigen, dass man nicht einverstanden ist, dass Stadt und Landkreis auch | |
andere Seiten haben, buntere. Feine Sahne Fischfilet bekamen über 100 | |
Anfragen aus Sonneberg, ob sie nicht ein Soli-Konzert spielen könnten. | |
Leute boten ihre Keller oder Wohnzimmer als Auftrittsort an. „Und deswegen | |
sind wir heute Abend hier“, ruft Monchi in die Menge. „Um den Menschen hier | |
Kraft zu geben, dass sie bei dem Scheiß auch mal abschalten können. Und um | |
zu zeigen, es leben auch viele coole Menschen hier.“ | |
Im Suff wetten wir, wer auf mehr Todeslisten steht. Schau auf meine | |
Fingernägel, dann weißt du, wie’s mir geht. Wenn wir jetzt zusammen sind, | |
wie sehr verzerr ich dich. Alle, die halbwegs scheiße sind, erkennen jetzt | |
mein Gesicht. | |
## „Kein Bier für Linke“ | |
Als Ort für das Konzert wurde eine Kellerbar ausgewählt. Deren | |
Backstein-Gewölbe sind so niedrig, dass jedes Mal, wenn die Menge beim | |
Stagediving jemanden auf ihren Händen durchreicht, diejenigen aufpassen | |
müssen, nicht mit dem Kopf anzustoßen. Der Schweiß trieft, von dem Gewölbe | |
tropft kondensierte Feuchtigkeit. | |
Eine Stunde bevor die Band beginnt, steht Marcel in einer Ecke der Bar und | |
erzählt, wie stolz er ist, dass sein Laden für das Konzert ausgewählt | |
wurde. Seinen Nachnamen möchte er nicht in der Öffentlichkeit sehen. „Die | |
ortsbekannten Neonazis wissen schon, wo ich wohne, aber man muss ja kein | |
zusätzliches Risiko eingehen.“ Gab es bei den Veranstaltungsorten denn | |
große Konkurrenz? Er lächelt. „Eigentlich nicht. Die Orte, die von der | |
Location noch in Frage gekommen wären, haben politisch andere Musik.“ | |
Ein Stück weiter die Straße rauf ist eine Kneipe, neben deren Eingang ein | |
Schild mit schwarzweiß-roter Reichsfahne und der Aufschrift „Deutsches | |
Vaterland“ hängt. Am Zigarettenautomat davor klebt ein Aufkleber: „Kein | |
Bier für Linke“, dazu das Bild eines Bierkrugs, der einem Irokesen-Punk auf | |
den Kopf geschlagen wird. | |
Marcel erzählt, er habe als Punk die 90er Jahre im Osten mit all den | |
Neonazis als lebensgefährliche Zeit erlebt. „Jetzt bin ich 43 und ich hätte | |
nicht gedacht, dass das so noch mal zurückkommt.“ Er und alle Mitarbeiter | |
seiner Bar tragen an diesem Abend schwarze T-Shirts, auf denen hinten mit | |
Weiß aufgedruckt steht: „Faschisten wählen ist kein Protest!“ | |
Feine Sahne Fischfilet hatte auf Facebook ankündigt, in Sonneberg zu | |
spielen, den Ort aber erst wenige Stunden vorher bekanntgegeben. Die Band | |
wollte nicht, dass Fans aus anderen Teilen des Landes anreisen, das Konzert | |
soll für die Locals sein. Der Eintritt ist frei. Die Kellerbar ist klein, | |
70, vielleicht 100 Leute drängen sich vor der Bühne, mehr geht nicht. Weil | |
die Schlange draußen aber lang ist, kündigt Monchi an, mehrere Konzerte | |
hintereinander zu spielen, damit das Publikum durchgewechselt werden kann. | |
„Sonneberg, heute ist Abriss“, ruft er. „Wir spielen, bis uns alle gesehen | |
haben.“ | |
## Unter Feinden | |
Nach einer Dreiviertelstunde wildem Pogo ist die erste Pause. Am Rand der | |
Tanzfläche steht Christian. So will er genannt werden, mit richtigem Namen | |
lieber nicht. 23 Jahre, schwarzer Lockenkopf, schwarzes „FCK AFD“-Shirt. Er | |
sieht glücklich aus. Eigentlich wäre er an diesem Abend in Berlin, er hat | |
Urlaub, hatte schon mit einer Freundin ein Hotel gebucht. „Aber das habe | |
ich hierfür abgesagt.“ | |
Er arbeitet als KFZ-Mechatroniker in einem Autohaus in Sonneberg. Seine | |
Arbeitskollegen würden alle AfD wählen, oder zumindest so reden. „Ich gehe | |
mit dem Fuck-AfD-Shirt auch zur Arbeit, aber das Diskutieren mit denen habe | |
ich aufgegeben.“ Sein Gefühl: Er kann da allein nichts ausrichten. Im | |
Herbst will er umschulen und eine Ausbildung als Erzieher anfangen. „Ich | |
