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# taz.de -- Maßnahmen gegen Rechtsextremismus: Wo bleibt der Druck gegen recht…
> Die Bundesanwaltschaft erhebt Anklage gegen Reichsbürger. Die Grünen
> fordern mehr Engagement im Kampf gegen Rechtsextremismus.
Bild: Wurde nun angeklagt wegen Terrorverdachts: Heinrich Prinz Reuß
Berlin taz | Die Anklage ist gerade erst erfolgt. Vor einem Jahr war die
Bundesanwaltschaft gegen eine Gruppe [1][Reichsbürger um den Frankfurter
Unternehmer Heinrich Prinz Reuß] vorgegangen, hatte 27 Personen festnehmen
lassen und fast 400 Waffen beschlagnahmt. Ihnen wird vorgeworfen, einen
Umsturz geplant zu haben, inklusive Sturm auf den Bundestag.
Über die Anklage hatte zuerst der Spiegel berichtet, die Bundesanwaltschaft
wollte sich dazu vorerst nicht äußern. Verhandelt werden soll wegen der
Vielzahl der Angeklagten vor gleich drei Oberlandesgerichten, denen [2][in
Frankfurt/Main, Stuttgart und München]. Es ist eines der größten
Terrorverfahren in der Geschichte der Bundesrepublik.
Und besonders bedenklich: Unter den Beschuldigten waren auch mehrere
Staatsbedienstete – Polizisten, Soldaten oder die Richterin und
AfD-Politikerin Birgit Malsack-Winkemann.
## Gerade erst Disziplinarrecht verschärft
Auch wegen dieses Falls hatte der Bundestag erst [3][im November das
Disziplinargesetz verschärft]. Extremistische Beamte sollen damit schneller
aus dem Dienst entfernt werden. Bisher zogen sich die Verfahren oft
jahrelang, bei oft weiter ausgezahlten Bezügen. Auch bei Malsack-Winkemann
war in der Vergangenheit [4][eine Entfernung aus dem Richterinamt
gescheitert]. Nun sollen die Behörden direkt per Verwaltungsakt
Suspendierungen und Entlassungen vornehmen können – die erst im Nachgang
gerichtlich überprüft werden.
Die Opposition und der Beamtenbund hatten das kritisiert: Der Rechtsschutz
und die Unschuldsvermutung gegen Betroffenen drohe ausgehebelt zu werden.
Auch einige Länder äußerten sich skeptisch. Schleswig-Holstein änderte
zuletzt gar sein Landesdisziplinargesetz, um das Bundesgesetz vorerst nicht
übernehmen zu müssen.
Die Ampel-Fraktionen und Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) dagegen
hatten betont, der Rechtsstaat dürfe nicht von innen heraus sabotiert
werden. „Wer den Staat ablehnt, kann ihm nicht dienen.“
## Plan gegen Rechtsextremismus nur in Teilen umgesetzt
Das verschärfte Disziplinarrecht war bereits im Ampel-Koalitionsvertrag
vereinbart und Teil eines [5][10-Punkte-Aktionsplans gegen
Rechtsextremismus], den Faeser im März 2022 vorstellte. Von diesem Plan
sind indes – anderthalb Jahre später – immer noch etliche Punkte offen. Die
mitregierenden Grünen üben daran offene Kritik, ihre Fraktion
veröffentlichte nun ein eigenes Maßnahmenpapier gegen Rechtsextremismus.
Es sei „dringend geboten“, die vereinbarten Maßnahmen aus dem
Koalitionsvertrag „entschlossen umzusetzen“, heißt es darin. Es brauche
eine „ressortübergreifende Gesamtstrategie“ und „alle zur Verfügung
stehenden rechtstaatlichen Mittel“. Ziel müsse es sein, die fortschreitende
Radikalisierung der rechtsextremen Szene zu durchbrechen und die AfD in den
nächsten 10 Jahren wieder aus allen Parlamenten zu bekommen.
