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# taz.de -- Wasserstoff-Anlage im Naturschutzgebiet: Vögel sollen Energiewende…
> Im Natur- und EU-Vogelschutzgebiet Voslapper Groden-Nord bei
> Wilhelmshaven soll eine Wasserstoff-Anlage gebaut werden. Nun formiert
> sich Widerstand.
Bild: Zwischen Tanklager und Kunststoffwerk: Im Voslapper Groden-Nord leben heu…
Osnabrück taz | Dünentäler, Schilfröhrichte, Weidengebüsche, Gewässer: Das
rund 260 Hektar große Natur- und EU-Vogelschutzgebiet Voslapper Groden-Nord
beim niedersächsischen Wilhelmshaven ist eine Idylle.
Gut, das Gebiet ist Anfang der 1970er-Jahre durch Eindeichung und
Sandaufspülung entstanden, um Industriegrundstücke zu schaffen, und südlich
grenzt ein Tanklager an, nördlich ein Kunststoffwerk. Aber für die Lücke
dazwischen fand sich kein Interessent, und heute leben hier Dutzende
Vogelarten, manche von ihnen stehen auf der Roten Liste der bedrohten
Arten. Für sie alle, von der Rohrdommel bis zur Wasserralle, vom
Blaukehlchen bis zum Rohrschwirl, ist das Gebiet „von hohem Wert“, so
beschreibt es der Niedersächsische Landesbetrieb für Wasserwirtschaft,
Küsten- und Naturschutz in Norden.
Mit der Idylle könnte es bald vorbei sein. Mitte vergangener Woche
beschloss der Rat der Stadt Wilhelmshaven mit einer Dreiviertelmehrheit
gegen die Stimmen der Grünen und der Ratsgruppe „Die Bunten“ Änderungen im
Flächennutzungsplan. Das öffnet den Weg für eine Bebauung.
Die Tree Energy Solutions GmbH (TES) will hier Anlagen zum Import und zur
Verarbeitung von Wasserstoff bauen. Pech für die Vögel. Die Küste ist hier
ohnehin schon stark bau- und industriebelastet. Der [1][Jade-Weser-Port]
ist nahebei. Dazu kommen Öl-Piers und ein [2][Terminal für verflüssigtes
Erdgas (LNG)]. Jetzt kommt womöglich noch mehr dazu.
„Wir streben nach einer zukunftsorientierten Welt, in der unser
Energienetzwerk das Leben fördert, anstatt es zu gefährden“, beschreibt TES
auf seiner Website seine „Mission“, wie sie es nennen. „Hand in Hand mit
der Natur“ wolle man die Energiewende beschleunigen. Leben fördern? Das
gefiederte Leben im Vogelschutzgebiet würde das Gegenteil erleben. Hand in
Hand mit der Natur? Bei der Zerstörung eines Naturschutzgebietes klingt das
ziemlich merkwürdig.
Zu den „zentralen Bestandteilen“ des TES-Projekts gehöre „die
Wiederverwertung von CO2 mit Hilfe von grünem Wasserstoff“, heißt es in der
Beschlussvorlage des Wilhelmshavener Rats. Klingt gut, auf den ersten
Blick. Aber der Energiehunger Deutschlands ist groß, und die Angst vor
Engpässen, vor Abhängigkeiten, ist es nicht minder. Die Folge:
Infrastrukturbau, auch wenn die Natur das Nachsehen hat.
Diplom-Biologin Tonja Mannstedt, Landesgeschäftsführerin Politik &
Kommunikation des BUND Niedersachsen, Hannover, empört das. „Klar, wir
brauchen Energie“, sagt sie der taz. „Aber hier wird völlig am Bedarf
vorbei geplant. Das ist überdimensioniert.“ Sie wirft der Politik
Lobbyistennähe vor: „Sie macht erneut denselben Fehler, den sie in den
letzten Jahren schon oft gemacht hat: Sie hört auf die falschen Berater.“
Dass gleichwertige Ausgleichsflächen zur Verfügung stehen, bezweifelt sie.
„Wo sollen solche Flächen auch herkommen? Es gibt nur noch kleine Inseln
der Natur in unserer zugebauten Landschaft. Alles, was schützenswert ist,
ist doch schon geschützt.“ TES hat Flächen in den Landkreisen Wittmund und
Cuxhaven gekauft.
Aber noch ist der Bau nicht genehmigt. „Wir geben uns nicht geschlagen und
werden den Kampf bis zum Ende führen“, sagt Mannstedt. Der BUND überlege
derzeit noch, juristische Schritte einzuleiten. Der wirtschaftliche Druck
auf die Küste sei groß. „Da kommt im Moment einiges unter die Räder“, sa…
Mannstedt. Das sei „erschreckend“.
Von Anfang Oktober bis Mitte November liegt der Entwurfsbeschluss nun
öffentlich zur Kommentierung aus. „Das haben wir von vier auf sechs Wochen
verlängert“, sagt Nikša Marušić der taz, Wilhelmshavens Stadtbaurat. „D…
ist ja sehr umfangreiches Material. Wir wollen die Bürger und
Umweltverbände gut beteiligen.“
Dass es auf dem [3][Voslapper Groden-Nord] derzeit noch „sehr viel
wertvolle Natur“ gibt, räumt Marušić ein. „Und es wird Kritik gegen die
Bebauung geben. Aber die [4][Energiewende] ist eine Herausforderung, und
wir versprechen uns Vorteile für den Wirtschafts- und Arbeitsstandort
Wilhelmshaven.“
## Verstöße gegen die Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie
Ende vergangener Woche hat der Europäische Gerichtshof Deutschland in einem
Vertragsverletzungsverfahren verurteilt, in dem es um Verstöße gegen die
[5][Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie] ging, nicht zuletzt um die mangelnde
Ausweisung von Schutzgebieten. Vor diesem Hintergrund scheint die Bebauung
eines Schutzgebiets besonders widersinnig.
„Das passt nicht zusammen“, sagt auch Andreas Tönjes im Gespräch mit der
taz, Wilhelmshavener Ratsherr von „Die Partei“ und Sprecher der Ratsgruppe
„Die Bunten“. Tönjes ist nicht gegen die Energiewende. Aber die
Wasserstofftechnologie sieht er kritisch. „Und ein Naturschutzgebiet dafür
zu zerstören, ist ohnehin nicht gut.“
2.500 Seiten Unterlagen mussten die Ratsmitglieder für ihre Entscheidung
durcharbeiten. „Innerhalb nur weniger Tage“, sagt Tönjes, und man spürt,
was er von dieser Hast hält. Wer mit ihm spricht, hört Worte wie
„Verflechtung“, wie „Lobbyismus“. Jetzt gehe es um Informationsbeschaff…
um Detailanalyse. In Tönjes hat TES einen harten Widersacher.
25 Sep 2023
## LINKS
[1] /Jade-Weser-Port/!t5026942
[2] /Fluessiggas-fuer-Deutschland/!5955461
[3] https://www.nlwkn.niedersachsen.de/naturschutzgebiete/naturschutzgebiet-vos…
[4] /Energiewende/!t5008062
[5] /Naturschutz-geht-voran/!5958489
## AUTOREN
Harff-Peter Schönherr
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Wasserstoff
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