| # taz.de -- AfD gewinnt Landratswahl in Sonneberg: Kein braunes Wunder | |
| > Dort, wo die AfD normalisiert ist, feiert sie Erfolge: Der Sieg der | |
| > Landratswahl in Sonneberg sollte insbesondere der Union zu denken geben. | |
| Bild: Höcke, Sesselmann, Brandner und Chrupalla am Sonntagabend in Sonneberg | |
| Es ist ein Fiasko mit Ansage: Die [1][extrem rechte AfD hat im | |
| thüringischen Sonneberg erstmals eine Landratswahl gewonnen]. Die AfD in | |
| Thüringen ist mit ihrem Anführer Björn Höcke die Speerspitze der völkischen | |
| Strömung in der Partei. Sie verfolgt eine neofaschistische Agenda, hetzt | |
| gegen Minderheiten, verstößt damit gegen [2][grundsätzliche | |
| Demokratieprinzipien], verharmlost den historischen Nationalsozialismus und | |
| will den völkisch-autoritären Umbau des Staates. | |
| Die Wähler*innen aus dem 56.000-Einwohner-Landkreis Sonneberg in | |
| Thüringen haben bei der Stichwahl für den Landrat trotzdem und zu einem | |
| großen Teil sicher auch genau [3][deswegen] für den AfD-Kandidaten | |
| [4][Robert Sesselmann] gestimmt. Die Wahlbeteiligung lag bei 58,2 Prozent, | |
| Sesselmann kam auf 52,8 Prozent der Stimmen. | |
| Es ist ein Landkreis, in dem die AfD weitgehend normalisiert ist und in dem | |
| auch der CDU-Kandidat Jürgen Köpper mit knallhart-populistischen Parolen | |
| gegen die Bundesregierung in Berlin in den Wahlkampf gezogen ist. Die CDU | |
| hat hier 2021 für den Bundestag den rechten Schwurbler Hans-Georg Maaßen | |
| aufgestellt und im Kreistag ist es normal, mit der AfD zusammenzuarbeiten. | |
| Die Brandmauer ist in Sonneberg nicht erst diesen Sonntag gefallen. | |
| ## Vollumfänglich ausschlachten | |
| Für die AfD ist die gewonnene Wahl ein lang ersehnter Meilenstein auf dem | |
| Weg zur Normalisierung. Obwohl es nur eine Landratswahl ist, werden die | |
| Rechten Sonneberg nun vollumfänglich ausschlachten, um sich vor der | |
| Landtagswahl 2024 in Stellung zu bringen: Die Parteispitze spricht vom | |
| „blauen Wunder“, das nur der Anfang sei und einer „Wende“ – absurde | |
| DDR-Vergleiche intendiert. | |
| Tatsächlich wäre es dann auch eher ein „braunes Wunder“, denn kaum irgend… | |
| ist die AfD so offen rechtsextrem wie in Thüringen. Dass sie ausgerechnet | |
| hier diesen in erster Linie symbolischen Erfolg einfährt, spricht dafür, | |
| wie weit in einigen Teilen insbesondere Ostdeutschlands die rechte | |
| Hegemonie – nicht nur durch die AfD – bereits etabliert ist. | |
| Aber auch wenn sich die Wahl in Sonneberg nicht verallgemeinern lässt: | |
| Begünstigt wurde sie durch die Krise der Ampel und einen nach rechts | |
| kippenden öffentlichen Diskurs sowie multiple Krisen der Gegenwart: Eine im | |
| Geldbeutel spürbare Wirtschaftskrise und hohe Inflation infolge des | |
| russischen Angriffs auf die Ukraine, keine gleichmäßige Verteilung der | |
| Krisenlast und zu wenig soziale Gegenmaßnahmen, [5][ein Heizungsgesetz] | |
| ohne soziale Abfederung und vermeintliche Christdemokrat*innen, die | |
| Stimmung mit rechtem Kulturkampf und plumpen Rassismus machen. | |
| Trifft diese toxische Mischung dann noch auf vorhandene rassistische und | |