Konkret monieren die Grünen, dass die offenen rund 800 Haftbefehle gegen
Rechtsextreme endlich vollstreckt und rechtsextreme Netzwerke tatsächlich
„konsequent aufgelöst“ werden müssten. Verbote gab es hier zuletzt
zumindest gegen die [6][Hammerskins] und die [7][Artgemeinschaft]. Auch die
angekündigte Verschärfung des Waffenrechts und eine Entwaffnung der Szene
stehe weiter aus. Diese komme „immer noch zu leicht an Waffen“, es brauche
eine „absolute Versagung waffenrechtlicher Erlaubnisse für Personen mit
verfassungsfeindlichen Bestrebungen“.
Zudem stehe der versprochene bessere Schutz von Meldedaten für Amtsträger
oder sonstig demokratisch Engagierte aus. Und zum Demokratiefördergesetz
gebe es zwar einen Gesetzentwurf, [8][der aber im Bundestag festhänge].
## Auch bei den Sicherheitsbehörden noch Handlungsbedarf
Und auch bei Extremisten in den Sicherheitsbehörden gebe es noch zu tun, so
die Grünen. Zwar werde sich der erstmals beschlossene
[9][Polizeibeauftragte auf Bundesebene] auch mit strukturellen Problemen in
der Polizei beschäftigen. Die Polizei müsse sich aber weiter für die
Forschung öffnen, um das dortige Ausmaß rechtsextremer Einstellungen zu
erfassen. Und auch an der Behördenkultur sowie Einstellungs- und
Fortbildungspraxis müsse weiter gearbeitet werden, ebenso wie am
Strafrecht, um Verstöße konsequenter zu ahnden.
Grünen-Geschäftsführerin Irene Mihalic mahnte: „Wir stehen einer eng
vernetzten und finanziell gut ausgestatteten rechtsextremen Szene noch
immer ohne Gesamtstrategie gegenüber.“ Hier brauche es konkrete Maßnahmen
und mehr Unterstützung der Zivilgesellschaft. Auch die Grüne Misbah Khan
sagte der taz, „in vielen Sonntagsreden wird zwar immer wieder ein
entschlosseneres Vorgehen aller Demokratinnen und Demokraten gegen den
Rechtsextremismus eingefordert, unterm Strich bleiben die Bemühungen
allerdings weit hinter dem Möglichen zurück“.
Faeser selbst hatte sich zuletzt dagegen zufrieden mit ihrer Halbzeitbilanz
geäußert. Sie habe „viele Vorhaben auf den Weg gebracht“ und im Kampf geg…
den Rechtsextremismus ein „effektives Bündel kurzfristiger repressiver und
präventiver Maßnahmen“ geschnürt.
11 Dec 2023
## LINKS
[1] /Razzia-bei-Reichsbuergern/!5901865
[2] /Rechtsterroristische-Gruppe-S/!5973290
[3] /Ampel-verschaerft-Disziplinarrecht/!5969646
[4] /Umsturz-Verdaechtige-Malsack-Winkemann/!5901879
[5] /Aktionsplan-gegen-Rechtsextreme/!5922663
[6] /Verbot-der-rechtsextremen-Hammerskins/!5958227
[7] /Rechtsextreme-Artgemeinschaft-verboten/!5962927
[8] /SPD-und-Gruenen-Vorstoss-nach-AfD-Erfolg/!5940121
[9] /Gesetzentwurf-zu-neuem-Posten-im-Bund/!5971770
## AUTOREN
Konrad Litschko
## TAGS
Reichsbürger
Nancy Faeser
Ampel-Koalition
Schwerpunkt Polizeigewalt und Rassismus
Schwerpunkt Wie umgehen mit Rechten?
Rechtsextremismus
Schwerpunkt Rechter Terror
Schwerpunkt Neonazis
Lisa Paus
Reichsbürger
taz-Serie: Die Reichsbürger
Disziplinarverfahren
Schwerpunkt Wie umgehen mit Rechten?
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