| # taz.de -- Friedrich Merz im Kulturkampf: Für den billigen Erfolg | |
| > Der CDU-Chef bezeichnet die Grünen als „Hauptgegner“. Das ist aber nur | |
| > der Gipfel eines fehlgeleiteten Kulturkampfes, der letztlich nur der AfD | |
| > nützt. | |
| Bild: Ist sich für kein Grünen-Bashing zu schade: Merz | |
| Als Reaktion auf die Wahl des bundesweit [1][ersten Landrats der AfD in | |
| Thüringen] hat CDU-Chef Friedrich [2][Merz die Grünen zum Hauptgegner der | |
| CDU ausgerufen]. Ausgerechnet in Kiel, wo seine Partei ganz erfolgreich mit | |
| den Grünen regiert. Merz’ Einlassung dürfte auch in den anderen fünf | |
| Ländern, in denen CDU und Grüne zusammenarbeiten, nicht gut ankommen. Der | |
| hessische Ministerpräsident Boris Rhein etwa will wohl nach der Wahl im | |
| Oktober das Bündnis mit den Grünen gerne fortsetzen. Leichter macht Merz | |
| das nicht. | |
| Auch mit Blick auf den Bund leuchtet dessen Einlassung nicht ein. Die CDU | |
| will zurück an die Macht, dafür ist ein Bündnis mit den Grünen eine | |
| wichtige Option. Sonst bleibt nur eine Große Koalition. Dass die CDU | |
| überhaupt einen Hauptgegner ausrufen muss, zeugt zudem nicht gerade von | |
| Selbstbewusstsein. Aber dass die Partei nicht von der schlechten | |
| Performance der Ampel profitiert und die AfD laut Umfragen in vielen | |
| ostdeutschen Ländern stärkste Kraft werden könnte, ist eben nicht gut für | |
| das Selbstwertgefühl. | |
| Man könnte das alles als innerchristdemokratisches Problem ansehen wie auch | |
| die sich anbahnenden Machtkämpfe um die Kanzlerkandidatur und die | |
| [3][„Agenda für Deutschland“, das neuste Papier, das dazu verleitet, es mit | |
| „AfD“ abzukürzen]. Doch Merz’ Einlassung deutet auf ein tiefer liegendes | |
| Problem. Und das ist gefährlich. Nicht nur für die CDU, sondern auch für | |
| die Demokratie. | |
| Dabei geht es nicht darum, dass die CDU die Grünen nicht kritisieren, sich | |
| an ihnen abarbeiten oder als politischen Gegner ausmachen soll. Das ist | |
| richtig und wichtig, es ist ihr Job als Oppositionspartei. Auch darf sich | |
| die CDU gerne konservativ aufstellen, mit Positionen, die Linken und | |
| Linksliberalen nicht gefallen. Im demokratischen Parteienspektrum ist das | |
| ihre Aufgabe. | |
| Die entscheidende Frage ist, wie sie das macht. | |
| Seit einer Weile ist – etwa hinsichtlich der Grünen – eine Verschärfung d… | |
| Diskurses auszumachen. Da werden die Grünen nicht nur für die Spaltung der | |
| Gesellschaft verantwortlich gemacht, da wird ihnen eine | |
| „Volkserziehungsattitüde“ (Friedrich Merz) attestiert, die Schaffung von | |
| „Verschwörungstheorien“ unterstellt (Mario Czaja), oder sie sind gleich die | |
| „Heizungs-Stasi“ (Mario Voigt). Die Grünen würden so zur Gefahr für die | |
| Meinungsfreiheit – und die Demokratie. Mit diesem Framing arbeitet auch die | |
| AfD, besonders mit Blick auf die Grünen, aber eigentlich auf alle, die sie | |
| „Altparteien“ nennt. Auch das hat die extrem rechte Partei zu ihrem Erfolg | |
| gebracht. | |
| Man mag das spitzfindig finden, aber dieses Framing ist gefährlich. Denn | |
| was ankommt, ist: Wenn die demokratische CDU so spricht, dann kann es so | |
| falsch ja nicht sein. Das normalisiert die radikale Rechte. „Mainstreaming“ | |
| nennt das die Wissenschaft. Zahlreiche Studien mit Blick auf Deutschland | |
| und andere europäische Länder zeigen zudem: Es zahlt nicht bei der CDU oder | |
| anderen Mitte-rechts-Parteien ein. Sondern bei denen am rechten Rand. | |
| ## Abschüssiges Gelände | |
| Lange schien es so, als würde sich die CDU vor Kulturkämpfen hüten – auch | |
| wenn diese zunächst billigen Erfolg versprechen. Doch auch hier verschiebt | |
| sich etwas. Das Gendersternchen scheint für manche CDU-Politiker zur | |
| Obsession zu werden, verkehrspolitische Debatten werden zum Kulturkampf | |
| fürs Auto hochgejazzt, vegetarische Gerichte in Kitas oder Kantinen zu | |
| einem fürs Fleisch – vom Desaster ums Heizungsgesetz mal ganz zu schweigen. | |
| Als „abschüssiges Gelände“ hat der Politikwissenschaftler Thomas | |
| Biebricher, der gerade eine Untersuchung zur Rechtsdrift von konservativen | |
| Parteien in Europa vorgelegt hat, solche Debatten bezeichnet. Weil es dabei | |
| immer ums Ganze gehe und Kompromisse kaum möglich seien, nützten sie | |
| mittelfristig den radikalen Rechten. Mit Blick etwa auf Großbritannien und | |
| die USA rät Biebricher der CDU dringend, die Finger davon zu lassen. | |
| Natürlich ist Merz weder Johnson noch Trump, und das sollte ihm auch | |
| niemand unterstellen. Auch sind wir von Verhältnissen wie in den USA und | |
| Großbritannien weit entfernt. Aber die Lage in Ostdeutschland ist brisant. | |
| Im kommenden Jahr wird in Sachsen, Thüringen und Brandenburg ein neuer | |
| Landtag gewählt, laut Umfragen könnte die AfD stärkste Kraft werden. | |
| Wissenschaftler*innen sehen in diesen drei Wahlen mögliche | |
| „Kipppunkte“. Ihre Analyse: Die Demokratie befinde sich in der Klemme | |
| zwischen extrem rechten Parteien und einem hohen [4][Bedürfnis der | |
| Bevölkerung nach Autorität] insgesamt. Das sollte allen Demokrat*innen | |
| eine Warnung sein. Aber die CDU muss jetzt die Grenze zur extremen Rechten | |
| abdichten. Auch in ihrem eigenen Interesse. | |
| 30 Jun 2023 | |
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| Sabine am Orde | |
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