| systemfeindliche Einstellungsmuster, sorgt das für einen Aufschwung der | |
| AfD, wie er hier zu beobachten ist. | |
| Insbesondere die CDU sollte aus der Gesamtlage endlich Lehren ziehen. Wenn | |
| schon nicht aus intrinsischen humanistischen oder gar christlichen Motiven, | |
| dann doch bitte zumindest aus strategischen: Die CDU gefährdet mit ihrem | |
| Larifari-Abgrenzungskurs und der Anbiederung an AfD-Positionen nicht | |
| weniger als die Demokratie und erweitert die Grenzen des Sagbaren. | |
| Es sollte der Union zu denken geben, dass sie in Umfragen nicht von den | |
| [6][Problemen der Ampel-Koalition] profitiert. Der aktuelle Rechtsdrall der | |
| Union stärkt allein die AfD. Die Christdemokraten sollten rigoros umlenken, | |
| mit [7][dem rechten Kulturkampf] aufhören, sich auf Sachthemen und | |
| vernünftige demokratische Oppositionspolitik konzentrieren – und nicht den | |
| Diskurs verrohen. | |
| Eines sollte man nicht tun angesichts von Sonneberg: resignieren. Sonneberg | |
| sollte Anlass für kritische Selbstreflektion sein und eine Stärkung | |
| inhaltlich unterscheidbarer und vernünftiger Positionen nach sich ziehen. | |
| Die Parteien sollten ohne populistische Entgleisungen um reale Alternativen | |
| streiten. | |
| Denn die AfD hat nichts außer Fundamentalopposition zu bieten, sie schürt | |
| Abstiegsängste, gibt auf soziale Verteilungsfragen nur rassistische | |
| Antworten und vergiftet den demokratischen Diskurs. Bundesregierung und | |
| demokratische Opposition sind gefordert, gerade in der Krise auf | |
| tatsächlich soziale Verwerfung geeignete und vernünftige Antworten finden. | |
| Besonders bitter ist die Wahl natürlich für Geflüchtete und Minderheiten | |
| vor Ort – denn hier ist der Wahlausgang alles andere als symbolisch: Der | |
| Spitzenbeamte des Landkreises ist zwar an Bundesrecht gebunden, gleichwohl | |
| kann er in sechs Jahren Amtszeit viel Schaden anrichten. | |
| Die AfD wird versuchen diese Position ausnutzen, um die Demokratie weiter | |
| auszuhöhlen: Sie wird Spielräume bei der Geflüchtetenunterbringung zu | |
| Ungunsten Schutzbedürftiger auslegen, denkbar wäre auch ziviler Ungehorsam | |
| gegenüber der Landesregierung und Missachtung geltender Praxis – etwa, wenn | |
| man Geflüchteten kein Geld, sondern nur noch Sachleistungen auszahlt. | |
| Ebenso wird die AfD ihre extrem rechte Agenda aus privilegierter Position | |
| vortragen und gibt es weitere solcher Erfolge – die nächste Stichwahl im | |
| sachsen-anhaltinischen Raguhn-Jeßnitz steht schon kommenden Sonntag an – | |
| besteht die dringende Gefahr der weiteren Normalisierung. | |
| Besonders schlimm aber ist ein Rechtsextremer als höchster Vertreter des | |
| Landkreises für dort lebende Menschen, die nicht dem regressiven Weltbild | |
| der AfD entsprechen. [8][Hass und Hetze] sind jetzt qua Amt Mainstream, | |
| Alltagsrassismus und rechte Eskalationen dürften zunehmen, rechte | |
| Täter*innen sich zusätzlich legitimiert fühlen. | |
| 26 Jun 2023 | |
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| ## AUTOREN | |
| Gareth Joswig | |
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