# taz.de -- AfD-Parteitag in Magdeburg: Rechts, radikal, unbeliebt | |
> Maximilian Krah, designierter AfD-Spitzenkandidat für die Europawahl, ist | |
> eine Reizfigur – auch für Rechte. Für Magdeburg ist Streit | |
> vorprogrammiert. | |
Bild: Umstrittener Kandidat für die Europawahl: AfD-Mann Maximilian Krah | |
BERLIN taz | Wenn Maximilian Krah einen Witz macht, wird es selbst dem | |
extrem rechten Chefideologen aus dem Institut für Staatspolitik, Götz | |
Kubitschek, mitunter zu heikel. Kürzlich war Krah, Dresdener Anwalt und | |
AfD-Europaabgeordneter, in Kubitscheks Podcast „Am Rande der Gesellschaft“ | |
zu Gast. | |
Als es um die gemeinsame Ablehnung von Geschlechtergerechtigkeit ging, | |
sagte Krah: „Das Lustigste, was ich beim Pride Month erlebt habe, war 2021 | |
– da hatte die US-Botschaft in Kabul ganz stolz den Pride Month ausgerufen. | |
Es dauerte keine drei Wochen, bis die Taliban in Kabul eingerückt sind. Ich | |
glaub, dass das die einzig richtige Antwort auf den Pride Month gewesen | |
ist.“ | |
Kubitschek blieb das Lachen im Halse stecken. Seine Frau Ellen Kositza | |
lachte gezwungen in die entstandene, peinlich berührte Stille. Sollte man | |
in die Verlegenheit kommen, jemals das Wort „cringe“ definieren zu müssen, | |
dieser Moment wäre gut geeignet. Krah reißt nicht nur geschmacklose Witze, | |
er ist auch der designierte Spitzenkandidat der AfD für die Europawahl. | |
Auf dem anstehenden Parteitag in Magdeburg stellt die extrem rechte Partei | |
ihre Liste für den Juni 2024 auf. Krah, Beisitzer im Bundesvorstand, lehnt | |
den Begriff „konservativ“ für sich und die AfD ab. Er bezeichnet sich | |
lieber klar als „rechts“. | |
## Von der CDU in die AfD | |
Sein in Kubitscheks Verlag veröffentlichtes Buch heißt entsprechend: | |
„Politik von rechts – ein Manifest“, das Vorwort steuerte der | |
AfD-Ehrenvorsitzende Alexander Gauland bei. Krah bemüht die | |
Verschwörungsideologie vom Bevölkerungsaustausch, bedient sich beim | |
antisemitischen NS-Vordenker Carl Schmitt und [1][verfolgt rechtsextreme | |
Konzepte des Ethnopluralismus]. | |
Vor seinem schnellen Aufstieg in der AfD war der erzkatholische Krah in der | |
sächsischen CDU aktiv, [2][bewegte für die reaktionäre Piusbruderschaft | |
Millionen], um Steuern zu vermeiden und [3][vertrat kurzzeitig als Anwalt | |
den Holocaust-leugnenden Bischof Richard Williamson]. | |
Mit seinem offen zur Schau gestellten Rechtsradikalismus ist Krah sogar | |
innerhalb der AfD eine Reizfigur. Nicht zuletzt deswegen dürfte es auf dem | |
AfD-Parteitag zu Kampfkandidaturen und offenem Streit kommen. Die | |
parteiinternen Gegner*innen von Krah – vor allem die versprengten Reste | |
des Meuthen-Lagers, die mit ihrem Kurs der Selbstverharmlosung gegen den | |
Höcke-Flügel gescheitert sind – greifen Krah seit Wochen und Monaten immer | |
wieder frontal auf einem Telegram-Kanal an, wo sie ihm vor allem Nähe zu | |
China, dem Konzern Huawei, seine offene Bewunderung für das illiberale | |
Russland und sein Abstimmungsverhalten vorwerfen. | |
## Keine Kampfkandidatur angekündigt | |
Ein Showdown in Magdeburg scheint vorgezeichnet: In Parteikreisen kursieren | |
zwar mehrere Listen mit unterschiedlichen Namen und Reihenfolgen – einen | |
Konsens jedoch gibt es nur darüber, dass es keinen Konsens gibt. Eine | |
offizielle Kampfkandidatur gegen Krah ist zwar nicht angekündigt, gehandelt | |
wird in Parteikreisen aber unter anderem der Bundestagsabgeordnete Norbert | |
Kleinwächter, der vor einem Jahr beim Parteitag von Riesa gegen den | |
Co-Vorsitzenden Tino Chrupalla scheiterte. | |
Schlechtes Omen für Kleinwächter: Damals wie heute hat der 37-jährige | |
Englisch- und Französischlehrer keine Rückendeckung von seinem | |
