Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- AfD-Landrat in Sonneberg: Sesselmann darf im Amt bleiben
> AfD-Landrat Sesselmann besteht den „Demokratie-Check“. Der Fall zeigt
> rechtliche Schwachstellen. Auch bleiben Zweifel an der Neutralität des
> Landrats.
Bild: Darf Landrat bleiben, obwohl die AfD in Thrüringen als „gesichert rech…
Berlin taz | Die Wahl Robert Sesselmanns zum ersten [1][Landrat der extrem
rechten AfD] im thüringischen Sonneberg wirft weiter Fragen auf:
Tatsächlich darf der AfD-Politiker nach einer Einzelfall-Prüfung seiner
Verfassungstreue das Landrat-Amt behalten, obwohl die Partei in Thüringen
unter dem Vorsitz von Björn Höcke als gesichert rechtsextrem gilt und vom
Verfassungsschutz beobachtet wird. Das hat das zuständige
Landesverwaltungsamt nach einer Abfrage auch beim Verfassungsschutz
entschieden. Damit gibt es zwar eine Entscheidung, aber die Rechtslage
scheint in einigen Fragen weiter unsicher.
Fraglich ist nach dem AfD-Erfolg, wie tiefgreifend eine solche Prüfung sein
sollte, aber auch, warum erst nach einer Wahl die Verfassungstreue eines
Kandidaten geprüft wird und wie künftig mit ähnlichen Konstellationen
umgegangen wird.
In der [2][Pressemitteilung des zuständigen Landesverwaltungsamts] vom
Montag heißt es lediglich, „dass die Wahlvorschriften bezüglich der
Feststellung der Wählbarkeit eingehalten wurden.“ Eine weitere Prüfung oder
ein rechtsaufsichtliches Eingreifen sei derzeit nicht notwendig: „Unter
Einbeziehung der Erkenntnisse des Amtes für Verfassungsschutz Thüringen
werden beim neu gewählten Landrat von Sonneberg, Robert Sesselmann, derzeit
keine konkreten Umstände gesehen, die von hinreichendem Gewicht und
objektiv geeignet sind, eine ernsthafte Besorgnis an dessen künftiger
Erfüllung der Verfassungstreuepflicht auszulösen“, heißt es.
Gleichwohl habe die Rechtsaufsicht aufgrund der konkreten Anhaltspunkte in
diesem Fall von Amts wegen prüfen müssen – eben weil die AfD in Thüringen
als gesichert rechtsextrem gilt. Zugleich hält sich das
Landesverwaltungsamt weitere Schritte bei etwaigen Verfehlungen vor: „Bei
Bedarf stehen jederzeit geeignete aufsichtliche Mittel zur Verfügung, um
die Durchsetzung aller in Thüringen geltenden rechtlichen Regelungen zu
sichern.“
## Schwachstelle im System
Bezüglich der offenen Fragen schreibt das Justiz-Portal LTO etwa von einer
[3][„Schwachstelle im System“], weil der Wahlausschuss, der vor dem
Urnengang die Wählbarkeit der Kandidat*innen abklären soll, mit einer
tiefgehenden Prüfung der Verfassungstreue überfordert sein dürfte. Der
nämlich besteht aus Ehrenamtlichen und nicht Verwaltungsjuristen, die
innerhalb sehr kurzer Zeit eine Entscheidung über die Eignung von
Kandidat*innen treffen sollen.
Im Fall Sesselmann habe der Ausschuss laut LTO keine „öffentlich
verwertbare Erkenntnisse“ zu Sesselmann eingeholt. Bisher stellt der
Ausschuss lediglich fest, ob formelle Vorgaben erfüllt sind wie Mindest-
oder Höchstalter sowie stimmige Unterlagen. [4][Im konkreten Fall gab es]
auch wie bei allen anderen Kandidat*innen eine Prüfung einer früheren
Zusammenarbeit mit der Stasi und eine Selbsterklärung, für ein
Beamtenverhältnis geeignet zu sein.
