| # taz.de -- AfD und Friedrich Merz: Was sind „normale Leute“? | |
| > Früher wollte keiner normal sein, auch unser Kolumnist nicht. Heute ist | |
| > er normaler, als die AfD erlaubt. | |
| Bild: „Grüne Heizideologie“: Friedrich Merz im Wahlkampfmodus | |
| Früher wollte ich alles, nur nicht „normal“ sein. Normal waren die anderen. | |
| Normal war scheiße. Wenn jemand (Mutter, Lehrer, Trainer, | |
| CDU-Ortsvorsteher) rief, ich sei „doch nicht normal“, dachte ich: Genau. | |
| Super. Darum geht’s im Leben. Ich wählte sogar eine machtlose Partei im | |
| kulturellen Widerstand zur Normalität, um auf keinen Fall normal zu sein. | |
| Yada-yada-yada … und heute bin ich normal. Eine Frau, zwei Kinder, kein | |
| Auto, ab und zu ein [1][Schnitzel] und für mehr Waffenlieferungen an die | |
| Ukraine. Hunds- und strunznormal. Und hey, das ist total schön. Eine | |
| intellektuelle Aufstiegsgeschichte. Wenn jetzt Politiker kommen und sagen, | |
| sie wollten Politik für „normale Leute“ machen, dann kann ich nur sagen: | |
| Supi, Jungs, die sozialökologische Transformation braucht euch. | |
| Seriously: „Normal“ war eine Kategorie für eine homogene und patriarchale | |
| Gesellschaft in der bundesdeutschen Industriegesellschaft, von der immer | |
| mehr sich mit eigenen Kulturen und fortschreitendem Individualismus | |
| abgrenzen wollten und mussten. In einer pluralistischen, diversen und | |
| emanzipatorisch fortgeschrittenen Gesellschaft des 21. Jahrhunderts sind | |
| Unterschiede und Unterschiedliche normal. | |
| Diese Normalität der kulturellen Vielfalt muss in alle Richtungen | |
| akzeptiert werden – solange sie auf der Anerkennung von Grundgesetz und | |
| geltender Ordnung basiert. Konkret: Ein Auto zu haben ist normal. Kein Auto | |
| zu haben ist auch normal. Wurst zu essen ist normal. Keine Wurst zu essen | |
| ist auch normal. | |
| ## Prügelstrafe für Kinder? Galt mal als normal | |
| Kinder zu schlagen war in der alten Bundesrepublik normal. Eltern, Lehrer, | |
| Pfarrer, patsch. Jetzt ist es absolut nicht mehr normal und außerdem | |
| verboten. Das Beispiel zeigt, dass die kulturelle Normalität sich – | |
| regulatorisch verankert – entwickelt hat. Gas- und Ölheizungen waren eben | |
| noch normal. Künftig sind sie es nicht mehr. Das ist keine „grüne | |
| Heizideologie“, wie Union, FDP und Focus Online fürchten, das ist bloß eine | |
| weitere Novellierung des Gebäudeenergiegesetzes, die notwendig geworden ist | |
| durch das Klimagesetz der inzwischen abgewählten Regierung aus CDU, CSU und | |
| SPD, das wiederum aus einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts folgt. | |
| Alles hat seine institutionelle Ordnung, alles läuft ganz normal. | |
| Was wir Bundesdeutsche haben – und ich bin sehr dankbar dafür –, ist die | |
| Normalität einer pluralistischen Gesellschaft, die von | |
| liberaldemokratischen Institutionen geführt und geschützt wird. Nicht | |
| normal ist nur die Verabsolutierung einer partikularistischen Normalität, | |
| in der einer von vielen Lebensstilen und Kulturen als Maß aller Dinge | |
| gesetzt wird und andere herabgesetzt werden. Das gilt in Abstufungen auch | |
| für manche liberalkonservative Politiker, Linkspopulisten, Superwokies, | |
| grüne Identitätspolitiker und spaltende Klimaaktivisten, aber in erster | |
| Linie für die AfD. | |
| Es gibt nämlich bei der Frage der Normalität einen zentralen Punkt, an den | |
| man sich im Zweifel halten kann: [2][Friedrich Merz] ist Oppositionsführer, | |
| Markus Söder ist im Wahlkampf, beide überziehen populistisch, sind aber, | |
| Stand jetzt, Liberaldemokraten und Europäer. Die AfD dagegen will die | |
| Demokratie und freie Gesellschaft der Bundesrepublik, die Europäische | |
| Union und jede Form von zukunftsorientierter Wirtschafts- und Klimapolitik | |
| zerstören. | |
| Das sind keine normalen Leute. Und es sind auch keine guten Deutschen. | |
| 13 Aug 2023 | |
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| Peter Unfried | |
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