| # taz.de -- Größtes Terrorverfahren aller Zeiten: Anklage gegen Putsch-Reichs… | |
| > Vor einem Jahr ließ die Bundesanwaltschaft 27 Reichsbürger festnehmen. | |
| > Nun erhebt sie Anklage. Die Gruppe habe Tote einkalkuliert. | |
| Bild: Bei einer Razzia gegen „Reichsbürger“ im Dezember 2022 führen Poliz… | |
| Berlin taz | Es ist [1][das größte Terrorverfahren in der Geschichte] der | |
| Bundesrepublik. Schon vor einem Jahr war die Bundesanwaltschaft gegen eine | |
| Gruppe putschverdächtiger Reichsbürger um den Frankfurter Unternehmer | |
| Heinrich Prinz Reuß vorgegangen. Ermittelt wird gegen fast 70 Beschuldigte, | |
| 27 wurden festgenommen, knapp 400 Waffen beschlagnahmt. Nun bestätigte die | |
| Bundesanwaltschaft, dass sie Anklage gegen die 27 Festgenommenen erhoben | |
| hat. | |
| Den Angeklagten werfen die obersten Strafverfolger [2][Mitgliedschaft oder | |
| Unterstützung einer terroristischen Vereinigung vor], teils auch Hochverrat | |
| und Verstöße gegen das Waffenrecht. Wegen der großen Zahl der Angeklagten | |
| soll vor gleich drei Oberlandesgerichten verhandelt werden: in | |
| Frankfurt/Main, Stuttgart und München. | |
| Die Kerngruppe um Heinrich Prinz Reuß wird sich in Frankfurt/Main | |
| verantworten müssen. Dort mitangeklagt sind dessen Partnerin Vitalia B., | |
| die frühere AfD-Bundestagsabgeordnete und Richterin Birgit | |
| Malsack-Winkemann, der frühere Polizist Michael F. oder die einstigen | |
| Soldaten Rüdiger von P., Maximilian Eder und Peter W.. | |
| Heinrich Prinz Reuß und Rüdiger von P. sollen dabei die Putschgruppe | |
| angeführt haben. Ende Juli 2021 hätten beide mit Maximilian Eder und Peter | |
| W. die Gruppe gegründet, mit dem Ziel eines gewaltsamen Umsturzes. Die | |
| Anklagten seien einem „Konglomerat aus Verschwörungsmythen“, [3][darunter | |
| die QAnon-Ideologie], gefolgt und hätten eine „tiefe Ablehnung der | |
| staatlichen Institutionen“ geteilt, so die Anklage. Sie hätten geglaubt, | |
| dass Deutschland von einem „Deep State“ regiert werde, der von einer | |
| „Allianz“, einem Geheimbund aus ausländischen Regierungen, | |
| Nachrichtendiensten und Militärs befreit werden müsse. | |
| ## Tötung von Menschen eingepreist | |
| Dafür habe die Gruppe auf ein Signal der „Allianz“ für einen „Tag X“ | |
| gewartet, [4][den Tag des Umsturzes.] Als ein Zeichen wurde hier etwa der | |
| Tod der britischen Queen Elizabeth II. diskutiert. Für den „Tag X“ seien | |
| bereits Feindeslisten von Politiker*innen erstellt worden. Für ihren | |
| Umsturz sei auch die Tötung von Menschen eingepreist gewesen, so die | |
| Anklage. | |
| Auch ein [5][bewaffneter Sturm auf den Bundestag] war laut Anklage | |
| vorgesehen, bei dem Abgeordnete festgenommen werden sollten. Mithilfe der | |
| damaligen AfD-Abgeordneten Birgit Malsack-Winkemann hätten Maximilian Eder, | |
| Peter W. und Harald P. dafür im August 2021 das Parlament bereits | |
| ausgekundschaftet. Auch später soll Malsack-Winkemann der Gruppe | |
| Informationen über Termine von Ausschüssen oder des Plenums übermittelt | |
| haben. Auch soll sie versucht haben, weitere Gruppenmitglieder anzuwerben. | |