An Sesselmanns Gesinnung gibt es indes wenig Zweifel: Er wird zwar
gemeinhin als eher blass umschrieben, war aber nichtsdestotrotz unter Höcke
Teil der AfD-Fraktion im Landtag und sprach vergangenen Herbst bei einer
[5][„Friedensdemo“ in Sonneberg im Reichsbürger-Sound] davon, dass die
Bundesrepublik als „Marionettenstaat der US-Politik“ dienen solle. Die USA
führe einen Stellvertreterkrieg gegen die europäische und deutsche
Wirtschaft, so der jetzige Landrat. Auf Anfrage der taz, ob etwa diese Rede
in die Prüfung eingeflossen ist, gab es zunächst keine Antwort vom
Landesverwaltungsamt.
Der [6][Deutsche Landkreistag] will nun laut T-online prüfen, „ob ein
Wahlausschuss künftig mehr leisten muss, um eine umfassendere Prüfung zu
realisieren“. Die Frage stelle sich erst mit dem Erfolg der AfD, weil jetzt
Bewerber ins Amt kommen könnten, bei denen die Frage nach der
Verfassungstreue nicht einfach zu beantworten sei. Möglich sei laut
Verwaltungsamt auch, eine solche Prüfung per Gesetz verbindlich an den
Anfang zu legen. Dafür sprach sich auch der Verfassungsrechtler Michael
Brenner aus, weil dann die Überprüfung einer Entscheidung auch vor der Wahl
möglich sei.
## Zweifel an Neutralität
Dass Zweifel an Sesselmanns Amtseignung berechtigt erscheinen, zeigte
unterdessen einer seiner ersten öffentlichen Auftritte, von dem [7][ein
Videomitschnitt in den sozialen Medien kursiert]: Dort betrieb der
eigentlich zur Neutralität verpflichtete Landrat während einer Ansprache
auf einem Grundschulhof wenig verhohlene Wahlwerbung für die AfD: Wer mit
der „bisherigen Politik“ nicht einverstanden sei, solle das Kreuz bei der
Landtagswahl 2024 „an einer bestimmten Stelle oder einer richtigen Stelle“
machen, so der AfD-Landrat inmitten von Grundschüler*innen und
Lehrkräften. Gerade die AfD klagte in Vergangenheit gerne und häufig gegen
über Verletzungen der Neutralitätspflicht – etwa wenn
Staatsdiener*innen angesichts einer sich gefährlich normalisierenden
extrem rechten AfD ihre Besorgnis um die Demokratie formulierten.
Thüringens Bildungsminister [8][Helmut Holter (Linke) kritisierte den
Auftritt umgehend]: „Dieser Einstand bestätigt alle Befürchtungen.“ Die
Kommunalaufsicht müsse einschreiten, wenn der Landtrat keine politische
Zurückhaltung übe. Der Auftritt sei keine Lappalie, so Holter. Tatsächlich
steht im Thüringer Schulgesetz: „Werbung für politische Parteien und
politische Gruppierungen ist in der Schule grundsätzlich nicht zulässig.“
In Sonneberg organisiert sich unterdessen antifaschistischer Protest gegen
die rechte Hegemonie: Letzten Sonntag demonstrierten mehrere hundert
Personen „für eine lebenswerte Provinz für alle – ohne Nationalismus,
Rassismus und Antisemitismus“. Das [9][Bündnis „Sonneberg gegen rechts“]
forderte die Zivilgesellschaft auf „zu verhindern, dass rechte Hetzer den
Diskurs in der Stadt bestimmen“ und zog vor das Landratsamt. Das Bündnis
kündigte weitere Aktionen an. Letzte Woche hatte bereits die [10][Punk-Band
Feine Sahne Fischfilet] mehrere Solidaritätskonzerte für antifaschistische
Menschen vor Ort gespielt.