Landesverband Brandenburg, der ihn nicht mal als Delegierten aufstellte. | |
Auf taz-Anfrage, ob er antritt, heißt es von Kleinwächter: „Ich halte es | |
mir offen.“ | |
Auf einem Podium Anfang Juli war Kleinwächter gegenüber Krah jedenfalls | |
angriffslustig. Er warf ihm an den Kopf, dass er der chinesischen | |
Staatsführung zum 70. Jahrestag der Volksrepublik gratuliert habe, und | |
fragte, warum er das Emirat Katar in Schutz nehme, [4][was Krah etwas | |
perplex zurückließ]. | |
Dass der bei vielen strittige Krah und der wenig Rückhalt genießende | |
Kleinwächter als Spitzenkandidaten gehandelt werden, zeigt das eklatante | |
Personalproblem der AfD auf: Auf allen Ebenen fehlt es an kompetenten | |
Kandidat*innen – auch weil die Partei nur rund 30.000 Mitglieder hat. | |
Das sind deutlich weniger, als selbst die kleine FDP mit ihren 77.000 | |
Mitgliedern aufweist. | |
Entsprechend wenig neue Namen werden für den Rest der Liste gehandelt: Die | |
meisten gehen davon aus, dass ein Großteil der bisherigen EU-Abgeordneten | |
wieder antreten wird: Gunnar Beck, Joachim Kuhs und Christine Anderson | |
etwa. Ebenso sind die Namen der Bundesvorstände Harald Weyel und Marc | |
Jongen im Gespräch sowie der des außenpolitischen Sprechers der | |
Bundestagsfraktion, Petr Bystron. | |
Mit Blick auf die Ausrichtung pro Putin ist auch eine mögliche Kandidatur | |
von Dimitrios Kisoudis interessant, der [5][Verfechter eines | |
antiamerikanischen Kurses] gemäß dem russisch-faschistischen Vordenker | |
Alexander Dugin und beim Co-Vorsitzenden Tino Chrupalla im Bundestag | |
beschäftigt ist. Ebenso gilt als gesichert, dass mit dem Thüringer | |
Landtagsabgeordneten René Aust einer der wichtigsten Höcke-Gehilfen [6][für | |
einen der vorderen Plätze antreten] will. | |
## Krah auch bei Rechtsradikalen unbeliebt | |
Die Dynamik des Parteitages hängt davon ab, ob sich der Höcke-Flügel | |
tatsächlich traut, die Reizfigur Krah aufzubieten. Denn auch im | |
völkisch-nationalistischen Lager ist man sich bewusst, dass Krah nicht nur | |
von den alten Meuthen-Kreisen abgelehnt wird. | |
Krah ist nicht nur wegen seiner ideologischen Nähe zu Schnellroda und Höcke | |
umstritten, sondern auch bei den rechtsradikalen Kollegen aus dem | |
Europaparlament unbeliebt: Mehrfach wurde er von der rechtsradikalen | |
ID-Fraktion suspendiert, in der sich die AfD unter anderem mit dem | |
französischen Rassemblement National (RN) und der italienischen Lega | |
zusammengeschlossen hat. | |
[7][2022 für sechs Monate], weil er im französischen | |
Präsidentschaftswahlkampf nicht Marine Le Pen vom RN unterstützt hat, | |
sondern ihren rechtsextremen Konkurrenten Éric Zemmour. Ein weiteres Mal | |
für drei Monate Anfang dieses Jahres, weil er [8][die Vergabe eines | |
PR-Auftrages] manipuliert haben soll; Krah bestreitet die Vorwürfe. Die | |
Suspendierung wurde im Mai verlängert. | |
Neben dem Personalstreit wird es in Magdeburg aber auch inhaltliche | |
Richtungskämpfe geben: Der Leitantrag forderte in der Präambel ursprünglich | |
die „geordnete Auflösung der EU“. In einem der zahlreichen Änderungsantr�… | |
ist mittlerweile zwar nur noch die Rede davon, dass [9][die Formulierung | |
ein „redaktionelles Versehen“] sei, aber sie dürfte wie viele andere Punkte | |
umkämpft sein. | |
Den Begriff „Dexit“ will die AfD im Wahlkampf und -programm vermeiden, | |
deswegen will man nach der Korrektur nur eine „neue europäische | |
Wirtschafts- und Interessensgemeinschaft gründen, einen Bund europäischer | |
Nationen“. Bereits der Parteitag von Riesa vor einem Jahr zerstritt sich | |
über den Europakurs – damals traten vor allem Differenzen zwischen Höcke | |
und dem Bundesvorstand zutage. | |
Inhaltlich findet sich darüber hinaus extrem rechte Ideologie, wie man sie | |
