# taz.de -- Umgang mit der AfD: Unterscheidbarkeit oder Untergang | |
> Der CDU fehlt ein Konzept, wie sie mit der AfD umgehen will. Dafür | |
> müssten die Konservativen aber erst einmal definieren, wofür sie genau | |
> stehen. | |
Bild: Schlecht beraten oder ohne Konzept? CDU-Chef Friedrich Merz wirkt im Umga… | |
Im kommenden Jahr könnte es für die CDU düster aussehen. Nicht nur werden | |
in Brandenburg, Thüringen und Sachsen neue Landtage gewählt, in denen die | |
AfD stärkste Kraft werden könnte. In allen ostdeutschen Bundesländern sind | |
auch Kommunalwahlen – weitere Bürgermeisterposten und Landratsämter könnten | |
an die radikal rechte Partei fallen. Es dürfte auch dieses Szenario sein, | |
das [1][CDU-Chef Friedrich Merz] zu seinem Versuch brachte, das Verbot der | |
Zusammenarbeit mit der AfD auf kommunaler Ebene im ZDF-Sommerinterview zu | |
kassieren. | |
Das ist bekanntlich schiefgelaufen. Die Kritik, vor allem auch aus der | |
eigenen Partei, war groß, Merz musste eine Rolle rückwärts machen und | |
behauptete dreist, er habe nicht gesagt, was er gesagt hatte. Was die | |
Empörung eher vergrößerte. Man kann nun von einem neuen | |
Kommunikationsdesaster sprechen – Merz’ Beschreibung der CDU als | |
„Alternative für Deutschland mit Substanz“ war noch nicht lange her, ebenso | |
wenig, dass er die Grünen, mit denen die CDU in sechs Ländern regiert, zum | |
„Hauptgegner“ ausrief. Man kann auch von einem strategischen Fehltritt | |
reden, weil Merz die Aufweichung des Zusammenarbeitsverbots in einem | |
Interview rausgehauen hat, ohne seine Partei darauf vorzubereiten. | |
Aber das Problem ist größer als ein eigenmächtig agierender und schlecht | |
beratener Friedrich Merz, der einen Fehler nicht zugeben kann: Der CDU | |
fehlt ein Konzept, wie sie mit der AfD umgehen will. | |
Dieses Problem wird dadurch verschärft, dass der Partei noch immer eine | |
inhaltliche Selbstvergewisserung fehlt. Die CDU weiß nicht, wofür sie | |
steht. Sie kritisiert die Ampel – etwa beim Heizungsgesetz – schrill, kann | |
aber keine eigenen Lösungsvorschläge vorweisen. Dass ihre Zustimmungswerte | |
stagnieren, die AfD aber zulegt, macht sie noch nervöser. | |
## Finger weg von einfachen Lösungen | |
Die CDU braucht dringend eigene Antworten. Die können durchaus konservativ | |
ausfallen, auch in den Themenfeldern innerer Sicherheit oder Migration – | |
solange sie lösungsorientiert, sachlich durchdacht und am Grundgesetz | |
ausgerichtet sind. Von einem populistischen Wettbewerb mit der AfD samt der | |
Suche nach Sündenböcken und vermeintlich einfachen Lösungen sollte die CDU | |
die Finger lassen. Denn das würde am Ende nur bei den extrem Rechten | |
einzahlen. | |
Solch konservative Positionierungen können und müssen Linke und | |
Linksliberale kritisieren und für die eigenen Vorschläge werben. Der | |
Vorwurf an die CDU, das Geschäft der AfD zu betreiben, sollte dabei sorgsam | |
geprüft und präzise verwendet werden. Wenn Parteien sich unterscheiden und | |
es auch für demokratische Rechte eine politische Heimat gibt, ist das gut | |
für die Demokratie. | |
Für die CDU ist das manchmal eine nicht ganz einfache Gratwanderung. Auch | |
deshalb muss die Abgrenzung zur AfD stehen, auch und gerade in den | |
Kommunen. Je stärker aber die AfD wird, desto komplizierter wird es; | |
Bürgermeister und Landräte lassen sich nicht einfach ignorieren. Und wer | |
ohnehin mit einer Zusammenarbeit mit der extrem rechten Partei liebäugelt, | |
und davon gibt es gerade in der ostdeutschen CDU einige, wird seine | |
Annäherung als pragmatische Arbeit verkaufen. Aus der Berliner CDU-Zentrale | |
ist das schwer zu verhindern, obwohl seit 2018 ein Parteitagsbeschluss die | |
Zusammenarbeit mit AfD wie Linkspartei untersagt. | |
Der CDU-Chef weiß das. Seine Vorvorgängerin Annegret Kramp-Karrenbauer | |
hatte mit dem gescheiterten Versuch, die [2][Thüringer Landtagsfraktion] | |
nach der Wahl des Ministerpräsidenten auch mit Stimmen der AfD zur | |
Besinnung zu bringen, ihre Autorität verspielt. Merz hat wohl auch deshalb | |
versucht, das Zusammenarbeitsverbot auf der kommunalen Ebene | |
wegzudefinieren. | |
Auch wenn er es inzwischen anders darstellt: Erweckt wurde der Anschein, | |
dass er seinen Segen für die [3][Zusammenarbeit mit der AfD] im Lokalen | |
gibt. Damit hat er auch die Kommunalpolitiker*innen geschwächt, die | |
sich vor Ort tagtäglich Anfeindungen entgegenstellen. Das Gegenteil wäre | |
richtig und notwendig. | |
Erforderlich ist zudem eine Verständigung innerhalb der CDU darüber, was | |
vor Ort sinnvoll ist. Zum Beispiel: auch bei scheinbar unverfänglichen | |
AfD-Vorstößen wie dem derzeit viel zitierten Kitaausbau eine Mehrheit unter | |
den demokratischen Parteien zu suchen; sich bei eigenen Anträgen und | |
Personalvorschlägen nicht von den Stimmen der AfD abhängig zu machen; und | |
nichts zu tun, was die Agenda der extrem rechten Partei stärkt. Das sind | |
einige der Ratschläge von Expert*innen. | |
Wird die Abgrenzung im Kommunalen aufgeweicht, wird sie auch auf den | |
anderen Ebenen fallen. Nicht nächstes oder übernächstes Jahr. Aber | |
mittelfristig. Das darf nicht passieren. | |
29 Jul 2023 | |
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## AUTOREN | |
Sabine am Orde | |
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