| Der frühere sächsische AfD-Stadtrat Christian W. sollte für den | |
| Bundestagsangriff Waffen besorgen. Auch die frühere AfD-Aktivistin Ruth L. | |
| sei in den Plan involviert gewesen. | |
| Für die Zeit [6][nach dem Umsturz habe die Gruppe] bereits einen | |
| selbstgeschaffenen „Rat“ gebildet, der sich auf dem Anwesen von Heinrich | |
| Prinz Reuß in Thüringen traf, dem Jagdschloss Waidmannsheil. Reuß selbst | |
| sei dabei der Vorsitzende des „Rats“ gewesen. Er sei für eine Übergangsze… | |
| als Staatsoberhaupt vorgesehen gewesen und sollte „Friedensverträge“ mit | |
| den früheren Allierten Staaten, allen voran Russland, aushandeln. Im | |
| Februar 2022 sei Reuß dafür eigens in die Slowakei gefahren, um russische | |
| Vertreter zu treffen. | |
| Im Juni 2022 besuchte er das russische Generalkonsulat in Leipzig, auf | |
| Vermittlung seiner russischen Lebensgefährtin Vitalia B. Für die Gruppe | |
| habe er zudem Satellitentelefone besorgt und fast 1.000 Schuss Munition | |
| gebunkert. Rüdiger von P. wiederum sei Leiter des „militärischen Arms“ der | |
| Gruppe gewesen. Er habe die Idee von „Heimatschutzkompanien“ ersonnen, | |
| bundesweit waren 286 Einheiten geplant. Eine davon mit dem Namen „Nr. 148 | |
| Jena, Saale, Holzland Kreis, Saale-Orla-Kreis“, geleitet vom Angeklagten | |
| Norbert G. sah sich bereits einsatzbereit. Bei G.s Festnahme wurden mehrere | |
| Waffen beschlagnahmt. Auch Anführer Rüdiger von P. habe illegal eine | |
| Makarov-Pistole und Munition besessen und intensiv um neue Mitglieder | |
| geworben. | |
| ## Zwischen Wahn und Bedrohung | |
| Sein Adjutant sei der Bayer, frühere Fallschirmjäger und Survivalcoach | |
| Peter W. gewesen, der ebenfalls Mitglieder rekrutiert und ein | |
| Schießtraining organisiert habe. Zum militärischen Arm habe auch der | |
| frühere Oberst Maximilian Eder gehört, der weitere Soldat*innen zu | |
| rekrutieren versuchte und Schießtrainings vorbereitet habe. Auch der Sachse | |
| und frühere AfD-Stadtrat Christian W. wird dem Arm zugerechnet, zuständig | |
| für Waffenbeschaffung. W. habe bereits mehrere Lang- und Kurzwaffen besorgt | |
| und ebenfalls ein Schießtraining organisiert. | |
| Auch der Rottenburger Markus H. habe diesem Arm angehört, der – | |
| ausgestattet mit einer Fluglizenz – für „Luftunterstützungsaufgaben“ | |
| eingeteilt gewesen sei. Das noch aktive Mitglied des Kommando Spezialkräfte | |
| der Bundeswehr in Calw, Andreas M., gehörte ebenso dazu und verschaffte der | |
| Gruppe Zugang zu Bundeswehrliegenschaften. Der bereits wegen seiner | |
| Teilnahme an Coronaprotesten suspendierte Polizist Michael F. habe wiederum | |
| Polizisten angesprochen. | |
| Für ihren „Rat“ habe die Gruppe zudem bereits künftige Ressorts vergeben | |
| gehabt. Rüdiger von P. sei fürs „Militär“ zuständig gewesen, der Polizi… | |
| Michael F. für „Inneres“, die Hausärztin Melanie R. für „Gesundheit“… | |
| Jurist Paul G. für „Äußeres“, die AfD-Richterin Malsack-Winkemann für | |
| „Justiz“ oder Ruth L. für „Transkommunikation“, die neue Mitglieder | |