will da nur noch raus.“ Dieser Abend sei ihm sehr wichtig. „Er zeigt: Wir | |
sind viele – und wir sind laut.“ | |
Wir sind zurück in unsrer Stadt. Mit zwei Promille durch die Nachbarschaft. | |
Wir sind zurück in unsrer Stadt. Und scheißen vor eure Burschenschaft. | |
Die Lieder von Feine Sahne Fischfilet erzählen oft von der Liebe zur | |
Heimat, von einer dezidiert linken Heimatliebe, die sich nicht gegen | |
Migranten und Geflüchtete abriegelt, die offen ist und doch das | |
Verwurzeltsein in der Region feiert. In Sonneberg kommt das gut an. | |
## Mit Rechten reden? | |
Die Bevölkerung im Landkreis nimmt ab, 1998 lebten fast 70.000 Menschen | |
dort, heute sind es weniger als 57.000. Junge Menschen, die zum Studium in | |
große Städte ziehen, kommen oft nicht zurück. Es geht an diesem Abend viel | |
darum, dass Weggehen auch keine Lösung sei. Oder anders formuliert: Wenn | |
alle coolen Leute wegziehen, haben AfD und Co schon gewonnen. | |
Monchi, der eigentlich Jan Gorkow heißt, sitzt vor dem Konzert im Nebenraum | |
auf einem Ledersofa, auf dem Tisch neben ihm ein Plastikteller mit | |
Asia-Nudeln. „Mich hat diese Wahl nicht überrascht“, sagt er. „Alle, die | |
jetzt auf Sonneberg zeigen, werden sich ganz schnell umgucken, weil es | |
immer mehr AfDler in Ämtern geben wird.“ Man müsse versuchen, alle Kräfte | |
zu stärken, die dagegen stehen. „Aber die Frage, welche Partei soll ich | |
denn wählen, ist schon eine harte.“ | |
Demokratie sei ein Privileg und natürlich gehe er wählen, aber er verstehe | |
alle, die von der Politik enttäuscht seien. „Die Antwort ist nur, nicht | |
Faschos zu wählen. Nur weil das Bier in der Kneipe nicht schmeckt, gehe ich | |
ja nicht auf dem Klo aus der Pissrinne saufen.“ | |
Die Band ist viel in ganz Deutschland unterwegs. Ist dieser Frust im Osten | |
besonders stark? „Das habe ich früher gedacht“, sagt Monchi. „Mittlerwei… | |
glaube ich, dass es vor allem ein Konflikt zwischen Stadt und Land ist.“ | |
Viele Debatten in überregionalen Medien kommen ihm abgehoben vor. | |
„Mit Rechten nicht zu reden – das können sich nur Menschen leisten, die in | |
ihren Blasen leben, in Berlin-Kreuzberg oder St. Pauli. Bei uns will bald | |
jeder Dritte AfD wählen, natürlich muss man auch mit denen reden. Nicht mit | |
den Hardcore-Faschos, aber den anderen.“ Das hieße aber nicht, | |
Zugeständnisse zu machen. „Bei unserem Festival auf dem Dorf in Jarmen | |
kommen öfter Kids mit Fascho-Klamotten an. Da sagen wir: ‚Damit kommt ihr | |
hier nicht drauf. Hier habt ihr ein neutrales T-Shirt, zieht das an und | |
schaut euch das alles mal an.‘“ Die Jugendlichen würden ja kommen, weil | |
endlich mal was los sei. So hätten sie die Chance, etwas anderes | |
kennenzulernen. | |
## Ganz Punk | |
Zuhause heißt, wenn dein Herz nicht mehr so schreit. Zuhause heißt, wenn | |
die Angst der Freundschaft weicht. Zuhause heißt, wir schützen uns, alle | |
sind gleich. Zuhause heißt, wenn dein Herz nicht mehr so schreit. | |
Vier Kurz-Konzerte hintereinander spielen Feine Sahne Fischfilet an diesem | |
Abend. Monchi hält immer wieder das Mikro in die Menge, lässt die Fans die | |
Refrains singen. Währenddessen steht er auf der Bühne, verschränkt die Arme | |
hinter dem Kopf und lächelt. Es geht darum, ganz Punk, gemeinsam eine gute | |
Zeit zu haben. Sich für einen Abend mal selbst zu feiern. „Und supportet | |
die coolen Leute auch, wenn wir wieder weg sind“, ruft Monchi. | |
Die nächste Möglichkeit ist in Sonneberg am Sonntagnachmittag. Ein paar | |
Linke haben zu einer Demo auf dem Bahnhofsvorplatz aufgerufen – gegen | |
Nationalismus und für „eine lebenswerte Provinz“. | |
8 Jul 2023 | |
## LINKS | |
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## AUTOREN | |
Jan Pfaff | |
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