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# taz.de -- Energieproduktion auf künstlichen Inseln: Industriepark Nordsee
> In der Nordsee soll auf künstlichen Inseln Strom aus Windparks in
> Wasserstoff verwandelt werden. Der Naturschutzbund hält nichts von dem
> Projekt.
Bild: Computeranimation der geplanten Energieinsel: So stellen sich die Entwick…
Neumünster taz | Alles ist so schön grün auf der neuen Insel, die rund 150
Kilometer vor der deutschen Küste auf einem aufgeschütteten Fundament aus
der Nordsee wachsen soll. Einen Park mit Bäumen, weiße Technikgebäude und
einen Hafen zeigt die Projektskizze des dänischen Investors Copenhagen
Infrastructure Partners (CIP). Auf zwei dieser Inseln, je 50 Hektar groß
und rund 2,5 Milliarden Euro teuer, soll ab 2032 Windstrom aus
Offshore-Parks gesammelt und in Wasserstoff verwandelt werden.
Das Projekt, über das der Spiegel zuerst berichtete, ist eine Folge des
Ostende-Abkommens vom vergangenen März, bei dem sich neun Staaten auf den
Ausbau erneuerbarer Energien in der Nordsee geeinigt hatten. Aus Sicht des
Naturschutzes geht die Entwicklung jedoch in die falsche Richtung: Um Ärger
mit Anwohner*innen an Land zu vermeiden, werde die [1][Nordsee] in
einen Industriepark verwandelt.
„Wir sind sehr beunruhigt, mit welcher Dynamik und teilweise
naturschutzfachlicher Rücksichtslosigkeit die Bundesregierung ins Meer
drängt“, sagt Kim Detloff, Leiter für [2][Meeresschutz] beim
Naturschutzbund Nabu. Bereits jetzt seien 90 Prozent der Nordsee verplant,
selbst Naturschutzgebiete seien betroffen. „In jede Nische werden Windräder
gepackt, Nutzungen übereinandergestapelt.“
Der Nabu stelle sich dabei keineswegs gegen den Ausbau erneuerbarer
Energien, betont Detloff. „Aber wir glauben, dass es technisch und
wirtschaftlich weit sinnvoller wäre, [3][Wasserstoff] an Land zu
produzieren, wo er gebraucht wird. Stattdessen konzentriert sich die
Politik auf das Meer, weil es an Land Widerstände gegen den Ausbau der
erneuerbaren Energien gibt.“ Anders gesagt: Menschen klagen, Robben und
Flundern nicht.
Für eine dezentrale Wasserstofferzeugung an Land statt auf See setzt sich
auch der Landesverband Erneuerbare Energien ein. Eine „gewisse
Produktionskapazität auf dem Meer“ sei zwar nötig, um die Klimaziele bis
2045 zu erreichen, sagt Landesgeschäftsführer Marcus Hrach. „Doch damit
Schleswig-Holstein nicht nur Wasserstoff-Transitland wird, müssen Verbrauch
und Erzeugung auf regionaler Ebene strategisch mitgedacht werden.“ Hinzu
kommen technische Vorteile: Bei der Erzeugung von Wasserstoff entsteht
Abwärme. An Land könne sie genutzt werden, auf See verpufft sie.
Für die Bundesregierung soll die Nordsee dagegen „in ganz kurzer Zeit
[4][der wichtigste Ort der Energieproduktion] sein“. Das sagte
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am Ende eines [5][Nordsee-Gipfel im
belgischen Ostende] im April. Neun Länder, darunter die EU-Staaten
Deutschland, Belgien, Dänemark, Frankreich, Irland, Luxemburg und die
Niederlande sowie die Nicht-EU-Staaten Norwegen und Großbritannien,
beschlossen dabei einen EU-weiten Ausbau.
So etwa sollen bis 2050 mindestens 300 Gigawatt aus der
Offshore-Windenergie stammen. Deutschland will dazu beträchtlich beitragen:
Zurzeit produzieren Offshore-Parks vor den deutschen Küsten rund acht
Gigawatt Strom im Jahr. Bis 2030 sollen es nach dem Abkommen von Ostende
bereits 26,4 Gigawatt sein. Bis 2045 ist eine Aufstockung auf 66 Gigawatt
in der Nordsee geplant. Um diese Ziele zu erreichen, einigten sich die
Staaten auf den Ausbau gemeinsamer Infrastruktur, also Kabel, um den Strom
an Land zu bringen, sowie die Energie-Inseln.
Zuständig für die Genehmigung der Anlagen ist das Bundesamt für
Seeschifffahrt und Hydrographie. Dort sind nun auch die Anträge für die
ersten deutschen Energie-Inseln eingegangen, die „Nordsee-Energieland“ und
„Dogger-Energieinsel“ heißen sollen.
Das Land Schleswig-Holstein ist nicht in die Planungen einbezogen, teilt
das Ministerium für Energiewende und Umweltschutz mit. Dennoch schauen der
grüne Fachminister Tobias Goldschmidt und sein Team aufmerksam auf das, was
vor der Küste passiert. Mit 150 Kilometern sei der Abstand zu den
Schutzgebieten im schleswig-holsteinischen Küstenmeer groß. Aber vom Bau
und Betrieb der Inseln könnten Meeressäuger und Meeresvögel betroffen sein,
die zwischen tieferer See und Küsten leben.
## Keine Pipelines durch den Nationalpark Wattenmeer
Ein wichtiger Punkt aus Sicht des Landes ist, wo künftig Kabel oder
Pipelines verlaufen. Schleswig-Holstein hat bereits eine Trasse definiert,
die den Nationalpark Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer ausspart. „In
dieser Trasse sollen zukünftig nach Vorstellung des Landes alle
Anbindungsleitungen verlaufen“, sagt ein Ministeriumssprecher.
Ob dieser Wunsch gewährt wird? Kim Detloff vom Nabu sieht zurzeit „großen
Druck aus dem Wirtschaftsministerium“, mit der [6][Energiewende]
voranzukommen, auch wenn dabei Naturschutzbelange vernachlässigt werden.
„Bei allem Verständnis für die Notwendigkeit – mich frustriert und
erschreckt, wie schnell bisherige Grundsätze fallen.“
Dabei sei der Kampf gegen den Klimawandel nur zu gewinnen, wenn der
Naturschutz gleichrangig behandelt werde. „Ich ärgere mich am meisten
darüber, dass die Politik das Hochseeschutzabkommen feiert und auf die
Bedeutung von Biodiversität hinweist, aber in Nord- und Ostsee interessiert
das auf einmal nicht“, sagt Detloff.
30 Jun 2023
## LINKS
[1] /Nordsee/!t5008145
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[4] /Windenergie-in-der-Nordsee/!5929795
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[6] /Energiewende/!t5008062
## AUTOREN
Esther Geißlinger
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