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# taz.de -- Aktionsplan gegen Rechtsextreme: Maue Bilanz, softes Vorgehen
> Vor einem Jahr präsentierte Innenministerin Nancy Faeser ihren
> Aktionsplan gegen Rechtsextremismus. Nur wenig wurde umgesetzt. Auch die
> Ampel übt Kritik.
Bild: Hatte eine harte Kante gegen Rechtsextreme angekündigt: Nancy Faeser
Berlin taz | Es war eine beherzte Ankündigung. Sie wolle rechtsextreme
Netzwerke zerschlagen, die Szene entwaffnen, deren Finanzen trockenlegen,
verkündete Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) [1][im März 2022 mit
ihrem Aktionsplan gegen Rechtsextremismus]. Doch ein Jahr später sieht die
Bilanz dürftig aus – was auch in der Ampel Kritik hervorruft.
Schon zu ihrem Amtsantritt hatte Faeser den Aktionsplan angekündigt. Er
umfasste schließlich 10 Punkte: eine Verschärfung des Waffen- und
Disziplinarrechts, Maßnahmen gegen Onlinehetze, für Aussteigerprogramme
oder Opferhilfen. Man werde „mit Prävention und harter Hand“ gegen die
Szene vorgehen, versprach Faeser. Die Punkte sollten „kurzfristig wirksam“
werden.
Ein Jahr später ist davon indes nicht viel zu sehen. So kann von einer
Zerschlagung rechtsextremer Netzwerke keine Rede sein. Zwar ging die
Bundesanwaltschaft im Dezember [2][gegen umstürzlerische Reichsbürger] vor.
Verbote aber, wie sie Faesers Vorgänger Horst Seehofer etwa gegen
[3][Combat 18] oder Nordadler verhängte, erfolgten bisher nicht. Faeser
sprach bisher nur eines aus: gegen die Rockertruppe [4][„United Tribuns“].
## Zahl der gesuchten Rechtsextremen gestiegen
Zudem wurden zuletzt, Stichtag 30. September 2022, auch noch [5][674
Rechtsextreme mit offenen Haftbefehlen gesucht] – ein Höchststand seit
Jahren. Dazu kamen 155 nicht vollstreckte Haftbefehle auch gegen
Reichsbürger.
Auch eine Entwaffnung der Szene gibt es bisher nicht. Zwar legte Faeser im
Januar einen Gesetzentwurf für eine Verschärfung des Waffenrechts vor.
Diese wird [6][aber bis heute von der FDP blockiert]. Die rechtsextreme
Szene hantiert weiter mit Waffen: Zum letzten Stichtag Ende 2021 besaßen
immer noch [7][1.561 Rechtsextreme und rund 500 Reichsbürger
waffenrechtliche Erlaubnisse]. Aktuellere Zahlen liegen nicht vor. Zudem
verübten Rechtsextreme im Jahr 2021 insgesamt 485 Waffendelikte – knapp die
Hälfte davon waren Gewaltvorfälle. Die Waffenentzüge in der Szene bleiben
überschaubar: In den drei Jahren von 2018 bis 2021 waren es laut
Innenministerium 169.
Im Kabinett verabschiedet ist immerhin [8][ein verschärftes
Disziplinarrecht], mit dem Extremisten schneller aus dem öffentlichen
Dienst fliegen sollen. Das Gesetz muss nun noch durch den Bundestag – von
Polizeigewerkschaften kommt bereits Protest.
Erhöht wurde auch der Druck auf Telegram, gegen Hassnachrichten vorzugehen.
So schickte das Bundeskriminalamt bis Herbst 2022 insgesamt 392
Löschersuche zu strafbaren Inhalten an den Anbieter – 370 davon waren
danach nicht mehr aufrufbar. Zudem verhängte das Bundesamt für Justiz
zuletzt [9][Bußgelder von 5 Millionen Euro] gegen Telegram wegen fehlender
Meldewege. Die großen Onlineplattformen Youtube, Facebook oder Twitter
kooperieren aber weiter nicht mit dem BKA und der dort eigens
eingerichteten Meldestelle. Sie hatten gegen eine Meldepflicht von
Hasspostings geklagt und [10][vorläufig Recht bekommen].
Von Faesers ebenso angekündigten verstärkten Finanzermittlungen in der
rechtsextremen Szene durch den Verfassungsschutz hat man indes wenig
mitbekommen. Ebenso wenig von der versprochenen Allianz zum Schutz
kommunaler Mandatsträger oder zentralen Beratungsangeboten für Angehörige
von Verschwörungsgläubigen.
## „Viel Luft nach oben“
Klar ist, dass der russische Angriffskrieg auf die Ukraine auch im
Innenministerium [11][einige Aufgaben in den Hintergrund rücken ließ].
Dennoch kommt Kritik an der mauen Bilanz des Aktionsplans auch aus der
Ampel. Die Grünen-Innenpolitikerin Misbah Khan sieht dort „noch viel Luft
nach oben“. Es bestehe „in grundlegenden Punkten weiterhin
Handlungsbedarf“. Dabei zeigten die Reichsbürgerrazzien oder Proteste
gewaltbereiter Rechtsextremer gegen Geflüchtete „wie dringend notwendig es
weiterhin ist, das Thema politisch entschlossen zu bearbeiten“, betont
Khan. Die Grünen wünschten sich hier „mehr Engagement und ein kohärentes
Vorgehen gegen Rechtsextremismus“. Es brauche eine „ressortübergreifende
Gesamtstrategie“ und eine Stärkung vor allem der Präventionsarbeit sowie
des Schutzes von Bedrohten.
Deutliche Worte findet auch die Linken-Innenexpertin Martina Renner. „Der
Aktionsplan ist bisher vor allem eine politische Absichtserklärung, der
kein konzertiertes behördliches Handeln gefolgt ist“, kritisiert sie. Beim
Waffenbesitz der Rechtsextremen und den offenen Haftbefehlen sehe sie gar
„eher eine gefährliche Zuspitzung statt einer Entschärfung der Situation“,
sagte Renner der taz. „Je weiter man von der Ebene der medienwirksamen
Inszenierung zur Ebene der tatsächlichen, konkreten und nachhaltigen
Maßnahmen kommt, desto weniger bleibt von den großspurigen Ankündigungen.“
19 Mar 2023
## LINKS
[1] /Aktionsplan-gegen-Rechts/!5838307
[2] /Razzia-bei-Reichsbuergern/!5901865
[3] /Rechtsextreme-Vereinigung-Combat-18/!5675027
[4] /Gewaltvorwuerfe-gegen-Rockertrupp/!5881653
[5] /915-Haftbefehle-nicht-vollstreckt/!5900871
[6] /Nach-den-Schuessen-auf-Zeugen-Jehovas/!5920590
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[8] /Verfassungsfeinde-in-den-Behoerden/!5903868
[9] /Bussgelder-gegen-Messengerdienst/!5885851
[10] /Erfolg-von-Google-und-Meta/!5838864
[11] /Nancy-Faesers-Zukunft/!5909139
## AUTOREN
Konrad Litschko
## TAGS
Schwerpunkt Wie umgehen mit Rechten?
Nancy Faeser
Ampel-Koalition
Rechtsextremismus
Prävention
Martina Renner
Grüne
GNS
Schwerpunkt AfD
Reichsbürger
Kolumne Der rechte Rand
Verschwörung
Bundesanwaltschaft
Waffenrecht
Schwerpunkt Rechter Terror
Nancy Faeser
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