| spirituell überprüfen sollte. Auch eine Abteilung für „Menschenwesen“ sei | |
| geplant gewesen, unter Leitung von Tomas M., das als Militärgericht | |
| fungieren sollten, auch mit Verhängung von Todesstrafen. | |
| Zudem habe der Ex-Zeitsoldat Marco van H. als „Verbindungsoffizier“ | |
| fungiert, weil er behauptete, in direktem Kontakt mit der „Allianz“ zu | |
| stehen. Der QAnon-Verschwörungsanhänger Alexander Q. wiederum sei eine Art | |
| Sprecher gewesen und habe auf seinem reichweitenstarken Telegramkanal | |
| Inhalte über die „Allianz“ und deren bevorstehendes Einschreiten | |
| verbreitet. Er habe vorgehabt, künftig den Bundeswehrsender Andernach zu | |
| übernehmen. | |
| ## Fast 400 Schusswaffen, 148.000 Munitionsteile | |
| Wie ernst es der Gruppe gewesen sei, zeigten laut Anklage die Waffenfunde. | |
| Demnach habe die Gruppe am Ende über rund 380 Schusswaffen verfügt, zudem | |
| über fast 350 Hieb- und Stichwaffen und mindestens 148.000 Munitionsteile. | |
| Dazu kamen ballistische Helme, schusssichere Westen, Nachtsichtgeräte oder | |
| Handfesseln. Zudem hatte die Truppe rund 500.000 Euro eingesammelt. Allein | |
| der Mitangeklagte Hans-Joachim H. habe davon 160.000 Euro eingezahlt. | |
| Heinrich Prinz Reuß habe 50.000 Euro beigesteuert, die Ärztin Melanie R. | |
| 47.000 Euro und die frühere „Basis“-Politikerin Johanna F.-J. sammelte von | |
| einer Person aus ihrer Familie 150.000 Euro ein. | |
| Auch habe die Gruppe bereits konkret Bundeswehrkasernen ausgekundschaftet | |
| und intensiv versucht, aktive oder ehemalige Angehörige von Bundeswehr oder | |
| Polizei anzuwerben. Mitglieder und Interessenten mussten zudem eine | |
| Verschwiegenheitserklärung unterzeichnen. Würde diese gebrochen, wurde die | |
| „Todesstrafe“ angedroht. Und als Polizisten im März 2022 den nun ebenfalls | |
| angeklagten Markus L. in Reutlingen durchsuchen wollten, schoss dieser mit | |
| einem halbautomatischen AR15-Gewehr auf Polizisten und verletzte zwei | |
| Beamte. Ein Polizist erlitt dadurch dauerhafte Gesundheitsschäden. | |
| Neben den zehn Angeklagten in Frankfurt/Main sind acht weitere Beschuldigte | |
| vor dem Oberlandesgericht München angeklagt und neun vor dem | |
| Oberlandesgericht Stuttgart. Das Frankfurter Gericht bestätigte am Dienstag | |
| den Eingang der Anklage. Man prüfe nun im Zwischenverfahren die Zulassung | |
| der Anklage, was sich einige Monate ziehen könne, erklärte eine Sprecherin. | |
| Einer der Verteidiger, Martin Heynert, wies am Dienstag die Vorwürfe | |
| zurück. Sein Mandant, der Ex-Polizist Michael F., habe zwar tatsächlich an | |
| die „Allianz“ geglaubt, sich aber lediglich auf einem möglichen | |
| Machtwechsel vorbereitet. „Er wollte sich selbst an keinem Umsturz oder an | |
| Gewalt beteiligen.“ Dies habe Michael F. vor den Ermittlern erklärt und | |
| werde es so auch vor Gericht aussagen. Auch andere Verteidiger hatten die | |
| Vorwürfe zuletzt zurückgewiesen. | |
| 12 Dec 2023 | |
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| ## AUTOREN | |
| Konrad Litschko | |
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