Die Thüringer [11][Linken-Abgeordnete Katharina König-Preuss] kommentierte
die Zulassung Sesselmanns mit einem Zitat von der vor zwei Jahren
verstorbenen Antifaschistin und Shoah-Überlebenden Esther Bejarano: „Wer
gegen die Nazis kämpft, der kann sich auf den Staat überhaupt nicht
verlassen.“
11 Jul 2023
## LINKS
[1] /AfD-gewinnt-Landratswahl-in-Sonneberg/!5942890
[2] https://landesverwaltungsamt.thueringen.de/detailanzeige/landesverwaltungsa…
[3] https://www.lto.de/recht/nachrichten/n/afd-landrat-sonneberg-thueringen-ses…
[4] https://www.t-online.de/nachrichten/deutschland/parteien/id_100202664/sonne…
[5] https://twitter.com/Freddy2805/status/1673735113941680128
[6] https://www.t-online.de/nachrichten/deutschland/parteien/id_100202664/sonne…
[7] https://twitter.com/JHillje/status/1677998875993337856
[8] https://www.spiegel.de/politik/deutschland/robert-sesselmann-afd-warb-in-gr…
[9] https://www.instagram.com/son_gegen_rechts/
[10] /Feine-Sahne-Fischfilet-in-Thueringen/!5943089
[11] https://twitter.com/KatharinaKoenig/status/1678421068199886849
## AUTOREN
Gareth Joswig
## TAGS
Schwerpunkt AfD
Rechtsextremismus
Sonneberg
Thüringen
Schwerpunkt Rassismus
Schwerpunkt Antifa
GNS
Thüringen
taz Plan
Schwerpunkt AfD
Schwerpunkt AfD
Schwangerschaft
Sonneberg
Schwerpunkt AfD
Schwerpunkt AfD
## ARTIKEL ZUM THEMA
Bodo Ramelows Minderheitsregierung: Thüringer Verhältnisse
Nach drei Jahren Regierung von Gnaden der CDU wirken Linke, SPD und Grüne
in Thüringen müde. Doch eine Verbesserung ist nicht in Sicht.
Bewegungstermine in Berlin: Gegen den Höhenflug der Rechten
Antifaschismus ist heutzutage multidimensional. Aufklären über
Antifeminismus hier, protestieren gegen Schwurbler*innen da. Auch diese
Woche.
AfD-Parteitag in Magdeburg: Rechts, radikal, unbeliebt
Maximilian Krah, designierter AfD-Spitzenkandidat für die Europawahl, ist
eine Reizfigur – auch für Rechte. Für Magdeburg ist Streit vorprogrammiert.
Linken-Politiker zur AfD: Ramelow verteidigt Ostdeutsche
Wer AfD wähle, sei nicht automatisch ein Nazi, sagt Thüringens linker
Ministerpräsident Bodo Ramelow. Er beklagt eine „Verzerrung der Realität“.
Schwangerschaftsberatung in Thüringen: Kein Geld mehr übrig
Schwangerschaftsberatungsstellen in Thüringen sind seit Jahren
unterfinanziert. Die Politik sagt, sie habe das Thema auf der Agenda.
Feine Sahne Fischfilet in Thüringen: Nimm das, Sonneberg!
Was tun gegen Rechtsruck? Punkrock! Die Band Feine Sahne Fischfilet spielt
ein Konzert in der AfD-Hochburg.
Erster AfD-Bürgermeister: Raguhn-Jeßnitz wählt braun
Eine Woche nach dem ersten AfD-Landrat folgt in Sachsen-Anhalt der erste
hauptamtliche Bürgermeister. Der AfD-Kandidat Loth holt 51,5 Prozent.
AfD in Thüringen: Die rassistische Revolution
Aus Angst vor einer Landnahme der AfD erzählen sich Demokraten Märchen über
die rechtsextreme Partei und ihre Wählerschaft. Das ist gefährlich.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.