# taz.de -- Erfolg von Google und Meta: Gericht kippt Meldepflicht für Hass | |
> Soziale Netzwerke sollten seit Februar strafbare Hasspostings ans BKA | |
> melden. Doch das Verwaltungsgericht Köln stoppte dies nun. | |
Bild: Vor der Europazentrale von Meta in Dublin | |
Köln taz | Das Verwaltungsgericht Köln hat den zentralen Ansatz der | |
deutschen Politik gegen Hass im Internet vorläufig gekippt. Auf Antrag von | |
Google und [1][Meta/Facebook] wurde die Meldepflicht für strafbaren Hass | |
ausgesetzt. Deutschland dürfe die in Irland ansässigen Konzerne nicht in | |
die Pflicht nehmen. | |
Das „Gesetz gegen Rechtsextremismus und Hasskriminalität“ [2][war bereits | |
im Juni 2020 im Bundestag beschlossen worden.] Es war eine Reaktion auf den | |
Angriff auf die Synagoge von Halle durch einen im Internet aufgehetzten | |
Rechtsextremisten. Wichtigster Inhalt: Soziale Netzwerke wie Facebook und | |
Twitter müssen strafbare Hasspostings nicht mehr nur löschen. Vielmehr | |
müssen sie künftig das Bundeskriminalamt (BKA) informieren. Das BKA | |
rechnete mit jährlich rund 150.000 zusätzlichen Ermittlungsverfahren für | |
die Polizei. | |
Die Einführung der Meldepflicht ins Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) | |
hakte aber von Beginn an. Erst weigerte sich Bundespräsident Frank-Walter | |
Steinmeier zu unterschreiben, dann verweigerten Grün- und FDP-mitregierte | |
Länder im Bundesrat die Zustimmung. Es ginb dabei jeweils um | |
datenschutzrechtliche Spezialprobleme. Eine Neufassung der NetzDG-Novelle | |
wurde erst ein Jahr später im Juni 2021 im Bundestag beschlossen. | |
Stichtag für den Start der Meldepflicht war nun der 1. Februar 2022. Doch | |
auch dieser Stichtag konnte nicht eingehalten werden, weil zunächst Google | |
und Facebook/Meta, später auch noch weitere Unternehmen beim | |
Verwaltungsgericht (VG) Köln gegen die Meldepflicht klagten und Eilanträge | |
stellten. Die Klagen hatten zwar keine aufschiebende Wirkung, aber die | |
Bundesregierung gab freiwillig eine Stillhaltezusage. | |
## Ähnliche EU-Verordnung in Sicht | |
An diesem Dienstag kam nun ohne Ankündigung der Eil-Beschluss des VG Köln. | |
Zentrale Aussage: Der deutsche Gesetzgeber habe gegen das | |
Herkunftsland-Prinzip verstoßen, das in der EU-Richtlinie über den | |
elektronischen Geschäftsverkehr geregelt ist. Ein Ausnahmefall für eilige | |
Entscheidungen habe nicht vorgelegen. Netzwerke können demnach also nur von | |
ihrem Herkunftsland zum Kampf gegen Hass im Netz verpflichtet werden. Der | |
EU-Sitz von Google und Facebook/Meta ist jeweils in Irland. | |
Der Hinweis auf das EU-Herkunftsland-Prinzip begleitet das NetzDG, seit es | |
2018 in seiner ursprünglichen Form eingeführt wurde. Die Bundesregierung | |
hielt es hier aber nicht für anwendbar, weil jeder Staat selbst Regeln über | |
die Bekämpfung von Hassbotschaften aufstellen könne. Auch die EU-Kommission | |
hat darauf verzichtet, gegen Deutschland vorzugehen, wohl weil sie das | |
deutsche Modell beispielhaft fand. Die Klage von Google und Facebook/Meta | |
beim VG Köln konnte aber niemand verhindern. | |
Gegen die Kölner Eil-Entscheidung kann die Bundesregierung zwar noch | |
Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht Münster einlegen. Aber bis zur | |
Entscheidung dürften einige Wochen, wenn nicht gar Monate vergehen. Obwohl | |
der Eil-Beschluss nur zugunsten der beiden Kläger Google und Facebook/Meta | |
gilt, wird die Bundesregierung ihre allgemeine Stillhalte-Zusage nun | |
vermutlich verlängern. Ohne die US/irischen Internet-Konzerne macht eine | |
Meldepflicht wenig Sinn. | |
Die Meldepflicht für strafbare Plattform-Postings wird also weiterhin nicht | |
umgesetzt. Beim BKA müssen sich etwa 200 Beamt:innen der neuen | |
„Zentralen Meldestelle für strafbare Inhalte im Internet“ derweil anders | |
beschäftigen. Eigentlich sollten sie örtlich zuständige Polizeidienststelle | |
für die Fälle herausfinden, um den Vorgang dann dorthin zu verweisen. | |
Im irischen Recht gibt es keine Meldepflicht für Hass-Postings. Irland ist | |
für die US-Konzerne als Europa-Sitz nicht nur wegen der niedrigen Steuern | |
interessant, auch bei Datenschutz, Hassbekämpfung und anderen | |
kostenträchtigen Themen ist Irland wenig ambitioniert, um als Standort | |
attraktiv zu sein. | |
Allerdings wird es wohl nicht mehr lange dauern, bis eine ähnliche | |
Meldepflicht als EU-Verordnung eingeführt wird. Im so genannten Digital | |
Services Act (DSA) ist auch eine Meldepflicht für Internet-Plattformen | |
vorgesehen. Derzeit verhandeln die EU-Regierungen und das Europäische | |
Parlament über das Projekt. Die französische Ratspräsidentschaft will die | |
DSA-Verordnung noch im ersten Halbjahr 2022 verabschieden. | |
1 Mar 2022 | |
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## AUTOREN | |
Christian Rath | |
Konrad Litschko | |
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