[10][bereits von der AfD kennt]: Antisemitismus – die EU werde getragen von | |
„globalistisch eingestellten Eliten“; Aufrüstung bei „Remigration“ mit… | |
Militär, die eher nach Deportationen klingen; das Ende von Schengen und der | |
offenen Grenzen innerhalb Europas; Arbeitnehmerfreizügigkeit soll | |
beschnitten werden, [11][Sozialstandards lehnt die AfD ab]. | |
Russlandsanktionen sollen aufgehoben, Abtreibung soll erschwert werden. | |
Ebenso gibt es die Dauerbrenner Leugnung der Klimakrise und den rechten | |
Kulturkampf: die Ablehnung von „Gender-Ideologie“ und „Schuld- und | |
Schamkultur“. Aber auch das Gründungsthema Euro gibt es noch: Die | |
Wiedereinführung der D-Mark steht immer noch auf dem Programm. | |
## Italienische Lega will AfD als Verbündete opfern | |
Den Kurs der Fundamentalopposition lehnen viele rechtspopulistische | |
Parteien in Europa mittlerweile ab. So war die AfD Anfang Juni [12][nicht | |
auf dem Gruppenfoto beim Vernetzungstreffen] des ungarischen | |
Ministerpräsidenten Viktor Orbán anwesend, der in der AfD von vielen als | |
autoritärer Poster-Boy angehimmelt wird – anders als PiS, Fratelli | |
d’Italia, Lega, FPÖ, Schwedendemokraten, britische Konservative, Vlaams | |
Belang und die spanische Vox. Orbán sagte bereits letzten Oktober: „Wir | |
sind gezwungen, auf dem Altar guter zwischenstaatlicher Beziehungen die | |
Beziehungen zur AfD zu opfern.“ | |
Aus der Lega hieß es: „Die Lega ist vom Wesen her eine Regierungspartei. | |
Dennoch werden wir als ‚die italienischen Freunde der deutschen | |
Extremisten‘ wahrgenommen“, Salvini sei bereit, die AfD als Verbündete zu | |
opfern. | |
Die AfD, die am Freitag bereits darüber abstimmen will, ob sie künftig auch | |
der ID-Partei angehören will, hat die Zugehörigkeit also nicht unbedingt | |
selbst in der Hand. Mit Krah dürfte sich daran wenig ändern. Die 2019 | |
gewählten AfD-Abgeordneten, damals angeführt von Meuthen, haben sich in der | |
letzten Legislatur nicht zuletzt seinetwegen heillos zerstritten. Auch über | |
die Personalie Krah. | |
Den ersten Aufreger verursachte er mit seiner Personalpolitik 2019, kurz | |
nach dem zweiten Einzug ins Parlament: Er hatte einen Mitarbeiter | |
eingestellt, der beim französischen Rassemblement National wegen eines | |
Fotos hinausgeflogen war. Darauf war der Mitarbeiter zu sehen, wie er sich | |
für eine Feier als antisemitische Karikatur verkleidet hatte, [13][die an | |
NS-Propaganda erinnert]. Dazu sagte Krah damals: „Das Bild ist nicht schön, | |
aber ich kann darin kein Fehlverhalten sehen.“ Er verharmloste es als | |
„Karnevalsgag“. Und mit schlechten Gags kennt Krah sich bestens aus. | |
27 Jul 2023 | |
## LINKS | |
[1] https://www.volksverpetzer.de/analyse/krah-vfs/ | |
[2] https://www.welt.de/politik/deutschland/article193737945/Maximilian-Krah-Af… | |
[3] https://www.domradio.de/artikel/die-piusbruderschaft-und-ihr-verhaeltnis-zu… | |
[4] https://www.nzz.ch/international/die-afd-streitet-ueber-aussenpolitik-raus-… | |
[5] https://www.welt.de/politik/deutschland/plus245553768/Chrupalla-Mitarbeiter… | |
[6] https://www.thueringer-allgemeine.de/politik/einer-der-wichtigsten-hoecke-g… | |
[7] https://www.zeit.de/politik/deutschland/2023-02/europaparlament-afd-nicolau… | |
[8] https://www.zeit.de/2023/29/afd-umfrragehoch-politische-rechte-maximilian-k… | |
[9] https://www.tagesschau.de/inland/afd-eu-100.html | |
[10] https://twitter.com/JHillje/status/1676966059902124033 | |
[11] /Die-AfD-und-die-Sozialpolitik/!5946707 | |
[12] https://www.welt.de/politik/deutschland/plus246039014/AfD-im-Europaparlame… | |
[13] /AfD-Mitarbeiter-im-Europaparlament/!5615129 | |
## AUTOREN | |
Gareth Joswig | |
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